Kindern die Arbeit erklären

Früher hatten Schulabgänger oft das Problem, einen Ausbildungsplatz zu ergattern. Heute haben viele Unternehmen Mühe, ausbildungswillige und -fähige Jugendliche zu finden.

Veröffentlicht:
von

Haben Sie sich in dieser Woche beim Zeitunglesen auch die Augen gerieben? So viele unbesetzte Lehrstellen gibt es in Deutschland wie nie zuvor. Unbesetzte Lehrstellen! Dort, wo früher Bündnisse von Arbeitgebern, Gewerkschaften, Politikern und Radiosendern mit dem Ziel geschlossen wurden, der gewaltigen Nachfrage von jungen Menschen nach Ausbildung irgendwie gerecht zu werden.

Heute finden viele Unternehmen keine Interessenten mehr und werben neben beachtlicher Vergütung mit Sonderleistungen vom Auslandsaufenthalt bis zum Dienst-Pkw um junge Menschen. Gleichwohl wird zunehmend deutlich, dass von manchen Schulen im Lande Abgänger auf den Arbeitsmarkt losgelassen werden, die nicht ausbildungsfähig sind. Mangelhafte Rechtschreibung, vom einfachen Dreisatz keinen Schimmer und überhaupt keinen Bock auf disziplinierte Tagesabläufe.

Wenn ein Schüler seinen Abschluss bekommt, aber keinen Satz fehlerfrei zu Papier bringen kann, darf man mit Fug und Recht der Schule Versäumnisse vorwerfen. Es gibt ganz fantastische Schulen, nicht nur in Bayern, sondern auch in NRW. Aber es gibt eben auch Schulen, wo man unwillkürlich darüber nachdenkt, was dort eigentlich im Unterricht gelehrt wird.

Wenn es aber um Jugendliche geht, die morgens nicht aufstehen wollen, die nicht bereit sind, Anweisungen eines Vorgesetzten entgegenzunehmen, muss man wohl von einer ernsten gesamtgesellschaftlichen Fehlentwicklung ausgehen. Und hier kommen die Elternhäuser ins Spiel.

Ich frage mich oft, wenn ich abends um 23 Uhr auf der Straße noch Achtjährige sehe, wo eigentlich deren Eltern sind. Wenn Kinder nicht lernen, dass es Grenzen und Regeln gibt, werden sie später im Leben nicht klarkommen. Wenn sie nicht begreifen, dass die Fähigkeit, morgens aufzustehen, etwas mit der freiwilligen Bereitschaft zu tun hat, abends auch mal früher schlafen zu gehen, werden sie erleben, dass Arbeitgeber es nicht goutieren, wenn die Mitarbeiter zu spät kommen.

Ganz sicher gehöre ich nicht zu denen, die eine Generation von Duckmäusern haben möchte. Ganz im Gegenteil, davon gibt es viel zu viele. Selber denken, frei entscheiden, wie man das eigene Leben gestalten will – das ist das Wichtigste. Doch diese Gesellschaft und unser Wohlstand basieren auf einem System, das auch in Zukunft nur funktioniert, wenn jeder bereit ist, ein paar Grundregeln einzuhalten. Das sollten wir unseren Kindern erklären, und das sollten auch ihre Lehrer vermitteln.

Beitrag zuerst erschienen auf www.rp-online.de

Für die Inhalte der Blogs und Kolumnen sind die jeweiligen Blogger verantwortlich. Die Beiträge der Blogger und Gastautoren geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder des Herausgebers wieder.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Gravatar: jenny

Warum die kinder immer undisziplinierter und schlechter sind?

1. weil schon jetzt die Hälfte der Kinder sich aus den Unterschichten anderer Länder rekrutiert, dem Kind eines Analphabeten, wo zu Hause türkisch oder Romanes gesprochen wird, muss eben noch deutsch beigebracht werden. Diese Kinder machen in Großstädten von DE schon balf 50% und manchmal schon bis 70% bald aus!

Die Deutsche Mittelschicht und ihre Reste haben oft leider nicht mehr genug Geld für mehr als ein Kind oder keines, die Abgabenlast insgesamt beläuft sich bald zzgl. Maut auf 80% des Einkommens, weshalb die Mütter oft schon mitarbeiten MÜSSEN, um das noch alles zu finanzieren. Die Mittelschicht wird zerquetscht !

ich weiß manchmal nicht, ob ich noch zur mittelschicht gehöre oder nicht finanziell schon zur Unterschicht. Maximal kann ich mir nur noch ein Kind leisten!

wenn überhaupt! Erst wenn ich mit meinem Studienabschluss ne besser bezahlte Stelle finden würde, wäre vielleicht ein 2. drin, aber auch dafür ist die Zeit schon knapp!

Punkt Nr. 2: Ausbildungsplätze leer???? In Nord-DE findet ca. 33% der Jugend keinen Ausbildungsplatz, sondern wandert in Maßnahmen oder muss Schlabschlüsse nachholen.

und was sind das für freie Ausbildungsplätze? Das ist der NIEDRIGLOHNSEKTOR!! Schlachter? Machen Rumänen für 3,77 Euro pro stunde!

Friseur? Macht gerade mal 7 Euro Brutto pro Stunde! Arzthelferin?? Macht gerade mal 980 Euro NETTO im Monat = Armutsgrenze!!!

Kellner, Systemgastronom, Gebäudereiniger, Koch, Bäckereifachverkäufer - das sind die meisten Mangelberufe! Wieso verdient die Krankenschwester weniger als die Erzieherin?? Auf einen Alzheimerpatient aufzupassen ist nicht minder anspruchsvoll, als auf Kleinkinder!

und wieso gehen sv-pflichtige Stellen für Ausbildungsabsolventen zurück, nur bei Hochqualifizierten gibt es Stellenaufbau??? Fragen über Fragen!

http://hamburg-stadtfueralle.de/wp-content/uploads/06.03._Entwicklung-der-Besch%C3%A4ftigung-in-HH-Anzeichen-f%C3%BCr-eine-Spaltung-des-Arbeitsmarktes.pdf

Gravatar: Jenny

woher Kommentator Nr. 1 soll ein Türke wissen, was die Alt68er sind??? 50% und bald mehr des Nachwuches in DE kommt aus den Unterschichten anderer Länder, ich seh das ja in meinem Viertel, wo 61% der Kinder von Sozialtransfers leben, Wohngeld und Kinderzuschlag noch exklusive!

Gravatar: Kerstin

Realität verdrängend - seltsam, bestimmen Sie die Realität? Was glauben Sie, wie viele unterschiedliche Realitäten nebeneinander existieren? Es kommt halt immer auf den Blickwinkel an. Was hätten Sie davon, wenn Sie wüssten, wie ich meine Brötchen verdiene? Würden Sie einhacken wollen auf einen Sozialschmarotzer oder würden Sie einem Akademiker oder Privatier Anerkennung zollen wollen - ja klar, dann wär Meinung wahrscheinlich für Sie erst was wert? Ist doch völlig unerheblich, für mich jedenfalls.

Hätte es schön gefunden, wenn Sie argumentativ geantwortet hätten.

Gravatar: Björn

"...deren Existenz von Schulproblemen abhängt." Wohl wahr! Hören die Probleme deswegen nie auf und folgt deswegen eine fragwürdige Bildungsreform der anderen und ein fragwürdiger Bildungsplan dem anderen? So schafft man Arbeit, wenn auch auf dem Rücken ungebildeter, psychisch kranker Kinder.

Gravatar: Ursula Prasuhn

"Das sollten wir unseren Kindern erklären, und das sollten auch ihre Lehrer vermitteln", lautet Ihr Schlußsatz, Herr Kelle.
Ich fürchte nur, Erklärungen helfen da wenig. Sie haben die dumme Eigenschaft, zum einen Ohr rein und zum anderen wieder hinauszugehen ohne nennenswerte Wirkung.
Wünschenswertes Sozialverhalten lernen Kinder vor allem durch Abgucken, Nachahmen und ständiges Trainieren von Verhaltensweisen, welche die Mitglieder der Gemeinschaft, in der sie aufwachsen und mit der sie sich verbunden fühlen, an den Tag legen.
Schule und Lehrer können am wenigsten das vermitteln, was so schön „soziale Kompetenz“ heißt und als anmaßende Augenwischerei in den Bildungsplänen steht.
Keine Schule ist echte Gemeinschaft, die Soziales nachhaltig vermitteln kann. Schulen sind nur Teil eines riesigen Netzwerks, dessen eigentlicher Sinn und Zweck in der Belehrung über Kulturtechniken wie Lesen, Schreiben und Rechnen besteht. Die Aufgaben von Familie können sie nicht ersetzen, auch wenn aus politischem Kalkül heraus immer so getan wird als ob.
Familiäre Erziehung zu unterstützen lautet das Gebot der Stunde – und nicht staatliche Pseudo-Erziehung, die jeden Tag mehr Sozialpädagogen oder Psychologen als Hilfskräfte braucht, weil sie mit ihrer Aufgabe nicht fertig wird.
Dafür taugt sie umso mehr als Jobmaschine. Wo einstmals nur Lehrer nötig waren, tummelt sich jetzt ein Heer von staatlich alimentierten Helfern, deren Existenz von Schulproblemen abhängt.

Gravatar: Jens

Ihre klassenkämpferischen, die Realität verdrängenden Töne helfen keinem. Wegschauen und fromme Sprüche dreschen ist offenbar nicht nur beliebte Masche von Politikern.
Verdienen Sie Ihre Brötchen eigentlich mit eigener Hände Arbeit?

Gravatar: Kerstin

Auf diese Grundregeln wäre ich jetzt mal gespannt. Die einzige, die aus Ihrem Text hervorgeht, ist, früh zu Bett gehen, um rechtzeitig aufstehen zu können, - etwas dürftig. Wenn man sich den Kapitalismus anschaut, sind doch die meisten Regeln auf Ausbeutung und blinden politischen Gehorsam ausgerichtet. Menschliche Bedürfnisse werden oft außer Acht gelassen. Regeln, die in unserem Land gelten, sind oft hoffnungslos veraltet und zum Himmel schreiend ungerecht. Sie werden von wenigen Menschen, meist Lobbyisten, aufgestellt, die von immer weniger werdenden Wählern gewählt werden und doch muss sich die Mehrheit daran halten. Versuchen Sie das mal einem Kind zu erklären. Da reiht sich Widerspruch an Widerspruch und macht Erziehung mitunter schwierig bzw. Regeln oft schwer erklärbar. Viele schuften, damit wenige im Luxus leben, wunderbar, wenn Jugendliche das auf ihre Art kritisieren.

Rechtschreibung, Dreisatz und Disziplin beherrschen viele, sicherlich auch all die klugen Steuerhinterzieher. Klassische Schulbildung als Wert an sich ist fraglich, nicht statisch und vergänglich. Angeblich vergessen wir ja auch 90 % des Schulwissens wieder – ziemlich ineffizient eigentlich und dennoch kann sich der Normalo diesem System nicht entziehen. Die Gestaltungsmöglichkeiten unseres Systems sind nur wenigen privilegierten Vorbehalten. Generell sollten wir Moral und Menschlichkeit wieder in den Vordergrund stellen und wir alle sollten unser Gesellschaftssystem gründlich überdenken.

Gravatar: Andreas Schneider

Amen!

Ich habe über Jahre in mehreren Schulpflegschaften mitgewirkt, in einer Förderschule als Vorsitzender. Hanebüchenes Theater, sinnbefreite Diskussionen mit Eltern um Nichtigkeiten. Aber wehe, der Lehrer sprach ein offenes Wort!

Als betrieblicher Ausbilder habe ich in der Folge oft genug die Ergebnisse gesehen. Vor lauter "Sozialkompetenz" konnte so mancher Aspirant kaum aufrecht gehen, aber Herrn Kelles Aussage von der Unkenntnis des "einfachen Dreisatzes" unterstreiche ich.

Mein Jüngster, Absolvent besagter Förderschule, hat vor knapp 2 Jahren einen Hauptschulabschluss erworben. Er macht eine Ausbildung zum Koch. Am Ende des Unterrichts im Schulblock des ersten Ausbildungsjahres verzeichnet die Klasse von ehemals 24 Einsteigern aktuell noch 15. Dem Vernehmen nach werden zu Beginn des zweiten Lehrjahres davon noch 7 (sieben!) übrig sein. Die Gründe sind vielfältig. Allem voran ist es jedoch der "Stress", der als Hauptproblem genannt wird.

Mein Sohn hat das zweitbeste Zeugnis der Klasse erhalten. Oft genug haben wir gemeinsam geübt, er bestand darauf. Der Dreisatz sitzt, nicht aber unter dieser Bezeichnung; "einfacher Dreisatz" war einmal. Dafür wurden jedoch 3 verschiedene Ansätze jeweils anderen Namens gelehrt. Am schwächsten hat Junior in Deutsch abgeschnitten. Einer Lehrerin "mit Migrationshintergund" gelang es nicht, ihr Steckenpferd, die "Spickzettelmethode", eingängig zu erklären.

Was ein Koch davon hätte, dies zu wissen, steht ohnehin in den Sternen. "Bildung" heute. Und was soll ein Elternhaus angesichts dessen bewirken, Erziehungssünden einmal ausgenommen?

Gravatar: Florian Hohenwarter

Jetzt haben wir die Früchte der antiautoritären Erziehung unsere 68er.
Vielen Dankt auch!!

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang