Kindergarten: Es geht nichts über eigene Erfahrungen

Wer wissen will, wie es Kindern im Kindergarten geht, sollte sich mal ein paar Schnupperstunden gönnen.

Veröffentlicht:
von

Ich hatte es bereits geschrieben: Unser Großer ist aus dem Kindergarten abgemeldet. Die katholische Einrichtung, in der er bislang halbtags betreut wurde, ist vermutlich keine schlechte ihrer Art – aber das sagt mehr über die anderen Einrichtungen aus als über diese. Bis zum Monatsende ist der Beitrag aber noch bezahlt und so habe ich mich mit unserem Sohn am Samstag aufgemacht zu einem “Vater-Kind-Tobe-Tag”, beginnend um 10:00 Uhr, endend um 13:00 Uhr. Das Positive vorweg: Es hat Spaß gemacht, Paulus und ich haben die gemeinsame Zeit genossen … und neue Spiele gelernt. Und auch der Begleiter, Werner mit Vornamen, den Nachnamen habe ich leider vergessen, hat das toll gemacht: Niemand, weder Väter noch Kinder, wurden zur Teilnahme an irgendwas gezwungen. Sicher auch lehrreich für Väter, die gar nicht verstehen können, wenn ihr Sohn oder ihre Tochter ein Spiel partout nicht mitspielen will.

Rund fünfzehn Kinder im Alter zwischen 3 und knapp 6 habe ich gezählt, eine typische Altersstruktur also in Kindergärten ohne (!) U3-Betreuung also. Werner wies direkt darauf hin, dass das eigentlich etwas viele Teilnehmer seien, zukünftig müsse man die Teilnehmerzahl wohl auf maximal zehn begrenzen. Notiz für den Hinterkopf: In seiner bisherigen Gruppe im Kindergarten werden in einer ählichen Raumgröße 25 Kinder betreut!

Und los ging es mit Spielen, die sowohl die Kinder als auch die Väter einbezogen, zwischendurch zwei kurze Pausen. Die Spiele – vermutlich haben die auch einen Namen, den ich aber nicht kenne oder mich nicht erinnere, und die zu erläutern jetzt zu weit führen würde – waren teils laut, teils eher ruhig, die meisten mit Bewegung verbunden, meist paarweise mit den Vätern, ab und zu auch gemeinsam mit allen zu spielen. Zur Mitte der Veranstaltung dann die ersten Ausstiege: Manchen Kindern war offenbar der Rahmen des Tages zu viel, sie wollten nach Hause. Gut, dass Werner die Väter dann ermutigt hat, auch zu gehen, wenn die Kinder wirklich nicht mehr wollten. Notiz für den Hinterkopf: Wer schickt eigentlich Kinder aus dem Kindergarten nach Hause, wenn sie nicht mehr wollen? Nebenbei: Die Kinder, die nach Hause wollten, waren Kinder aus diesem Kindergarten, einen solchen “Alltag” also offensichtlich gewohnt (vielleicht aber am Freitag dann auch an ihrer Leistungsgrenze angekommen).

Für die Väter gab es dann noch einen Film von etwa 45 Minuten Länge, in dem es um den Umgang mit der sogenannten “Brüll-Falle” ging: Wenn Kinder nicht auf uns hören, werden wir lauter, fangen oft an, sie irgendwann anzubrüllen, die Kinder lernen diese Reaktion selbst, beginnen zu brüllen, wenn sie etwas wollen, wir geben dann um der Ruhe willen nach … Voilà, die Brüll-Falle. In dem Film wurden Erklärungen und Auswege aufgezeigt – wirklich bemerkenswert sich klar zu machen, dass Kinder nicht deshalb nicht auf uns hören, weil sie uns ärgern wollen, sondern weil sie so im Spiel vertieft sind, dass sie nicht hören können (!) was sie nicht hören wollen – und kurz, wirklich sehr kurz, unter den Vätern diskutiert. In der Zwischenzeit waren die Kinder im Außengelände des Spielplatzes von einer Erzieherin des Kindergartens betreut. Notiz für den Hinterkopf: Das macht die auch in ihrer Freizeit!

Unserem Paulus hat es gefallen, er hat auch nicht jedes Spiel mitgemacht, und ich bin ein bisschen stolz auf ihn, dass er seinen eigenen Kopf hat und Dinge, die ihm unsinnig erscheinen, einfach nicht tut. Er räumt zu Hause sein Spielzeug auf, wenn er muss, aber wenn ich ihn auffordern würde, ohne Grund auf einem Bein zu hüpfen, schaut er mich ebenso verständnislos an, wie ich es tun würde, wenn mein Chef das von mir verlangen würde. Auch ich fand die drei Stunden angenehm – aber wir waren beide ziemlich erschlagen, als wir wieder zu Hause angekommen sind! Nach nur drei Stunden, und wohlgemerkt, unser Junge war im Gegensatz zu den anderen, einigermaßen ausgeruht.

Was lerne ich daraus? Kann schon sein, dass Kindergärten sich für manche Kinder eignen, aber 25 Kinder in einer Gruppe mit zwei Erzieherinnen sind für die Betreuung von Kindern – auch über 3 – nicht akzeptabel. Wir hatten – zugegeben in einem etwas speziellen Rahmen – 15 Kinder in 1:1- oder 1:2-Betreuung (letzteres bei Geschwisterkindern), die Geräuschkulisse war zu laut und der Leiter meinte, es seien zu viele Kinder … noch Fragen?

Kann auch sein, dass manche Kinder, wenn sie sonst gar keinen Kontakt zu Gleichaltrigen hätten, von anderen Kindern profitieren. Aber ich bin froh, dass wir individuell auf unseren Sohn eingehen können, ihn erziehen, wo es notwendig ist, ihm Freiheit lassen, wo es gut ist, und er mit anderen Kindern spielen kann und mit ihnen zu spielen “lernt” ohne gezwungen zu werden. Ein Kindergarten kann eine solche Individualität schlicht nicht liefern. Dafür kann keine Erzieherin etwas, aber niemand sollte meinen, dass so ein Umfeld nur deshalb das beste wäre, weil es die Kindergartenorganisation nicht anders zulässt. Gut möglich, dass er im letzten “Kindergartenjahr” vor der Schule noch mal einen Kindergarten besuchen wird, aber so wie er sich entwickelt und sich gegenüber anderen Kindern verhält, sehe ich keine zwingende Notwendigkeit.

Und es kann schon sein, dass sich Kindergärtnerinnen allergrößte Mühe geben, mit ganz viel Herzblut bei der Sache sind, ihnen die Kinder auch ans Herz wachsen. Aber bei gegebenen Betreuungsspannen hat es eine Erzieherin in dieser Einrichtung mit 10-13 Kindern zu tun – wie viel Zeit für Individualität, wie viel Zeit für Rücksicht auf die Besonderheiten eines Kindes (und nicht eines zu klein geratenen Erwachsenen) kann da bleiben? Und selbst wenn: Welchen Zweck sollte es haben, wieso sollte es gut sein, wenn ein so kleines Kind eine Beziehung zu einer Erzieherin wie zu einer Mutter oder einem Vater aufbaut?

Paulus und ich hatten einen schönen Vormittag im Kindergarten … und ich bin noch mehr überzeugt als vorher, dass wir die richtige Entscheidung getroffen haben, ihn dort abzumelden!

Nachtrag – Dialog zwischen Paulus (P) und mir (F) auf der Rückfahrt

F: Und, war das eine gute Zeit?

P: Ja, war toll!

F. Was hat Dir denn am meisten Spaß gemacht?

P: [Nennt ein Spiel]

F: Und, willst Du [Name eines anderen Kindes, mit dem er gespielt hat] wieder sehen oder mal einladen?

P: Ja.

F: Jetzt warst Du ja nach einer ganzen Weile das erste mal im Kindergarten – hat’s Dir gefallen?

P: Ja.

F: Und, willst Du nicht vielleicht doch wieder regelmäßig hingehen?

P: Nein! [Rufzeichen im Gesicht und in der Stimmlage]

Beitrag erschien auch auf: papsttreuerblog.de

Für die Inhalte der Blogs und Kolumnen sind die jeweiligen Blogger verantwortlich. Die Beiträge der Blogger und Gastautoren geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder des Herausgebers wieder.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Gravatar: H.Roth

Wenn Kinder entsprechend ihren Interessen daheim gefördert werden, lernen sie viel mehr, als in einer "Bildungseinrichtung" a la Kindergarten. Zudem lernen sie die wertvollsten Dinge allein durch Beobachten der Eltern, sei es beim Tisch decken, Mahlzeiten zubereiten, Wäsche aufhängen, Einkaufen, Umgang mit Nachbarn usw. Natürlich sollte man sie auch zum Helfen ermutigen, auch wenn der Obstsalat dann nicht gerade in mundgerechten Stücken zubereitet ist, und die selbstgebackenen Brötchen unförmig aussehen.
Es gibt auch genug Studien, die die Vorteile vom Homeschooling belegen. Und soziales Lernen geschieht in erster Linie in der Familie. Was man da mit Hilfe der Eltern (und Geschwister) gut eingeübt hat (Teilen, Fairness, Freundlichkeit, Rücksicht, uvm.) kann man dann überall anwenden, wo man auf Menschen trifft. In Rumänien gibt es eine Redewendung, wenn sich jemand schlecht benimmt: " Dir fehlen die sieben Jahre von zu Hause". Es sind gerade diese ersten sieben Jahre, die den Menschen für sein Leben prägen. Warum also diese Zeit versäumen und die Kinder in die, durch die Industrialisierung hervorgerufene, "Massenkinderhaltung" abgeben?

Gravatar: sttn

Im katholischen Kindergarten meiner Tochter gab/gibt es mehr Betreuerinnen bei weniger Kinder. Ich denke es waren so 6 Kinder pro Betreuerin. Nicht wenig, aber in der Altersklasse wohl beherrschbar. Meiner Tochter hat es sehr gut gefallen.
Nun stellt man sich aber 6 Babys oder Kleinkinder mit einer Betreuerin vor. Das gibt es und zwar in den hochgelobten Kitas in Deutschland. Ja manchmal ist die Quote zeitweise besser, da kommen rechnerisch 3-4 Kinder pro Betreuerin, aber nur wenn niemand krank, in Urlaub oder auf Fortbildung ist.
Wer selber Kinder hat, weiss das man mit einem Baby/Kleinkind gut zu tun hat. Mit zweien ist man auf die Dauer überfordet, bei mehr als drei ist man nahe am Durchdrehen, weil man vor lauter Windeln wechseln, füttern, anziehen, aufpassen keine Chance hat Luft zu holen. Und drei ist der Optimalzustand in den besten deutschen Kitas, in den meisten Fällen ist es bedeutend schlechter.
Und dann wird das ganze als qualifizierte Förderung verkauft. Wie soll das gehen? Kitas sind für Kinder unter drei Verwahranstalten ...

Gravatar: Elmar Oberdörffer

Ich war auch nicht im Kindergarten. Es gab einen Kindergarten in Plittersdorf, da hat maine Mutter mich drei Tage lang hingebracht. Es hat mir aber nicht gefallen, ich fand die Spiele und die Lieder doof, und es war da auch kein Kind, mit dem ich hätte Freundschaft schließen wollen. Dann habe ich meiner Mutter erklärt, daß es mir in Kindergarten nicht gefiele und ich nicht mehr hingehen wolle. Meine Mutter hat das akzeptiert und ich durfte fortan zu Hause bleiben. Da hatte ich viel interessanteres Spielzeug als im Kindergarten, und es gab in der Straße genügend andere Kinder, mit denen ich spielen konnte, wenn ich wollte.

Gravatar: Reiner Schöne

Mal ganz ehrlich. Ich war nie im Kindergarten ich mußte nie, da meine Mutter zu Hause war. Ich brauchte auch nicht, da wir auf unserem Hof ca 18 gleichaltrige Kinder waren und Platz zum spielen da war, genügend Platz. Ich brauchte auch nicht da jeder im Hausblock (vorallem ältere Damen und Herren) jedes Kind kannten und aufpassten, wenn es auch manchmal nervig war (als Kind). Auch war es so, das Eltern die Kindergärten zwar kannten, aber die Kinder lieber selbst erziehen wollten, wenn auch das manchmal nervig war, (für die Eltern). Aber es wurde gemacht, und es hat geklappt, da es ein Zusammenspiel von vielen Faktoren war. Dazu kamen die Großeltern die einsprangen wenn Not am Mann/Frau war. Heute wird man schief angeschaut wenn die Kinder nicht im Kindergarten sind, wenn sie zu Hause betreut werden, wenn sie einfach tagsüber im Hof spielen auch wenn keine Schulferien sind. Und auch wir haben das das Alphabet gelernt, und rechenen, alles vor Beginn der 1. Klasse der Schule. Wir konnten ein wenig schreiben, und schon bis 20 Addieren und Subtrahieren. Aber gut, es war 1956 und nicht 2015, aber was ist anders, was ist wirklich anders geworden? Die allgemeine Meinung, das ist das Einzige was sich geändert hat, ohne Kindergarten bleiben die Kids dumm, oder Kindergarten keine sozialen Kontakte usw. Stimmt das wirklich? Wer sagt so etwas? Hat er beweise dafür?

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang