Keine Lust auf Vergangenheitsbewältigung?

Das ehemalige Stasi-Gefängnis Berlin-Hohenschönhausen erlebte 2009 einen Besucherrekord. Nur die Ostdeutschen machten sich eher rar.

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Die Berliner Gedenkstätte Hohenschönhausen konnte im vergangenen Jahr einen Zuschauerrekord verzeichnen: 2009 haben 314.000 Menschen das ehemalige zentrale Untersuchungsgefängnis des DDR-Staatssicherheitsdienstes besucht. Seit der Eröffnung der Gedenkstätte haben mehr als 1,7 Mio. Menschen die Gelegenheit wahrgenommen, um sich über den Unterdrückungsapparat der ehemaligen DDR-Regierung zu informieren. Erfreulich, dass nach wie vor ein so großes Interesse an der geschichtlichen Aufarbeitung des ostdeutschen Unrechtsstaats zu informieren. Umso bedauerlicher ist der geringe Anteil ostdeutscher Besucher. Bayern war mit 41.000 Besuchern (13 Prozent) gefolgt von Nordrhein-Westfalen mit 36.000 Besuchern (12 Prozent) und Baden-Württemberg mit 31.000 Besuchern (10 Prozent) vertreten. Aus Berlin kamen 23.000 Besucher. Dagegen konnten sich nur 16.000 Ostdeutsche zu einem Besuch in diesem eindrucksvollen und bedrückenden Zeugnis ihrer Vergangenheit motivieren.

Auf die gesamte Bevölkerung hochgerechnet ist dies tatsächlich eine traurige Quote. Während 0,3 % aller Bayern, 0,2 % der Bürger von Nordrhein-Westfalen und knapp 0,3 % der Einwohner von Baden-Württemberg den weiten Weg in die Berliner Gedenkstätte im vergangenen Jahr auf sich nahmen, waren es gerade einmal 0,1 % der ostdeutschen Bevölkerung die in diesem Jahr diese Gelegenheit zur Vergangenheitsbewältigung ergriffen. Nach Auskunft des Bloggers Dr. Christian Jung  (Zeittaucher@Scienceblogs); Habilitant an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, sei das Interesse von Lehrern aus den neuen Bundesländern und Ostberlin, mit ihren Schülern die Gedenkstätte zu besuchen, äußerst gering. Kein Wunder, dass Schüler aus Westdeutschland inzwischen besser über die DDR bescheid wissen als ihre ostdeutschen Altersgenossen. Vor allem der eher dürftige Informationsstand ostdeutscher Schüler über das Ausmaß und die Wirkung des DDR-Überwachungsstaats zeugt von einem deutlichen Nachholbedarf. Die Gelegenheit dazu, wie sie beispielsweise Stasi-Opfer Mario Röllig bei Führungen durch die ehemalige Haftanstalt bietet, wird jedoch offensichtlich zu wenig wahrgenommen.

Der Beitrag erschien auch auf "Denken für die Freiheit", dem Weblog des Liberalen Instituts der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Noah

Da ist er wieder, unser "Mr. Zitiergebot". Und er hat schon wieder seine Taletten vergessen!

Gravatar: insider

So wie die Ostdeutschen scheinbar nichts von ihrer Vergangenheit wissen wollen, so will in Westdeutschland wie in Ostdeutschland niemand eigentlich die Vergangenheit Drittes Reich endlich aufarbeitet wissen und so wundert es denn auch nicht, dass es inzwischen überall hervorqillt, nämlich die Vergangenheit. Die Saat geht scheinbar auf, die das Dritte Reich hinterlassen hat auf deutschem Boden, nicht in Gestalt der NPD, die Scheindemokraten, die in den Landtagen und Bundestag sitzenden Parteien sind es, die Gefallen gefunden haben am Unterdrücken und Plündern zu eigenen Zwecken und da kam und kommt ihnen das Modell "Drittes Reich" genau richtig. Die deutsche Finanzverwaltung und Justiz denkt und handelt sowieso seit den letzten 61 Jahren in diesem Modus, nur offen gesprochen wurde nicht drüber. Erkennen hätte man es können müssen, ging es doch immer am Grundgesetz vorbei.

Gravatar: Noah

@Constanze Kikels
Welche Widersacher treiben denn Ihrer Meinung nach noch immer ihr Unwesen und vor allem wie? Meinen Sie die inzwischen hochbetagten Stasioffiziere, welche sich bei "roten Kameradschaftsabenden" mit Goldbrand und Berliner Pilsener an ihre vermeintlichen Heldentaten erinnern? Vor diesen Betonköpfen muss niemand mehr ernsthaft Angst haben.Das Problem, so es eines sein sollte, hat sich in spätenstens 10 Jahren ohnehin biologisch erledigt.
Niemand benötigt heute noch das ständige Mantra, welches einzig nur noch dazu geeignet ist, untaugliche Ablenkungsversuche von den eigentlichen Problemen dieser Gesellschaft zu versuchen und den abschließenden Fall der Mauer in den Köpfen zu verhindern.
Verordnetes Gedenken, auch unter der schön klingenden Umschreibung "Geschichtsaufarbeitung", sollte endlich als das angesehen werden was es ist und immer war: kontraproduktiv!

Gravatar: Constanze Kikels

Es ist traurig, dass die Ostdeutschen an der Aufarbeitung ihre egenen Geschichte nicht interessiert sind. Sie vergessen, dass die Wiedersacher immer noch unter uns weilen und mit Sicherheit nach dem Fall der Mauer nicht bekehrt wurden. Nach wie vor treiben sie ihr Unwesen.
Ich bin der Meinung, wenn ich die Augen davor verschließe, mache ich mich mitschuldig.
Und warum sollen unsere Kinder mit der Nichtaufarbeitung belastet werden.
Unsere Kinder müssen aufgeklärt werden, damit nie wieder ein Unrechtsstaat aus Deutschland wird. Wir haben die Hitler verangenheit, wir haben die Stasivergangenheit. Was kommt als nächstes, damit die Deutschen endlich begreifen, nie wieder die Menschenrechte zu verletzen.

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