"Kaufen Sie sich einen Minister"

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Buchbesprechung Helmut Böger: "Kaufen Sie sich einen Minister - und andere Satiren aus dem öffentlichen Dienst"
Mit einem Vorwort von Johannes Rau, Walter Rau-Verlag, Düsseldorf 1982 ISBN 3-7919-0204-0

Der Autor beleuchtet schon in seiner ersten Geschichte – Kaufen Sie sich einen Minister oder Investieren ist besser als Korrumpieren - die politische Wirklichkeit in diesem unserem Lande. Böger tut dies mit einiger Präzision, wenn er schreibt: „Kaufen Sie sich einen Minister. Greifen Sie rechtzeitig zu, dann ist er billiger. Das ist wie beim Pferdesport. Traber, die einige Trophäen geholt haben, sind teurer. Fangen Sie deshalb rechtzeitig an! Das kommt billiger und Sie haben
mehr davon.“
Später schreibt er. „Minister muss man züchten, dann sind sie billiger und haltbarer. Dazu bedarf es intensiver Brutpflege.“ Auch da hat Helmut Böger zumindest in Teilen recht. Er beschreibt gleichsam die Sparversion politischer Landschaftspflege. Ein Handbuch für den minderbemittelten Investor sozusagen. Es geht nämlich auch teuerer und mindestens ebenso effektiv, wenn man in einen aktiven Minister-(Präsidenten) investiert. Dann aber richtig. Danach kann man sich völlig frei und ungezwungen bewegen - an allen Gesetzen vorbei. Bestes Beispiel:
Friedel Neuber aus Duisburg-Reinhausen und sein Schutzpatron Johannes Rau aus Wuppertal-Katernberg. Neuber widerlegt damit zugleich eine Kernthese des Autors und beweist, dass Korrumpieren bisweilen die durchaus bessere Alternative sein kann - bei ausreichend Kapital.

Böger hatte ausgerechnet Johannes Rau gebeten, ein Vorwort für sein Buch zu schreiben. Jenen „Bruder Johannes“, der aller Welt als ein Mensch gilt, der er niemals war - christlich und ehrlich. „Dessen Dickköpfigkeit von Mitmenschen stets als Moral gedeutet wird“ (s. Hans-Georg Wenke in „Bergische Persönlichkeiten“). Helmut Böger konnte damals sicher noch nicht einmal in seinen schlimmsten Alpträumen ahnen, wen er mit diesem Grusel-Schüttelfrost-Realsatire-Vorwort
beauftragt hatte. Man kannte sich halt. Wie man sich halt so kennt....
Vorwort-Schreiber Johannes Rau ist da schon sehr viel weiter, wenn er sagt: „Manchem Leser dieser satirischen und fantastischen Geschichten von Helmut Böger wird ein mildes, mittelstarkes Gruseln oder auch ein kleiner Anfall von Schüttelfrost nicht erspart bleiben. Es begegnet uns der arme verwaltete Mensch, mag er fliegen oder träumen......“.
Und später: „Mir scheint, es ginge ihm nicht um grobschlächtige Denunziation, sondern vielmehr um die Erklärung jener untergründig und hintergründig wirkenden Gewalt in unserem Dasein, die wir uns geschaffen haben, die uns leiden macht und die viele Gesichter hat. Auch in der durch Ironie und Fantastik verfremdeten Erscheinung erkennen wir sie wieder, diese nirgends verbotene Gewalt - als Bürokratie, als Wissenschaftshörigkeit, als Klüngel, Statusdenken, Arroganz, Hochmut, Leistungswahn, Herrschsucht und so weiter.... Vielleicht ergeht es manchem Leser so wie mir: Ein drohender Zeigefinger des Autors und ein Enthüllungsfanatismus ist in diesem Buch nicht zu entdecken, aber eine große Ähnlichkeit mit unserer Wirklichkeit“.

Dies schrieb Johannes Rau im Jahre 1982. Da kannte er bereits fast alles - aus gelebter Erfahrung. Rau tat viele Dinge, die verboten sind. Dinge man einem normalen Staatsbürger nie durchgehen ließe. Denn, so Wolf Biermann: „Keiner tut gern tun, was er tun darf - was verboten ist, das macht uns gerade scharf“. Das bewusste Übertreten unserer Gesetze. Finaler Kick der bundesdeutschen „Elite“, die alles hat, alles bestimmt und alles kontrolliert - sogar „ihre“ weisungsgebundenen Staatsanwälte. Den „drohenden Zeigefinger“ musste Top-Politiker Rau nie fürchten.

Das Vorwort Johannes Raus macht das Buch nach mehr als 20 Jahren zu einem Spiegel unserer Gesellschaft. Rau damals noch Präsident in spe und noch nicht unterwegs auf den kriminellen Schwingen des West LB-Jets. Sein Motto aber damals schon: Der Geld-Schein heiligt die Mittel. Vom süßen Apfel dieser Erkenntnis hatte er bei Intim-Freund Neuber bereits in großen Bissen genossen. Diese Erkenntnis scheint indes durch das Vorwort des Schein-heiligen Mannes nicht im
Entferntesten durch. Er entdeckte bei Böger „große Ähnlichkeit mit unserer Wirklichkeit“. Rau persönlich machte zur Realität, was bei Böger nur Satire war.

www.hans-joachim-selenz.de

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