Jakob Augstein: Vox populi, vox Rindvieh!

Ist Demokratie Mist, wenn die Ergebnisse nicht stimmen? Jakob Augstein sieht das wohl so und liegt damit nur knapp daneben.

Veröffentlicht:
von

Schon interessant, wie sich Demokraten von demokratischen Prozessen abwenden, wenn ihnen die demokratischen Ergebnisse nicht passen. Gerade erst hat Salonsozialist Jakob Augstein den Hut in den Ring geworfen mit wahrhaft entlarvenden Äußerungen wie diesen:

Aus gutem Grund gibt es Parlamente. Sie schützen die Demokratie vor dem Volk und das Volk vor sich selbst. Denn beim Volk, das ist eine paradoxe Wahrheit, ist die Demokratie nicht gut aufgehoben. Volkes Stimme und Fortschritt – das geht nicht gut zusammen. Die Schweizer wollten keine Minarette, die Hamburger keine Gemeinschaftsschulen und die Niederländer jetzt keinen Vertrag mit der Ukraine. Vernünftig war das alles nicht – und fortschrittlich erst recht nicht.

Nun kann man sich in der Tat fragen, ob denn die „Vox populi“, wie es mein alter Lateinlehrer zu sagen pflegte, vielleicht doch die „vox Rindvieh“ sein könnte: Freiheitlich ist ein Verbot von Minaretten jedenfalls nicht, Gemeinschaftsschulen sind dagegen sowieso ein Produkt der Sozialingenieursphantasie; bei der Entscheidung der Niederländer haben ganz offensichtlich andere Kriterien eine Rolle gespielt als die EU-Vertragsgestaltung mit der Ukraine. Nur: Ist das wirklich neu?

Seit Jahrzehnten werden die Parteien gewählt, die soziale Wohltaten versprechen. Budgetkürzungen, wie sie eine Bundesregierung zur Reduktion der Staatsquote sinnvollerweise vornehmen müsste, sind dagegen Wahlkampfgift – und Wahlkampf ist irgendwie immer. Das wird auch so bleiben, solange entweder die Nettoprofiteuere des ineffizienten Umverteilungsstaates in der Mehrheit sind oder den anderen erfolgreich vorgegaukelt wird, marginale Steuererleichterungen oder Zuschüsse zum Eigenheim seien tatsächlich ein Geschenk des Staates.

Demokratische Verfahren, unabhängig davon ob direkt oder parlamentarisch, basieren eben auf einem Mehrheitsprinzip. Selbst wenn man mal davon absieht, ob es sich bei den darauf fußenden Entscheidungen um moralisch Fragwürdiges handelt, bleibt immer die Frage der sachlichen Richtigkeit einer Entscheidung. Oder, wie Jakob Augstein es sieht, ob eine Entscheidung vernünftig wäre (von seiner offensichtlichen Steigerung der Vernunft in Richtung Fortschritt gar nicht zu reden). Ist es vernünftig, Minarette zu verbieten? Ich bin ein Gegner eines solchen rigorosen Verbots, gebe aber zu, dass ich die Argumente der Minarettgegner durchaus verstehe – denen die Vernunft abzusprechen fiele mir schwer, wenn mir auch meine Position „vernünftiger“ (interessant, dass es dazu einen Komparativ gibt) erscheint. Gemeinschaftsschulen halte ich nicht für eine vernünftige Idee, die Befürworter – wie Augstein – dagegen schon; und auch wenn ich von der Vernunft Augsteins nicht viel halte, gibt es durchaus auch vernünftige Argumente dafür.

Und dann die Entscheidung gegen den EU-Vertrag mit der Ukraine: Kann ein normaler Bürger, der einer regelmäßigen Arbeit nachgeht und durchschnittlich gebildet ist, ein solches Vertragswerk eigentlich verstehen und darüber sinnvoll entscheiden? Das lädt einerseits zu Störthemen ein, mit denen man in den Niederlanden gegen einen solchen Vertrag angegangen ist: Eine Klatsche für die Regierung und die EU, unabhängig davon, ob die Vertragsinhalte sinnvoll, vernünftig und für den einzelnen Wahlberechtigten sogar positiv sein könnten. Andererseits stellt sich die Frage: Kann denn ein durchschnittlich begabter Parlamentarier – ebenfalls nicht mit allzuviel Zeit gesegnet, mit all den anderen Themen, um die er sich noch zu kümmern hat – eine solche Entscheidung treffen? Und selbst wenn er gut beraten wird, sind dann die Berater frei von allen Nebeneffekten, neutral und vernünftig, ohne Parteiraison und taktisches Kalkül? Anders gefragt: Werden derartige Entscheidungen besser, weil sie parlamentarisch statt (!) demokratisch gefällt werden? Zweifel sind angebracht.

Problematisch an solchen demokratischen Entscheidungen ist darüber hinaus, dass es die Beteiligten an eine Entscheidung bindet, ob sie es wollen oder nicht. Der normale Bundesbürger wird nicht gefragt, ob er sich zu einer bestimmten Frage einem demokratischen Votum oder einer Parlamentsentscheidung unterwerfen will – wenn es sich nicht um krasse Verfassungsbrüche handelt (was durchaus ab und zu im Raum steht, daher auch die vielen beim Verfassungsgericht anhängigen Verfahren) muss er. Das greift in jedem Fall in die Freiheit ein. Wenn also ein wohlhabender oder gut verdienender Bürger meint, Steuererhöhungen belasteten ihn nicht nur persönlich sondern seien auch noch volkswirtschaftlich schädlich: Es nutzt ihm nichts, er muss den volkwirtschaftlichen Schaden mittragen und anschließend auch mitfinanzieren. Da wären wir wieder bei der Frage, ob bestimmte gesetzgeberische Maßnahmen sinnvoll sind, ob sich jemand, der gegen Steuererhöhungen opponiert sich nur aus der Verantwortung stehlen will oder gute Argumente hat.

Am Ende bleibt aber ein Fazit, dass die meisten so gar nicht im Blick haben: Demokratie und Freiheit bedingen sich nicht, sind auch nicht komplementär – im Gegenteil stehen sie in einem Spannungsverhältnis zueinander! Wenn sich also Jakob Augstein gegen die Demokratie ausspricht – und er kann noch so sehr versuchen, das zu ummänteln: seine Aussagen bleiben gegen die Demokratie gerichtet – dann liegt er damit gar nicht so sehr falsch. Seine Schlussfolgerungen sind es, weil er offenbar eine sozialistisch gestrickte Parteien- und Gremienautokratie vor Augen hat, deren Mitglieder darüber entscheiden, was für die Menschen gut ist und sie vor sich selbst schützen sollen. Er richtet sich gegen die Demokratie, weil ihm die Ergebnisse nicht gefallen. Richtig wäre dagegen, sich nicht gegen die Demokratie zu wenden sondern sich für die Freiheit einzusetzen. Diese Freiheit einzuschränken – und sei es auf demokratisch legitimiertem Wege – bedarf schon einer besonderen Berechtigung, die man sicher nicht für jede parlamentarische oder direkt-demokratische Entscheidung unterstellen kann.

Und was ist die Alternative zur Demokratie? Sicher keine wie auch immer geartete Diktatur oder Autokratie. Sie sind so wenig eine Alternative wie ein parlamentarischer Zentralismus. Eine reine auf einstimmige Vereinbarungen basierende Gesellschaftsordnung erscheint dagegen auch nicht praktikabel, jedenfalls nicht in angemessener Zeit umsetzbar, geschweige denn, dass man dafür Mehrheiten (!) gewinnen könnte. Was es braucht ist eher eine Mischform, die ich in der Subsidiarität sehen würde – und in dem Rückzug des Staates aus allen Themen, die ihn nichts angehen: Wer beobachtet, dass ein gewissser Heiko Maas sich anschickt, sexuell anzügliche Werbung verbieten zu lassen (nebenbei demokratisch durchaus legitimiert, soviel dazu), weiß, was ich meine. Im Hinterkopf muss man bei der Festlegung, welche Entscheidung zentralisiert oder überhaupt von einem wie auch immer gewählten Gremium getroffen werden sollte, aber immer behalten: Mit einer solchen Entscheidung beschneidet man die Freiheit der Menschen in einer Nation, einem Bundesland oder einer Kommune. Wer konsequent auf Freiheit und Freiheitlichkeit setzt, wird der (insbesondere parlamentarischen) Demokratie – trotz des geflügelten Wortes der „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ – zwar nicht zwingend ablehnend, aber immer skeptisch gegenüberstehen.

Beitrag zuerst erschienen auf papsttreuerblog.de

Für die Inhalte der Blogs und Kolumnen sind die jeweiligen Blogger verantwortlich. Die Beiträge der Blogger und Gastautoren geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder des Herausgebers wieder.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Gravatar: Wieland der Schmied

Ist doch gut, wenn er selbst die Maske abnimmt, da weiß man, woran man ist. Er macht das nicht aus Dumdidelei, er steuert um auf eine neue Strategie. Die Situation: Einst sichere Wahlen zeigen andere Verläufe, das Pack gewinnt Positionen und beeinflusst große Menschenmengen, die Altparteien schmieren ab, die Kanzlerinbewertung ist in freien Fall. Vermutlich will man so vorgehen, dass das Volk vor sich selbst, will heißen dem Volkspack, geschützt wird . Das geht mit Diffamierung oder Gewalt. Hat nicht „Flintenuschi“ schon mehrfach über den BW-Einsatz im Inland schwadroniert, wozu wohl. Ich traue diesem Regime zum Erhalt seiner Pfründe alles zu.

Gravatar: Aventinus

Augstein versteht unter Demokratie, was man in den kommunistischen Länder des Ostblocks unter Demokratie verstand. Walter Ulbricht hat das 1945 schön auf den Punkt gebracht: "Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben."

Gravatar: FDominicus

Das Gegengift hat einen einfachen Namen: Liberalismus.

Das es massive bekämpft wird beweist nur, wie bedrohlich es wirklich ist liberal zu sein.

Gravatar: Marlies Wildberg

Augstein ist für mich ein Diktator und Menschenfeind der übelsten Sorte!

Gravatar: Hans Georg

Augsteins Aeusserungen halte ich fuer Verfassungsfeindlich. Er will in eine Diktatur. Diktatur der Links-Gruenen, die bestimmen sollen, wie man sich zu fuehlen und was man zu wissen hat.
Mich ekelt das Alles nur noch an.

Gravatar: Sepp Kneip

Jakob Augstein, na ja, der prügelt auf alles, was nicht seinen sozialistischen Vorstellungen entspricht. Hat sich in den letzten Jahren nicht herausgestellt, dass, wenn das Volk zu essentiellen Vorhaben gefragt worden wäre, vieles anders, besser gelaufen wäre. Angefangen bei der Euro-Einführung, der Euro-"Rettung", der Griechenland-"Rettung", der Energiewende und dem Flüchtlingschaos. Nicht nur das Volk wurde einfach übergangen. Sogar das Parlament wurde vielfach zum Abnicken verdonnert oder aber ganz übergangen. Die Merkel'sche Demokratur ist geradezu unerträglich geworden. Das merkt das "Volk" und verlangt mit Recht mehr Mitbestimmung oder zumindest mehr Transparenz bei den politischen Entscheidungen.

Da es bei dem politischen Einheitsbrei in Deutschland keine Opposition mehr gibt, schaffen sich die Wähler eine Alternative. Natürlich machen die Wähler das, weil sie in den Augen von Augstein eine dumme Masse sind, die nicht weiß, was sie macht. Aber hallo, Herr Augstein. Eine so große Anzahl von Menschen, die AfD wählen, wird man nicht als politikunfähig abqualifizieren können. Das sind sehr wohl Leute, die wissen was sie tun und warum sie das tun. Also Herr Augstein, halten Sie die Leute nicht für dumm. Sie sind es nicht.

Gravatar: Diederich Heßling

@Coyote38

"Ist Augstein denn noch ungebildeter, als ich ihn eingeschätzt habe?"

Vielen Dank für den obigen Link!

Es wäre wert, wenn alle Leser dieses Artikels diesen Link lesen und ggf. auch weiterverbreiten würden.

Dann würden Demagogen wie Augstein vielleicht endlich demaskiert!

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang