In Erziehungsdiktaturen gedeihen keine Nobelpreisträger

Die EU hat dem Genuss den Kampf angesagt.

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Tabakhändler protestieren bereits gegen die Regulierungswut der Brüsseler Krake. Sie lehnen Einheitspackungen und drastische Schockbilder ab. Auch „Sultan“ Erdogan möchte seine Staatsbürger erziehen. Wer hin und wieder mal ein Gläschen Wein trinkt, gilt in seinen Augen bereits als Alkoholiker.

„Wehret den Anfängen“ kann mit Blick auf die Erziehungsdiktaturen verschiedener Couleur nur postuliert werden. Denn wer Genuss verbieten will – mag er auch gesundheitsschädlich sein – verletzt die Freiheitsrechte der Bürger. Wer heute Alkohol und Tabak am liebsten verbieten würde, wird morgen den Menschen das Essen fetter Speisen und vielleicht sogar das eigenständige Denken verbieten wollen.

Dieser Tage bin ich auf ein Gegengift gestoßen, welches man der Horde der Weltverbesserer und Tugendwächter als Lektüre neben das Bierglas – hoffentlich nicht alkoholfrei! - legen sollte. Ohne Alkohol, ja Alkoholismus hätte es wesentlich weniger amerikanische Nobelpreisträger für Literatur gegeben. Denn von den ersten sechs dieser Art waren sicher vier, wahrscheinlich sogar fünf Alkoholiker: Eugene O’Neill, John Steinbeck, Sinclair Lewis und Ernest Hemingway.

„Dem Alkohol müsste man Tantiemen zahlen“, befindet Wilfried Schoeller in seinem Artikel „Das letzte Glas“ (du, 12 / 1994). Und Alfred Kazin schreibt: „Schnaps hat in den Lebensläufen der modernen amerikanischen Autoren eine mindestens so zentrale Rolle gespielt wie Begabung, Geld oder Frauen.“

Es gibt natürlich auch Gegenbeispiele. Der belgische Romancier und Maigret-Schöpfer Georges Simenon hat irgendwann erkannt, dass ihn der Alkoholismus zerstören würde. Er stellte fest, dass er ihn gar nicht zum Schreiben brauchte. In seinen reiferen Jahren lebte er abstinent. Doch sein Werk litt darunter weder quantitativ noch qualitativ. Allerdings hatte er beständig eine Tabakspfeife im Mund, genauso wie Kommissar Maigret. Ob das den Brüsseler Gesundheitswächtern in den Kram passt?

Warum Genies oft nicht gerade gesund leben, belegt der Psychiater Goodwin mit folgendem Satz: „Alkohol befreit den Schriftsteller wenigstens zeitweise von der Tyrannei seiner Gedanken und seines Gedächtnisses.“ Schnaps, Bier und Wein wirken also entlastend, auch wenn sie die Leberwerte trüben. Doch wer interessiert sich schon für gesunde Genies, die nur stilles Wasser trinken?

Donald W. Goodwin:  www.amazon.de/Alkohol-suhrkamp-taschenbuch-Donald-Goodwin/dp/3518395831.

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Genuss hat sich evolutionär entwickelt, ist also grundsätzlich nicht zu stoppen. Sex. d.h. auch Genuss ist die Triebfeder der Evolution. Nur, so lange dem Staat viel Geld fehlt, sollte man Alkohol höher besteuern. Bier ist entschieden viel zu billig. Schauen Sie mal, was eine Flasche Bier bei Hard-Diskounter nur noch kostet. Also, Steuern rauf auf Bier und Schnaps.

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