In der Luft zerrissen

In Deutschland stehen Menschen mit hohem Status unter besonderer Beobachtung. Aus einem Skandal wird so schnell ein Flächenbrand.

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Skandal, Skandal! Die Finanzierung des Privathauses von Bundespräsident Christian Wulff und dessen Rücktritt im Februar 2012. Die Millionenabfindung des Schweizer Managers Daniel Vasella; dann der Rückzug im Februar 2013. Der Bau des Bischofshauses von Bischof Tebartz-van Elst auf dem Limburger Domberg. Heute um die Mittagszeit das klärende Gespräch mit Papst Franziskus in Rom.

Irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem das Fass überläuft und die mediale und öffentliche Kritik an dem Auftreten, dem Krisenmanagement und dem Gebaren sogenannter öffentlicher Personen erst in eine Krise der von diesen repräsentierten Institution einmünden und dann auch zu einer Systemkrise eskalieren kann. Die einzelnen Fälle mögen sehr verschieden, richtig und falsch kaum einzuordnen und Recht und Unrecht ganz unterschiedlich zu beurteilen sein. Aber sie verlaufen nach einem identischen Muster.

Bei Luxus hört der Spaß auf

Personen, die in ein hohes Amt mit großem Ansehen gewählt oder berufen oder denen eine herausgehobene Funktion mit Macht und Einfluss anvertraut werden, stehen unter permanenter Beobachtung. Ihre Entscheidungen sind relevant und ihr Auftritt setzt Maßstäbe. Erwartet wird ein vorbildliches Verhalten, das der Amts- und Machtausübung mitunter auch eine würdevolle Aura von geradezu höheren Weihen verleiht. Dabei erhofft sich auch eine pluralistische und demokratisch verfasste Gesellschaft eine heldenhafte und von rundum erfolgreichem Tun gekrönte Amtsführung.

Gern bedienen die Medien diese Erwartung und eifrig weben sie an der Image- und Legendenbildung mit. Zuweilen geht es gut aus, wie bei der Symbolfigur des guten Bankers, Alfred Herrhausen, der als „Herr des Geldes“ („Spiegel“) zur Ikone stilisiert und dem auch posthum die Verkörperung „anderer Werte als Geld und Karriere“ (Wikipedia) bescheinigt werden. Auch Franz Beckenbauer schwebt als Fußball-Kaiser so hoch über allen Niederungen, dass seinem Ansehen weder Steuer- noch sonstige Affären etwas anhaben können. Mitunter macht Erfolg untouchable und nahezu unverwundbar.

Die Heldenverehrung findet aber ein jähes Ende, wenn eine Galionsfigur als Amtsinhaber oder Funktionsträger in den Geruch des Strebens nach als unbillig empfundenen persönlichen Vorteilen gerät. Wenn es vordergründig um Geld oder scheinbar unangemessenen Luxus geht, hört der Spaß auf. Aus hoher moralischer Fallhöhe beeilen sich dann auch die Medien, den Emporgehobenen und Gefeierten von der Zinne zu stürzen oder mit dem Fahrstuhl in der unterirdischen Versenkung und höllischen Verdammnis verschwinden zu lassen. Je mehr moralische Empörung im Spiel ist, desto intensiver die mediale Verfolgungsjagd, die Deutschlands profiliertester investigativer Journalist, Hans Leyendecker, als „Rattenrennen“ bezeichnet.

Wenn die auch in ihrer Selbstkritik sich als „Meute“ bezeichnende Journaille Beute riecht und sie erlegen will, dann gibt es kein Halten mehr. Vor- und Endurteil, bloßer Verdacht und festgestellte Tatsachen bis hin zu Vermutungen über psychische und gesundheitliche Zustände werden in großen Lettern gedruckt, im „Brennpunkt“-Format (ARD) gesendet und als suggerierte Fakten kaum mehr mit einem Fragezeichen versehen. Dabei ist der Kampagnenjournalismus längst keine Domäne des „Spiegel“ mehr.

Wie im Fall Wulff lässt sich auch bei Bischof Tebartz-van Elst ein Zusammenspiel verschiedener Medien beobachten; vorneweg die „Bild“-Zeitung, wie getrieben von der altehrwürdigen „Frankfurter Allgemeine“ und süffisant kommentiert vom „Handelsblatt“, einer offenbar an Ethik-Börsen notierten Fachpublikation für moralisch einwandfreies Handeln vor allem auch im kirchlichen Raum.

Rasch wird die nächste Stufe der Eskalation erreicht. Jetzt steht in der aufgeregten Debatte nicht mehr allein der Einzelfall, sondern das gesamte System im Brennpunkt. Bei Wulff war dies der lebenslange „Ehrensold“ für Bundespräsidenten, bei Bischof Tebartz-van Elst geht es um den verborgenen Reichtum der Kirchen und die Intransparenz kirchlichen Finanzgebarens. Auch dazu finden sich wie Trittbrettfahrer einer Vertrauens- und Glaubwürdigkeitskrise unverzüglich Kläger und Ankläger, von vielleicht auch persönlich zu kurz Gekommenen bis hin zu professionellen Systemkritikern aller Couleur, die endlich öffentliches Gehör und mediales Oberwasser bekommen.

Ein Opfer muss her

Für eine Deeskalation oder gar eine Beruhigung, um in einem geordneten Verfahren oder gar einem fairen Prozess die Fakten zu sichten und zu sortieren, ist in diesem Stadium kein Raum und keine Zeit mehr. Ein veritables Opfer muss her, das wie bereits in alten Zeiten als Sündenbock in die Wüste geschickt werden kann.

Keine Frage: Zumeist haben die im Fokus Stehenden durch ihr Verhalten viel dazu getan und mit ungeschickten Rechtfertigungen weiter dazu beigetragen, sich als Jagdtrophäen anzubieten. Nur durch Heldenfledderung und öffentliche Verdammung, der häufig auch eine Selbstdemontage vorangeht, scheint die Lage wieder beherrschbar und das Vertrauen in beschädigte Institutionen wieder herstellbar zu sein.

Doch nach Vasella und Wulff scheint es nun bei Bischof Tebartz-van Elst ein unvermutetes Innehalten zu geben. Die explodierenden Kosten beim Bau des Bischofshauses und die ungeschickte Kommunikation des Bischofs bleiben in der Kritik; doch die Medien beginnen, den eigenen Umgang mit der Person des Bischofs zu reflektieren. Die Hatz gerät ins Stocken und manchem stockt auch der heiße Atem. Auf den am Boden Liegenden tritt man nicht. Jedenfalls immer weniger.

Er hat seine Zuflucht zu einer neuen medialen Lichtgestalt genommen, die wie ein Leuchtturm die aufgewühlte Schlacht überstrahlt. Papst Franziskus soll nun nicht nur die vatikanische Kurie reformieren und die Kirchenfinanzen sanieren, sondern auch noch neben einer globalen christlichen Erneuerung in der Causa Limburg ein salomonisches Urteil fällen. Der Mann muss Riesenkräfte haben oder tatsächlich mit Gott im Bunde stehen. Letztes wäre ihm zu wünschen.

 

Beitrag zuerst erschienen auf www.theeuropean.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Olli Schaefer

"Warum kommt erst jetzt dieser Aufschrei wo das Gebäude fertig dasteht?"
Tebartz-van Elst ist ja nicht erst seit gestern in der Kritik. Bereits 2009 gab es den ersten "Aufstand" Limburger Priester gegen ihn und seine Amtsführung. Die immensen Baukosten sind da nur das Ende einer seit Jahren schwelenden Krise.
Neu ist also lediglich das durch die Eskalation der Krise aufgeflammte Medieninteresse.

"Wie lange ist dieser Bischof schon in Limburg? Konnte er in dieser Zeit so viel Geld häufen?"
Das ist jetzt eine etwas naive Frage, meinen Sie nicht? Das Geld des Bistums hängt doch nicht von der Anwesenheitsdauer des jeweiligen Bischofs ab. Und wer dafür aufkommt, das Bistum, die katholische Kirche Deutschland oder der Vatikan, steht doch dabei auch gar nicht zur Debatte. Bedauerlich ist dabei höchstens, dass vermutlich auf irgendwelchen verschlungenen Steuerpfaden auch diejenigen das Gebäude mitfinanzieren, die sich durch Kirchenaustritt eigentlich schon längst der Kirchensteuerzahlung entzogen haben.

Was Ihre "Blaues oder braunes Auto"-Geschichte mit dem kommentierten Artikel zu tun hat, erschließt sich mir nicht, allerdings glaube ich Ihnen nach dem Lesen Ihres Kommentars gern, dass Ihr Kopf leer war.
Hoffen wir für den Bischof, dass Ihnen die passenden Gebete für ihn nicht entfallen sind.

Und was die im Artikel getätigte Aussage betrifft, "doch die Medien beginnen, den eigenen Umgang mit der Person des Bischofs zu reflektieren", so kann ich solche Tendenzen nicht erkennen. Das Thema ist mangels Informationsnachschub vielleicht etwas abgeflaut, da sich TvE nach Rom verdünnisiert hat und von dort noch nichts Substantielles nach außen gedrungen ist. Von einer "Reflektion der Medien" kann zumindest in den von mir goutierten Publikationen keine Rede sein, allerdings sehe ich dazu auch tatsächlich keinerlei Anlaß.

Gravatar: weber rita

Dankbar bin ich, endlich schreibt jemand über diese ueberhöhte Kritik. Schon lange denke ich,
Ist dieser von allen Seiten verhetzte Bischof alleine schuldig oder überhaupt schuldig?
Wo sind die anderen Schuldigen. Warum kommt erst jetzt dieser Aufschrei wo das Gebäude fertig dasteht? Wie lange ist dieser Bischof schon in Limburg? Konnte er in dieser Zeit so viel Geld häufen?
Vor Gericht drehen sogenannte Richter manchmal unsere unklaren, unsicheren Antworten
manchmal herum. Wegen einer kleinen Verkehrsübertretung wurde ich auch einmal als Lügnerin von einem Richter benannt. Er sprach so dauernd auf mich auf mich ein, dass ich nicht mehr wusste wo vorn und hinten ist. Ich sagte nur, ich weiss es nicht mehr und schon war es eine Lüge laut ihm obwohl mein Kopf leer war.
Dazu behauptete er, der Gegenzeuge habe ein Blaues Auto gefahren, obwohl der Gegenzeuge sagte nein ein braunes Auto!!!
Ich bete für diesen armen Bischof und beste Grüsse von Rita Weber Schweiz

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