Imagine

Man kann über die Weltethos-Anwandlungen eines abgehalfterten spanischen Regierungschefs einfach hinweggehen; die dahinterstehende Überzeugung ist aber eine, die weit verbreitet ist. Es geht um Glaube und Wahrheit.

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Da hat der frühere (nebenbei sozialistische) spanische Ministerpräsident Zapatero eine ganz tolle Idee gehabt. Wie wäre es denn, wenn sich alle einfach lieb hätten, man sich gegenseitig tolerieren und akzeptieren würde und jeder einfach eingestünde, dass die „Wahrheit“ des anderen genau so wahr sein kann wie meine? Imagine … Natürlich hat er seine Aufforderung an die Religionen zur Schaffung einer „globalen religiösen Autorität“ ein bisschen politischer verpackt, aber am Ende ist es das was er meint, wenn sagt, dass die einzige Wahrheit „die Freiheit, der Respekt gegenüber allen Konfessionen“ sei.

Nun kann man über solche Weltethos-Anwandlungen eines abgehalfterten spanischen Regierungschefs, an denen sich ein bekannter Schweizer Theologe schon seit Jahrzehnten verschluckt, einfach hinweggehen; die dahinterstehende Überzeugung ist aber eine, die weit verbreitet ist. Zufälligerweise bin ich kürzlich mit einem Kollegen hierüber ins Gespräch gekommen, über das Thema „Glauben und Wahrheit“. Ein Gespräch beim Frühstück ist in aller Regel keine tiefe philosophische Betrachtung, aber meine Überzeugung, dass es eine Wahrheit gibt, und dass wir – jeder Mensch – in der Lage sind, sie zu erkennen, Gott uns auf diese Wahrheit aufmerksam macht, ist alles andere als eine konsensfähige Einschätzung.

Und dabei geht es nicht um einen Relativismus, der einfach alles anerkennt um jedem Konflikt aus dem Weg zu gehen, und letztlich in Beliebigkeit stecken bleibt, kein einfaches „Du bist okay, ich bin okay“. Denn die Einschätzung, die man ja haben kann, die sich im Vorschlag Zapateros und auch in der Diskussion mit meinem Kollegen niederschlägt lautet: Es gibt eine Wahrheit, aber ob man sie erkennen kann, bleibt ungewiss – und damit ist auch ungewiss, ob die von mir als solche anerkannte Wahrheit wirklich die Wahrheit ist.

Wenn ich also als Katholik – um keines der gängigen Beispiele sondern ein theologisch-essentielles zu nehmen – von der realen Präsenz Jesu in der Eucharistie überzeugt bin, dann glaube ich, dass das die Wahrheit ist, kann aber nicht ernsthaft von einem Protestanten, einem Moslem oder Juden, erst Recht nicht von einem Atheisten verlangen, dass er diese Wahrheit anzuerkennen habe. Ich muss deshalb meinen Glauben nicht aufgeben: Ich weiß, bin – wie ich gerne formuliere – glaubend gewiss, dass dieses Stück Brot auf dem Altar Jesus selbst ist. Aber ich muss auch anerkennen, dass jemand anderes weiß, dass er es nicht ist!

Wollen wir mal zu seinen Gunsten annehmen, dass es Herrn Zapatero tatsächlich um den Frieden geht, dann sind seine Gedankengänge so abwegig nicht (wenn ich auch seine daraus abgeleitete Forderung nicht teile). Konflikte zwischen Religionen, wenn es denn welche sind und die Religion nicht nur instrumentalisiert wird oder man einen Konflikt den Religionen anhängen will, entstehen aus diesem unterschiedlichen Verständnis von Wahrheit. Ich kann als Christ die Vorstellungen anderer Religionen für völlig abwegig halten, für einen Anhänger dieser Religion ist es aber die Wahrheit – von der auch er überzeugt ist, dass es sie gibt, und dass er sie erkannt hat, während ich in seinen Augen zu den Ahnungslosen gehöre, die missioniert werden müssen. Und er und ich werden verständnislos vor einem Atheisten stehen, der tatsächlich behauptet, dass es diesen Gott, mit dem ich heute morgen noch gesprochen habe, nicht gibt, und der Atheist sieht uns verständnislos über eine Wahrheit in der Welt streiten, den er bestenfalls in das Reich der Esoterik verbannen wird.

Und da es da eben nicht um Geschmacksfragen geht sondern um essentielle Gewissheiten, um die Frage nach dem eigenen Schicksal und dem Schicksal der Welt, besteht die Gefahr, dass derartige Unterschiede in Aggressionen umschlagen, egal ob die eigene Religion derartige Aggressionen eher hemmt oder schürt. Man sehe sich nur Kommentarspalten unter religiöse oder weltanschauliche Beiträge in Online-Magazinen an, in denen man sich beharkt und sich gegenseitig im Besten Fall der Unwissenheit, eher aber der Dummheit oder Schlimmeres bezichtigt. Auf globaler Ebene explodieren bei so etwas Bomben (für die die Religionen sich untereinander und die Atheisten den Gläubigen die Verantwortung zuschieben wollen).

Was bleibt also von der Frage nach der Wahrheit, wenn man die Welt nicht in bewaffneten Konflikten sehen will? Für mich drei Folgerungen: Es gibt die Wahrheit, sie kann erkannt werden und die Feststellung, dass der Andere genau so der Überzeugung ist, dass er die Wahrheit erkannt hat und sein Handeln darum darauf ausrichtet, wie ich das auch tue.

Unbenommen braucht es dazu auch unscharfer Grenzziehungen, eben dann, wenn eine Religion ein Verhalten fördert oder gar fordert, dass objektiv nicht gut sein kann. Wie ich letztens bei einem Libertären gelesen habe: „Wenn du denkst, es wäre in Ordnung, jemanden gewalttätig anzugreifen, weil er andere Überzeugungen hat als du oder er einen anderen Gott anbetet (oder keinen Gott), dann bist du ein unzivilisierter Idiot“ (Larken Rose). Als Christ wird man sich trotz der drastischen Wortwahl darauf einigen können, und es kann eine Einladung an alle Religionen sein, sich daran zu orientieren. Wenn das das Ergebnis sein sollte, kann aus dem Vorschlag Zapateros doch noch etwas Gutes werden!

Zuerst erschienen auf papsttreuer.blog.de

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Gravatar: Marie Luise Schellen

Ich glaube ebenso wie Millionen Katholiken an die Realpräsenz Jesu in jeder Hostie.
Unter Google finden Sie bei "Neues Eucharistisches Wunder in Buenos Aires" bei der Augsburger Zeitung einen Artikel der genau diese Präsenz Jesu dokomntiert.

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