“Ich bin doch nicht blöd”: Bleibt der Euro, dann scheitert Europa!

Er hat gesagt, was viele Millionen denken. Respekt, Wolfgang Schäuble!

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Selten hat sich ein amtierender Spitzenpolitiker so deutlich dem gesunden Menschenverstand verschrieben wie der Bundesfinanzminister in diesen Tagen. Folgerichtig genießt Schäuble derzeit unter den deutschen Politikern das größte Ansehen. Dass jemand, der etwas zu verlieren hat, aus dem politischen Lügengebäude ausbricht, ist selten. Normalerweise trauen sich so etwas nur jene, die sich bereits aus der aktiven Politik verabschiedet haben. Einen “Grexit” für fünf Jahre schlägt Deutschlands oberster Kassenhüter vor, nachdem die griechische Regierung ihren Geldgebern abermals einen wenig ambitionierten Maßnahmenkatalog vorgelegt hat. Viel neues Geld soll nach Athen fließen. Manche sprechen inzwischen von 100 Milliarden Euro, obwohl der griechische Hilfsantrag nur von der Hälfte dieser Summe ausgeht. Doch selbst das ist bereits ein gewaltiger Schluck aus der Pulle, der vor allem auf Kosten der europäischen Steuerzahler geht. Niemand glaubt ernsthaft, dass irgendein Euro, der den Weg nach Athen gefunden hat, je wiederkehrt. Ein mögliches drittes Hilfspaket sorgt daher inzwischen für gewaltiges Grummeln im völlig zerstrittenen Euro-Club.

Und so fühlt sich Frankreichs Staatspräsident Francois Hollande nun berufen, die Zügel an sich zu reißen. Frankreich macht sich vehement dafür stark, immer mehr Geld nach Griechenland umzuverteilen. Die französische Regierung hat den aktuellen Hilfsantrag der Griechen gar mit formuliert. Um dies zu verstehen, muss man wissen, wie stark Hollande unter dem Druck der Hardliner seiner sozialistischen Partei steht. Und natürlich weiß auch er, dass Frankreich bei einer Zuspitzung des Euro-Debakels selbst auf die europäischen Finanzspritzen angewiesen sein könnte. Ebenso wie Italien, von wo aus Regierungschef Renzi lautstark gegen Schäubles Vorschlag wettert. Es sind vor allem die beiden wackelnden Südstaaten, die Athen zur Seite springen. Weniger Portugal und Spanien, was nicht verwundert, gehören diese doch zu den Ländern, die ihre Staatsschuldenkrise zwar mit europäischer Finanzhilfe, aber vor allem mit schmerzhaften Reformen in den Griff bekommen haben. Letzteres ist auch den Ländern in Osteuropa und im Baltikum gelungen, die ebenfalls nicht einsehen, warum mangelnder Wille belohnt werden soll. Zwar haben Griechenlands Bürger bereits einen hohen Preis bezahlt, doch was nutzt dies in einem Land ohne funktionierendes Staatswesen?

Um derlei Fragen geht es aber schon nicht mehr. Längst steht die Zukunft Europas auf dem Spiel, das wieder einmal zum Spielball der Weltmächte geworden ist. Vor allem zum Spielball der Amerikaner, die über den Internationalen Währungsfonds kräftig mitmischen. Das enorme Interesse der USA am Euro-Verbleib der Griechen rührt von der Angst her, man könne seinen strategisch wichtigen Militärstützpunkt im Land verlieren und Griechenland unter russischen Einfluss geraten. Nicht wirtschaftliche oder gesellschaftspolitische Fragen bestimmen das Handeln, sondern knallhartes militärisches Kalkül. Der Euro ist zur Waffe mutiert. Und ganz nebenbei entfaltet er eine Wirkung, die jener der Versailler Verträge von 1919 immer ähnlicher wird. Nicht ohne Grund erhalten quer durch Europa Radikale aller Couleur Auftrieb. Der Euro ist eine der größten politischen Fehlentscheidungen der europäischen Geschichte. Je schneller sich die sogenannte politische Elite das Scheitern ihres Projekts eingesteht, umso besser für die Menschen auf dem Kontinent. Schäuble hat einen wichtigen Anstoß dazu geliefert. Es wird ein langer, dorniger Weg, aber wir werden ihn gehen müssen, um die Errungeschaften der letzten 70 Jahre zu verteidigen. Denn bleibt der Euro, dann scheitert Europa!

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Andreas Schneider

„Es wird heißen, wir finanzieren Faulenzer, die an südlichen Stränden in Cafés sitzen… Die Währungsunion wird am Ende auf ein gigantisches Erpressungsmanöver hinaus laufen… Wenn wir Deutsche Währungsdisziplin einfordern, werden andere Länder für ihre finanziellen Schwierigkeiten eben diese Disziplin und damit uns verantwortlich machen. Überdies werden sie, selbst wenn sie zunächst zugestimmt haben, uns als eine Art Wirtschaftspolizisten empfinden. Wir riskieren auf diese Weise, wieder das bestgehasste Volk Europas zu werden.“

Prof. Arnulf Baring (1997 in seinem Buch „Scheitert Deutschland?“)

Gravatar: Emannzer

Ich bin auch nicht blöd!

Schäuble war und ist ein großer Europa-Verfechter. Und sukzessive dringt durch, dass es ein "Good Guy" (Merkel) und "Bad Guy" (Schäuble) Spiel war, dass das Spiel Angsthase durchzog und den Steuerzahlern wieder etliche Milliarden an Bürgschaften aufs Kreuz drückte.

Das war von Anfang an abzusehen, wie es final ausgehen wird und genau so ist es am Ende auch gekommen.

Es ist wie beim Feminismus - man geht stur in die gleiche Richtung weiter. Falls es jemanden interessiert: Ich hatte mir am Wochenende Gedanken dazu gemacht:

https://emannzer.wordpress.com/2015/07/12/euro-feminismus-fehlkonstruktionen/

Und wer weiß, wie es geendet hätte, wäre Varoufakis an diesem 'Spiel' zulasten der Bevölkerung teilgenommen.

Europa ist ein einziger Scherbenhaufen
- 'dank' des Euros, nicht trotz dessen.

Zahlen tut die Bevölkerung.

Gravatar: Gerd Müller

Wenn man oberflächlich liest, könnte man es so sehen, wie im Artikel beschrieben, nur ....
diesen Leuten darf man kein Wort glauben !

Schäuble betreibt weiter nichts als Vorbeugungsmaßnahmen für den Fall des Zusammenbruches des EU-Kartenhauses. oder der Rechenschaftslegung gegenüber einer neuen deutschen Regierung, mit der Aussicht auf schwedische Gardinen !.

Er hat alles so geplant, daß er dann von sich sagen kann, er hätte rechtzeitig gewarnt und habe doch immer schon versucht alles ins richtige Fahrwasser zu bringen.
Ja sogar das Steuergeld wolle er von Brüssel zurück haben.

Augenscheinlich wird wie er wirklich denkt, durch die aktuelle weitere Geldverbrennung in Griechenland.
Wo blieb denn da sein „Nein“ zur Vernichtung von weiteren 20 deutschen Steuermilliarden ?????
Warum schmeißt er der Merkel nicht seinen Posten vor die Füße, wenn er sooo dagegen ist, was diese Kanzlerin alles so verzapft ?????

Gravatar: Ben Goldberg

So schnell wird man also wieder zum Helden.
Herr Schäuble hat jahrelang alle Warner verteufelt, und sie öffentlich unter der Gürtellinie defamiert. Jetzt muss er einsehen, dass diese Leute natürlich Recht hatten. Das ist keine Leistung. Höchstens eine Bestätigung für einen noch halbwegs funktionierenden Verstand.

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