Hübsch hässlich

In einem Interview für die Süddeutsche Zeitung machte der Europaabgeordnete der Grünen Sven Giegold einst keinen Hehl aus seiner Hassliebe zum Kapitalismus. Er mag ihn nicht, aber etwas besseres fällt ihm dazu nicht ein.

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Der naive Glaube in die sozialistische Selbstorganisation der Gesellschaft aus Studententagen hat dem Gottvertrauen in die Regelgerechtigkeit der Demokratie unter Führung omnipotenter Politiker und Experten Platz gemacht. Seine Hoffnung ist, dass man Mehrheiten für Regeln bekommt, die des Einzelnen Leben “gestalten”. Furcht vor der Diktatur der Mehrheit kommt bei ihm nicht auf, nein, man könne schlichtweg “nicht darauf warten, bis auch der letzte Ignorant freiwillig zu umweltfreundlichen Produkten greift.”

Die Liberalen der FDP hält er indes für Fortschrittsbremsen, weil aus dieser Richtung Bedenken hinsichtlich einer überhasteten Energiewende geäußert werden. Man könne es sich “nicht mehr leisten, nur die hübschesten aller Lösungen herauszupicken”, ist sein Credo. Das aus dem Munde eines führenden Politikers der Grünen zu hören, ist angesichts des Luxusklimaschutzes, den man sich in dieser Partei ausmalt, dann doch ein etwas schräger Vorwurf. Es sind doch vor allem grün denkende Politiker und Interessenvertreter, die nicht müde werden Solaranlagen, Windparks und Rapsfelder für die Biodieselproduktion mit optisch aufgemotzten, in das rechte Licht gerückte Hochglanzabbildungen als besonders schick erscheinen zu lassen. Dass diese Anlagen einen Rattenschwanz an Kosten und oft auch eine Blutspur an Problemen für die Natur hinter sich herziehen, wird dabei beflissentlich unter den Tisch gekehrt. Außen hui, innen pfui, so lässt sich das Erscheinungsbild der grünen Lieblingstechnologien treffend beschreiben. Die innere Schönheit einer besonnenen Umweltpolitik, die Nutzen und Kosten vorsichtig gegeneinander abwägt, einen Blick für gesellschaftliche Prioritäten hat und dem Individuum noch Platz und Mitspracherecht einräumt, sieht er offenbar nicht. Hier lässt sich wohl jemand vom schönen Schein blenden.

Den Fortschrittspessimismus ausgerechnet bei den Liberalen verorten zu wollen, bekommt etwas besonders Putziges, wenn man sich die Position der Grünen zu Fortschrittsthemen jenseits der Energiewirtschaft vergegenwärtigt. Grüne Gentechnik und ihre Vorteile für Verbraucher und Umwelt? Fehlanzeige, hier wird verzweifelt nach jedem Strohalm gesucht, der dieser Entwicklung hässliche Seiten bescheinigt. Auch wenn sich bislang nicht substantielles Einwänden lässt, die Opposition ist Programm. Nanotechnologie und die in ihr steckenden Möglichkeiten für die Medizin- und Umwelttechnik? Da wird ebenfalls abgewunken, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass in Zukunft nichts, aber auch rein gar nichts schief geht. Dieses Grundproblem im menschlichen Fortschrittsstreben wird bei gegenwärtigen Technologien interessanterweise billigend in Kauf genommen wird. Sucht man nicht gerade nach neuen Alternativen, weil die Ergebnisse des Vorhandenen noch unbefriedigend sind? Das Gleiche gilt für die Kernkraft, deren technische Entwicklung trotz aller Kinderkrankheiten eigentlich gerade erst am Anfang steht. Kerntechnische Alternativen zum gegenwärtigen Stand der Technik, ohne die zum Teil von den Grünen mitzuverantwortenden Entsorgungsprobleme (Stichwort Wiederaufarbeitungsverbot); stecken in den Schubladen und Versuchslabors, werden aber von grünen Bedenkenträgern nicht an die frische Luft gelassen. Stattdessen werden sie mit kräftiger Hilfe der Grünen in Deutschland schon vor dem Flügge werden wieder beerdigt.

Wissenschaftlich, technischer und gesellschaftlicher Stillstand, die Rückbesinnung auf das Trugbild einer vermeintlich besseren Welt ohne globale Märkte, Großtechnologien und technischen Fortschritt, den man nicht mehr mit bloßem Auge betrachten kann, war und ist doch die Domäne der Grünen. Das Aufgreifen dieser Urangst vor Neuem, Unbekanntem und Schwerzuverstehendem in der Bevölkerung hat Herrn Giegold und seinen Parteifreunden doch erst den Weg nach Brüssel bereitet. Den Liberalen den schwarzen Peter der Fortschrittsbremser vorzuwerfen kann daher nur gelingen, wenn man sich bei der Fortschrittsdefinition der selben Scheuklappen bedient, wie bei der Instrumentalisierung der Demokratie als ökologische Benimmanstaltung unter der Leitung der grünen Erleuchtung.

 

Beitrag erschien zuerst auf liberalesinstitut.com.

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