Hoffnungslos...?

Die arabische "Revolution" - ein Weg zurück.

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Am 28. Januar habe ich in einem Artikel über die sogenannte Jasminrevolution in Tunesien die Hoffnung geäußert, daß der vorwiegend unselige europäische Kolonialismus insofern doch auch gute Früchte gebracht haben könnte, als die nordafrikanischen Staaten dazu fähig sein sollten, den Islam als politischen Faktor zu reduzieren. Nun muß konstatiert werden, daß in den ersten freien Wahlen die islamistische Ennahdha-Partei mit riesigem Vorsprung gewonnen hat. Die umstrittene Bewegung um Spitzenpolitiker Rachid Ghannouchi bekommt nach dem vorläufigen Endergebnis 90 von 217 Sitzen in der verfassungsgebenden Versammlung. Unter dem im Januar gestürzten Langzeitherrscher Ben Ali galt die Ennahdha (Wiedergeburt) noch als extremistisch und war verboten. Erschrocken hörte ich im Deutschlandfunk, wie ein deutscher "Kenner" Tunesiens sagte, diese Islamisten seien harmlos, sie hätten ähnliche Ansichten wie Erdogans Islamisten in der Türkei. Nun weiß man ja, daß in der Türkei paradiesische demokratische Verhältnisse herrschen, die jeden Tag besser werden.

Am 3. Februar schrieb ich in einer anderen Online-Zeitschrift, daß die ägyptischen Demonstranten von den europäischen Politikern glaubwürdig unterstützt werden sollten. "Natürlich sollten es zuallererst die Araber selbst und nicht irgendwelche Stellvertreter sein, die sich die Freiheit erkämpfen, aber das Gefühl, dass die Demonstranten allein stehen und der Westen nur auf eine Ordnung setzt, die diktatorisch ist, sollte nicht noch länger genährt werden. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Denn die Migrationswellen, die aus dem Chaos resultieren würden, beträfen uns, beträfen Europa." Was ist seitdem in Ägypten geschehen? Nach wie vor herrscht das Militär, und Massaker an Kopten durch die islamische Mehrheit machten traurige Schlagzeilen. Vor dem Ergebnis freier Wahlen kann man nur Sorge haben.

Am 23. März kritisierte ich die Haltung Jürgen Todenhöfers zu Libyen. Er phantasierte von europäischen Truppen gegen Gaddafi unter arabischer Leitung. Ich meinte, daß eine Interventionsmacht legitimer Weise durchaus Einfluß auf die zukünftige Verfassung Libyens haben sollte. Nun haben vor allem Briten und Franzosen den Aufständischen den Weg gebahnt, wobei man mittlerweile weiß, daß Qatar auch Bodentruppen und professionell-militärisches Know-how gestellt hat. Zwar sind die befreiten Libyer (wem?) offiziell dankbar, aber die ersten Erklärungen des Nationalen Übergangsrats machen doch extrem nachdenklich: Der Islam soll die politische Richtschnur werden, die Scharia soll eingeführt werden, Männer sollen wieder vier Frauen heiraten dürfen und so weiter. Der unwürdige Umgang mit der Leiche Gaddafis läßt zusätzlich Skepsis aufkommen, ob hier ein zivilisierter Staat entstehen wird.

Jetzt geht das Jahr langsam dem Ende entgegen. Das Wort Revolution, das früher einen fortschrittlichen Inhalt hatte, meint nur noch irgendeinen Systemwandel. Es sieht nicht danach aus, als ob Arabien vom großen Vorbild, der rückschrittlichen islamischen Revolution Irans, abrücken wird. Erinnern wir uns dann noch an das unterdrückte Ergebnis der freien Wahlen in Algerien 1991, als die Islamisten der "Islamischen Heilsfront" gewannen, so ergibt das ein ziemlich einheitliches und tristes Bild. Es sieht hoffnungslos aus. Die Menschen in diesen Ländern sind offenbar derart konditioniert, daß ihnen ein selbstkritischer Abstand zu den eigenen Traditionen vollkommen fremd ist.

 

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Adorján Kovács

Deutsche Befindlichkeiten. Eine Umkreisung

Artikel und Essays.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Freigeist

Es wird wohl so kommen wie in Osteuropa. Die Speichellecker des Diktators, die kleinen lokalen Diktatoren also, die über Geld verfügen, werden sich wieder einschleichen und die Macht wieder gewinnen. Dazu noch das Gedanken-Gift des Islams. Die neue Mischung wird spannend werden. Der Normalbürger wird jedoch nur langsam an Wohlstand zugewinnen können. Siehe Osteuropa.

Gravatar: Susanne

Hoffnungen meinetwegen, aber keine Illusionen. Träumer wie Käßmann, Westerwelle usw. gibt es genug.

Gravatar: Rudi Gems

Irgendwie, erinnert das fatal, an den Iran, Ende der Siebziger Jahre. Auch dort gab es ein Regime, unter dem Schah, das Geschmacksache war. Nun hat man aber im Iran, Zustände, wo man sich nur noch an den Kopf fassen kann, und so mancher ältere Iraner, sich gerne die Zustände zurückwünschen würde, die damals unter dem Schah geherrscht haben.

Ja, die Gefahr der Religionen, wird überall unterschätzt. Wirkliche Aufklärung, insbesondere Historische, findet bestenfalls, im Internet statt.

Auch in den USA, haben Religionen, wieder eine Macht bekommen, wie sie sich die Gründungsväter, nicht vorstellen konnten. Und hier in der BRD, gibt es von Anfang an, eine Partei, die sich einen religiösen Namen gegeben hat. Die Erkenntnisresistenz, ist zum Verzweifeln. Sich deshalb, zu wundern, wenn in Ländern wie Tunesien, Lybien oder Ägypten, Religionen wieder die Macht übernehmen, kann man als Zynismus betrachten oder verstehen.

Auch hier bei DIE FREIE WELT, möchte ich mal daran erinnern, wie schwer ich es oft habe, diese Zeitung zur ausgewogenen Berichterstattung anzuhalten, wenn es um Religionen geht. Es bleibt wohl so, "wenn man mit dem Finger auf andere zeigt, zeigen 3 Finger auf einen selber."

Grüße, Rudi Gems

Gravatar: Christoph Sprich

Ich vermute und hoffe, dass gegenüber geostrategischen und islamistischen Zielen durch die elektronischen Medien mehr und mehr die Interessen der Bevölkerung im politischen Raum an Bedeutung gewinnen. Dieser Artikel entmutigt da zwar etwas, aber vielleicht kann man ja nicht gleich zu viel erwarten.

Gravatar: Klaus Kolbe

Wieder einmal ein guter Artikel von Prof. Kovács! Nur leider kommen hier die geostrategischen Ziele der Beteiligten nicht ins Blickfeld.

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