Habt Ihr sie eigentlich noch alle?

Führt eine harte und offene Debatte, streitet Euch – gern auch lautstark. Aber hört auf mit diesen kindischen Inszenierungen und der Volkserziehung, und macht einfach Eure Arbeit ordentlich!

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Inzwischen ist also bestätigt und belegt, dass die große Solidaritätsshow der Staatschefs, die entschlossen an der Spitze der Demonstration des Volkes am Sonntag in Paris marschierten, nur ein Fake war. In einer Seitenstraße aufgestellt für die Fotografen und nach ein paar Minuten wieder in die Limousinen und ab. Ja, man könnte sagen, bei 1,5 Millionen Demonstranten und in aufgeladener Stimmung kann niemand die Sicherheit der hochrangigen Politgäste garantieren. Gut, aber dann muss man mit offenen Karten spielen. Warum habt ihr nicht gesagt, dass Ihr nach Paris fahrt, um Solidarität zu zeigen, doch nicht in der großen Demo mitgehen könnt? Viele Menschen hätten das verstanden. Aber jetzt? Wieder ein Stück der verbliebenen Glaubwürdigkeit zum Teufel und wieder Wasser auf die Mühlen der Systemkritiker und der “Lügenpresse”-Krakeeler. So, wie derzeit ständig.

Da muss ich nicht einmal diesen RTL-Typen bemühen, der sich unter die Pegida-Demonstranten gemischt hat und natürlich aufgeflogen ist. Gestern Abend war ich in Baden-Württenberg im Auto unterwegs und hörte die Nachrichten des dortigen öffentlich-rechtlichen Grundversorgers. In Deutschland, so erfuhr ich, demonstrieren gerade Zehntausende gegen Fremdenfeindlichkeit und Pegida. Und in Villingen-Schwenningen, so erfuhr ich weiter, hatte es erstmals auch eine Pegida-Demo gegeben. Mit 100 Teilnehmern, die allerdings – O-Ton SWR 3-Nachrichten – “von 200 Gegendemonstranten niedergebrüllt” worden waren. Die Pegida-Demo in Dresden mit ihren 25.000 Teilnehmern wurde nicht einmal in einem Nebensatz erwähnt. Da aber natürlich jeder Zeitungsleser im Land inzwischen weiß, dass diese Aufmärsche montags in Dresden stattfinden, fragt sich der unbedarfte Zuhörer: Warum sagen die das nicht, wenn sie über Pegida berichten? Und genau das ist der Stoff, aus dem die Verschwörungstheorien wachsen.

Ich empfinde die “Lügenpresse”-Sprechchöre und die Beiträge über die große Medien-Verschwörung im Internet als absurd, denn durch meine 30-jährige Tätigkeit als Journalist für eine Reihe von Medien weiß ich, dass es die große Verschwörung nicht gibt. Aber es gibt schlechtes journalistisches Handwerk, und es gibt Helden in Redaktionsstuben, die heutzutage – da es völlig gefahrlos ist – noch mal zu einer Art Widerstandskämpfer wachsen wollen. Was sie nicht begreifen, ist, dass sie und ihre glattgebürsteten Beiträge die Ursache dafür sind, dass die Ablehnung gegenüber den etablierten Medien in Deutschland immer größer wird. Das Vertrauen in die Medien sinkt dramatisch und ebenso das Vertrauen in die etablierte Politik. Deshalb meine herzliche Bitte: Führt eine harte und offene Debatte, streitet Euch – gern auch lautstark. Aber hört auf mit diesen kindischen Inszenierungen und der Volkserziehung, und macht einfach Eure Arbeit ordentlich!

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Bärbel Fischer

"Lügenpresse" ist ein starker Vorwurf, den zu bestätigen mir die Urteilskraft fehlt. Aber dass die Presse wichtige Nachrichten v e r s c h w e i g t oder darüber nur in winzigen Anmerkungen am Rande berichtet, das kann ich täglich beobachten. Z. B. über das Freihandelsabkommen TTIP und den europaweiten Bürgerprotest gegen TTIP, TISA oder CETA wird in unserer schwarzen Tageszeitung nur sporadisch berichtet. Dafür wird umso mehr über Putin oder die AfD gelästert. Auch mit Totschweigen können die Medien manipulieren. Da kriegt man dann schon einen Zorn und sieht sich als Leser verschaukelt. Wenn ich mich dann bei der Redaktion beschwere, bekomme ich keine Antwort. Wieder Schweigen!

Gravatar: Carolus

„Krakeeler“. Klaus Kelle reiht sich ein in die Diffamierungsjournaille. Schade.

Gravatar: Freigeist

Ihre allzu christliche Einstellung passt mir als Atheist natürlich nicht. Heute jedoch haben Sie mit Ihrem Artikel meine volle Zustimmung.

Gravatar: Kunzelmann

Solange jemand andere Menschen, die auf der Basis des Grundgesetzes friedlich demonstrieren, als Krakeeler tituliert, und auch nicht begreift, daß in der Presse gelogen wird, hat trotz taktisch eingestreuter Minimaleinsichten ein Fundamentalproblem.

Ein Reporter ist übrigens nicht das Maß der Dinge, vor allem nicht im Informationszeitalter. Sich in Dresden gegen Menschen zu stellen, die z.T. solche Informationswerkzeuge der Macht (= Information) beruflich sogar voranbringen oder ersinnen und die damit zur top-Elite des Landes gehören - ganz im Gegensatz zu bezahlten Randalierern - ist per se zwecklos.

Gravatar: Klartexter

Ja, bei dem heuchlerischen Akt der Demonstration der Volksverdummer aus allen Ecken der Welt, in Paris, haben nicht nur die Lügenpresse, sondern alle Lügenmedien ihren erworbenen Titel alle Ehre erwiesen. Politiker und Medien sollten sich in Grund und Boden schämen, angesichts von 17 Todesopfern eine solche verlogene Show aufzuführen. Und die Politiker die so etwas mitmachen sind nicht mehr glaubwürdig. Dieses System wird auf Dauer nicht bestehen können. Die Menschen sind nicht so doof, wie sie die Politiker gerne hätten. Doof sind diejenigen, die denken das Volk sei doof.

Gravatar: Jaques LeMouche

Es mag keine Verschwörung geben. Wohl aber zumindest eine stillschweigende Gleichschaltung. Und da es längst kein Geheimnis ist, dass die überwiegende Mehrheit der Journalisten entweder ein grünes Parteibuch hat, oder sich selbst linksgrün verortet, braucht man keine direkte Absprache mehr. Das funktioniert über stillschweigende Übereinkunft. Wir wissen doch: "Wo alle einer Meinung sind, wird meist gelogen." Somit hat "Lügenpresse" durchaus seine Berechtigung.

Gravatar: Karin Weber

Ich glaube, Sie liegen da komplett falsch. Unsereiner, der die DDR-Presse kennenlernen musste, und nun heute wieder sieht, wie genau nach gleichem Muster informiert wird, der kann sich sehr wohl den Vorwurf der Lügenpresse erlauben. Was hier in den Medien abgeht, toppt die Zentralorgane der Ex-DDR allemal und um ein Vielfaches. Das Urteil kann ich mir erlauben, weil ich es erlebt habe.

Ich würde Sie bitten, die Pegida-Bürgerrechtler-Demonstrationen nicht als "Aufmärsche" zu bezeichnen. Der Duktus kommt aus dem linken Spektrum und soll eine Verbindung zu den Nazi-Aufmärschen im 3. Reich und denen der NPD herstellen. Das ist falsch, grundsätzlich falsch. Die Pegida geht Spazieren und marschiert nicht auf.

Tatsache ist, dass in den Köpfen von Journalisten wieder einmal "Scheren" existieren. Das war in der Ex-DDR genauso. Nun stellen Sie sich lieber mal die Frage, warum das so ist. Vermeintlich würde man meinen, dass die Rahmenbedingungen beider Systeme vermeintlich unterschiedlich sind. Also was ist dann der Grund für diese Konformität? Wenn es systemunabhängig ist, dann scheinen einige Journalisten schlichtweg nicht für diesen Job geeignet zu sein. Es fällt nämlich immer mehr auf, dass diese Journalisten nur Meinungen, aber keine Fakten mehr vermitteln. Mich interessiert aber deren Meinung nicht, ich möchte seriöse und unkommentierte Fakten erfahren. Das können oder wollen Journalisten damals wie heute nicht mehr leisten.

Einer Zeitung glaube ich heute nur noch das Erscheinungsdatum.

Gravatar: Rüdiger Braun

Natürlich gibt es keine grosse Verschwörung, das ist doch keine Frage.
Aber alleine schon das Sie, wie soviele andere Journalisten eben auch, gleich die ses Bild nehmen und als Unschuldsargument auslegen, belegt mehr als eindeutig das sich in den Köpfen der Journalisten eben doch etwas eingepflanzt hat das den inneren Kompass kalibriert der es dann gar nicht mehr nötig macht einer grossen Verschwörung anzuhängen den der Journalist hat die kleine Verschwörung in seinem Kopf.
Was ich die letzte Woche in den Medien gelesen habe, egal in welcher Zeitung und egal von welchem Journalist reicht für ein gerüttelt Mass an Medienschelte aus. Ich könnte jeden Tag einen Artikel oder einen Kommentar aus der Presse der vergangengen Woche nehmen und besprechen und wäre mit meiner Kritik Jahre beschäftigt.

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