Gott – entdeckt oder nur erfunden?

Mich prägte vor allem die Entdeckung des persönlich unmittelbar ansprechbaren Gottes, jenem Phänomen, das Jesus von Nazaret durch den Namen Abba, also Vater, ausdrückte. Für mich zählt, dass Gott eine persönliche, allumfassende Kraft ist, auch dann, wenn ich sterbe und ich irgendwie dauerhaft bei ihm bleibe.

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Ganz gleich, ob man die Buchstaben G, o, t und t zu dem Wort Gott aneinander reiht oder eine andere Buchstabenfolge dafür verwendet, für mich entscheidend ist, warum der Mensch so etwas überhaupt macht. Irgendwann in der Menschheitsgeschichte müssen begabte Individuen begonnen haben, das Unergründliche, das sich von ihrem eigenen Ich-Bewusstsein wesentlich unterscheidet, entdeckt, erahnt, erfasst haben und es irgendwie durch kultische Handlungen, Rituale, Wortgebilde, Lieder und Gesänge verarbeitet, begreifbar und anderen vermittelbar gemacht und sich diesem Unbegreifbaren vertrauend überlassen haben.  Liturgie und Gebet haben hier ihren Ursprung.

Architektonische Spuren dieser menschlichen Entdeckungsreise kennen wir etwa ab der Jungsteinzeit an den Ufern von Euphrat, Tigris und Nil, ein wenig später an Ganges und Jangtsekiang. Offensichtlich brach sich hier etwas Geistiges in der menschlichen Entwicklung unaufhaltsam seine Bahn. In Gesetze und Philosophien gegossen und bis heute prägend sind ab der Bronzezeit die Lehren von Zarathustra und Mose im Vorderen Orient, Lao-Tse, Kung-Fu-Tse und Siddartha Gautama in Zentralasien, über die griechischen Philosophen in Südeuropa bis hin zu den  Varianten eines Jesus von Nazaret oder Muhammads.

Mich prägte vor allem die Entdeckung des persönlich unmittelbar ansprechbaren Gottes, jenem Phänomen, das Jesus von Nazaret durch den Namen Abba, also Vater, ausdrückte. Das hängt natürlich damit zusammen, dass ich in den entsprechenden Kulturkreis hineingeboren wurde, mit der Sprache meiner Eltern und ihrer Umgebung aufwuchs, die maßgeblich meine eigene Gedankenwelt und Ausdrucksform mitgestaltete. Möglich, dass eine genetische Veranlagung mein religiöses Suchen entscheidend bestimmte und ich in Indien damit vielleicht ein hinduistischer Guru geworden wäre, weil sich mir dort ja keine andere Möglichkeit geboten hätte, meine Religiosität in entsprechende Worte, Gebete, Rituale und Gedankengebäude zu fassen als eben in die dort vom Umfeld vorgegebenen. Hier nun bin ich halt ein katholischer Religionslehrer geworden. Um vieles auszuprobieren, dazu ist mein eigenes Leben viel zu kurz. Ich hätte gut 200 Jahre dafür gebraucht.

Angesichts der unüberschaubaren und sehr langen Evolution nicht-menschlichen Lebens vom Einzeller, über Bakterien, Viren und Tierarten bis hin zum heutigen Menschen, ist mein eigenes Leben nicht einmal eine Nanosekunde wert, von möglichen Lebensformen in fernen Galaxien ganz zu schweigen. Es könnte mir vollkommen gleichgültig sein, wenn es mich nicht selbst so unmittelbar anginge. Da tröstet mich, dass ich für den christlichen Gott so etwas wie der Nabel der Welt bin, merkwürdigerweise nicht ich allein, sondern alle Menschen. Das ist eine wenig anschauliche Vorstellung, mit der ich aber gut leben kann. Ob Gott das vom Anfang des Universums an so gewollt hat oder ob umgekehrt erst auf die frühesten religiösen Anfragen der entsprechend entwickelten menschlichen Großhirne ein liebender Gott sich diesen Wesen zugewandt und offenbart hat und damit ein Zwiegespräch zwischen Mensch und Gott ermöglichte,  darüber dürfen Theologen und Philosophen spekulieren. Mir ist es gleichgültig, ich pfeife darauf. Für mich zählt, dass Gott eine persönliche, allumfassende Kraft ist, auch dann, wenn ich sterbe und ich irgendwie dauerhaft bei ihm bleibe. Darauf möchte ich mich einlassen und verlassen, so wie Jesus Christus es als Erstgeborener der Entschlafenen, wie die Christen glauben und verkünden, vorgemacht hat.

Zuerst erschienen auf winfried.schley.over-blog.net

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Winfried Schley

In meinem deutschen Bekanntenkreis gibt es zwar viele bekennende Atheisten, aber keinen, der sieben Tage die Woche arbeitet. SIe genießen alle ihr freies Wochenende und hinterfragen nicht, dass sie genau damit Trittbrettfahrer der abendländlichen Kultur mit ihren jüdisch-christlichen Wurzeln sind. Was angenehm ist, wird übernommen, was lästig wirkt, wird abgelehnt.

Noch ulkiger wirken auf mich meine französischen atheistischen Bekannten, die ihre Kinder geradezu selbstverständlich in katholische Privatschulen schicken, weil sie sich dort die beste Erziehung für ihren Nachwuchs erhoffen.

Beide Zielgruppen besichtigen in ihrem Urlaub Kirchen als Sehenswürdigkeiten. Was finden sie daran anziehend, wenn sie doch angeblich nichts damit am Hut haben und sich kirchlich bevormundet fühlen? Fahren sie etwas weiter weg, besichtigen sie Moscheen, Tempel und Pagoden, ohne sich davon vereinnahmt zu fühlen. Aus welchen Gründen messen sie mit zweierlei Maß?

Gravatar: Marco Krieger

Hallo Herr Schley,
finden Sie es nicht ein wenig bedenklich, wenn Sie einem Atheisten missonarischen Eifer vorwerfen, wenn er seine, zugegebenermassen schlecht begründete, Meinung sagt, während aus den Großkirchen die Neuevangelisierung und der Missionsauftrag permanent betont werden?
Ist das nicht zweierlei Maß?
Sie selber schreiben davon, dass Sie in einer anderen Umgebung wohl eine andere Religion hätten.
Gut, dass Sie sich dessen bewusst sind.
Ich bin Atheist, ich will und werde Sie nicht missionieren,
ich möchte, dass die Religionen aufhören mich zu missionieren.
Sie können Ihre Gebete abhalten und Ihre Feste feier, Sie Ihre Regeln befolgen, so lange Sie wollen und können. Das bleibt Ihnen, zumindest nach meinem Verständnis, völlig unbenommen.
Aber machen Sie Ihre Regeln zu meinen Regeln, ist der Friede gebrochen.
Schauen Sie sich bitte in Deutschland um.
Stille Feiertage, Listen auf denen Filme und Musik aufgeführt sind, deren Aufführung an bestimmten Tagen unter Strafandrohung stehen.
Kreuze in staatlichen Schule, an jeder Wegegabelung und Glockenläuten zu jeder Tages- und Nachtzeit.
Im gesamten Kabinet von Frau Merkel ist nicht ein konfessionsloser Politiker vertreten, bei einer zu vertretenen Bevölkerungsschicht von fast 50% Menschen ohne religiöse Bindung.
Die ehemalige DDR gilt als quasie Religionsfreie Zone,
in den Verlautbarungen der Kirchenkreise zu diesem Fakt liest sich das machmal wie eine Aufforderung, Jagtreviere und Abschußquoten zu vereinbaren.
Wer missioniert hier wen?
Und habe ich nicht das Recht, mich vor Ihren Bemühungen zu verwahren?
Mit freundlichem Gruß
M. Krieger

Gravatar: Winfried Schley

@Datko: Durch welche Erziehung sind Sie denn zu Ihrem Nichtgottglauben gekommen, den Sie hier mit missionarischen Eifer bei jeder sich auf dieser Plattform bietenden Gelegenheit verkünden?

Zeitlich sind Sie immer so dicht an der Veröffentlichung eines religiösen Artikel dran, dass ich den Verdacht nicht los werde, hinter Ihrem Pseudonym verberge sich ein Troll aus der Redaktion selbst.

Mal zum weiteren Nachdenken unabhängig von den abrahamitschen Religionen, die Sie sonst auf dem Kieker haben:

Wo geschieht Gott? Irgendwo tief in mir drin, aber nicht nur in mir allein, sondern in vielen, eigentlich allen Menschen guten Willens auf der ganzen Welt, gleich welcher Rasse oder Religion sie angehören. Gott geschieht weltweit und allumfassend in den Herzen der Menschen, in einem Gleichklang ihrer Gesinnung, in einem barmherzigen Einsatz für andere.

Wie ein feines, hauchzart gesponnenes, wenn auch sehr leicht verletzbares Netz umspannt dieses göttliche Wirken die Welt, aller Angst, Machtgier, Ausbeutung, Gewalt und Unterdrückung zum Trotz. Es wird dort neu gesponnen, wo es zerrissen ist, verstärkt seine Zähigkeit dort, wo es zu zerreißen droht, keimt immer wieder neu auf aus den Ruinen kriegerischer Zerstörung.

Es durchzieht die Geschichte der Menschheit seit Menschengedenken und ist bis jetzt  nie untergegangen, auch wenn es manchmal in gewissen Epochen oder Regionen vollkommen ausgelöscht schien.

So wie der Mensch nun im Gegensatz zum Tier zum Trinken ein Gefäß verwendet, und sei es nur die hohle Hand, so braucht er für dieses göttliche Geheimnis Sprache und Gesten, die Gestalt annehmen in Meditation und Gebet, in mannigfachen Ritualen und Symbolen, kunstvoll gestalteten Musikwerken, Bildern, Statuen und Gebäuden.

Das Gespür für dieses göttliche Geschehen ist in jedem Menschen angelegt, gleichsam genetisch bedingt, kann aber verschüttet werden. Es muss also gepflegt und vertieft werden in Wegen zur inneren Stille. Nur dort keimt die Hoffnung und die Erkenntnis, nur dort wird bewusst, dass Gottes Kraft alle Wege mitgeht und immer wieder neu anfangen lässt.

Vgl. auch http://winfried.schley.over-blog.net/2015/12/zum-glauben-gezwungen.html.

Gravatar: Franz Hölzl

Herr Winfried Schley als katholischen Religionslehrer möchte ich bitten, sich mit der Bibel, die er ja unterrichten soll -oder hat, besser auseinanderzusetzen. Oder man braucht die Lehre der Kirche -die Lehre Jesu- nicht einmal sehr angestrengt zu bemühen, um zu sehen,dass der Mensch kein weiterentwickelter Affe -Schimpanse, Orang Utan, Makake usw. ist. Der Mensch ist nicht naturnotwendig so geworden wie er ist. Seriöse Forscher müssen zugeben, dass kein Bindeglied zwischen Affen und Menschen besteht ausser der Mehrzahl von Genen, die alle Lebewesen -auch Amöben- haben. In der Zeitschrift "Liebt einander" war vor kurzem je eine Darstellung vom Fuß eines Menschen, eines Orang Utan und eines Makaken - es sind komplett unterschiedliche Knochenstellunge und Knochenzahlen, so dass sich das nicht mit Mutationen erklären lässt. Und woher hätte sich im weiblichen Genital das Hymen -das Jungfernhäutchen entwickeln sollen: Und besonders WOFÜR!, wenn nicht Gott etwas eigenes mit dem Menschen vorhätte! Mit freundlichen Grüssen Franz Hölzl

Gravatar: Joachim Datko

Wichtig: Es gibt keinen Gott, es gibt keine Götter

Gottesvorstellungen werden den Menschen in der Regel von kleinauf eingeprägt, ein unverantwortliches Verfahren.

Selbst Herr Joseph Ratzinger ist nicht durch eigene Überlegung zu einer Gottesvorstellung gekommen, sondern durch die katholische Erziehung.

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