Genscher ist das Problem, Lambsdorff die Lösung

 

Ob Rösler, Brüderle oder Lindner – egal wer nominell an der Spitze der FDP steht, das Problem ist immer dasselbe: Die Partei hat zu viele Genscher-Klone. Es braucht jemanden wie Euro-Kritiker Graf Lambsdorff.

 

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Wer sich fragt, warum die FDP zwei Drittel ihrer Stimmen zwischen den Ergebnissen der letzten Bundestagswahl und den neusten Umfragen verloren hat, konnte die Antwort am gestrigen Sonntag auf dem Dreikönigstreffen der Partei finden. Schon vor einem Jahr glaubte die Partei, die Antwort darauf gefunden zu haben und wechselte Guido Westerwelle gegen Philipp Rösler aus. Es hat nichts genutzt. Auch wenn nach der Landtagswahl in Niedersachsen Philipp Rösler gegen Rainer Brüderle ausgetauscht wird, stellt sich die Führungsfrage nach Bundestagswahl aufs Neue. Danach wird auch Christian Lindner vergeblich sein Glück versuchen. Mit der FDP wird es erst dann wieder bergauf gehen, wenn sie sich auch in der Europapolitik wieder zu Subsidiarität, Wettbewerb und Selbstverantwortung bekennt. Dazu muss der heimliche Vorsitzende der FDP, Hans-Dietrich Genscher, endlich das Feld räumen.

 

 

Schon optisch beherrschte Hans-Dietrich Genscher beim Königstreffen wieder mal das Podium der Führungsriege der FDP. Sein zukünftiger Nach-Nach-Nach-Nach-Nach-Nachfolger als Parteivorsitzender, Rainer Brüderle, versäumte nicht, ihm in seiner engagierten Rede durch ständige Lobpreisungen eine Applausrunde nach der anderen zu bescheren. Neben Genscher saß sein Nach-Nach-Nach-Nachfolger als Außenminister, Guido Westerwelle, der artig Genschers Kommentaren zu den verschiedenen Reden lauschte. Sowohl in der Europolitik als auch in der Nahostpolitik („Lybien-Enthaltung“) hat Westerwelle den Genscherismus als Leitlinie deutscher Außenpolitik wieder zum Leben erweckt. Die außenpolitische Leisetreterei hat nicht nur Amerikaner, Briten und Franzosen vor den Kopf gestoßen, auch viele FDP-Wähler.

 

Egal ob durch Genschers direkte Interventionen oder durch den vorauseilenden Gehorsam seiner bisherigen und zukünftigen Nachfolger, die FDP hat sich auch in ihrer Europapolitik in einen unüberbrückbaren Widerspruch zu ihren liberalen Grundsätzen manövriert. Mit ihrer Zustimmung zur Eurorettungspolitik ließ sie auch ihre wichtigsten Prinzipien über Bord gehen. Subsidiarität, also die Verankerung politischer Verantwortung nah am Bürger, war gestern. Mit Genscher-Westerwelles „Mehr Europa“ ist heute der europäische Zentralstaat angesagt. War früher bei der FDP der Wettbewerb ein unverzichtbares Instrument für die Schaffung von Wohlstand, hat sie sich als Mitglied der Regierung in der Europapolitik auf den Irrweg der Harmonisierung eingelassen. War die Selbstverantwortung früher ein exklusives Markenzeichen der FDP, hat sie dies mit ihrer Zustimmung zum europäischen Schuldensozialismus schwer beschädigt.

 

 

In seiner Rede versuchte der alte Fuchs Brüderle diese Widersprüche mit Genscher-Argumenten, wie dem Hinweis auf zwei Weltkriege usw., aufzulösen. Dass der Euro unseren Kontinent langsam, aber sicher sowohl wirtschaftlich als auch politisch schwer beschädigt, erwähnte weder er noch einer der anderen FDP-Könige. So war es auch kein Zufall, dass neben Genscher auch Scheel und Kinkel als Kronzeugen für diese Europapolitik bemüht wurden. Ein anderer ehemaliger Vorsitzender, Otto Graf Lambsdorff, wurde totgeschwiegen. Alles andere wäre auch unehrlich gewesen, denn mit Lambsdorff wären ein europäischer Zentralstaat, die europäische Gleichmacherei und der Schuldensozialismus in der Eurozone nie zu machen gewesen. Im Gegensatz zum Verfasser dieses Kommentars war Otto Graf Lambsdorff immer gegen den Euro und hatte diesem damals in der entscheidenden Abstimmung im Bundestag seine Stimme verweigert.

Wenn die FDP wieder aufstehen soll, dann braucht sie keine weiteren Genscher-Klone an der Spitze. Davon gibt es in der SPD, bei den Grünen und in der Union genug. Sie braucht jemanden wie Graf Lambsdorff.

 

Zuerst erschienen im Handelsblatt

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Dr. Klügel Landolfshausen

Lieber Professor,
der Graf hat selbst in den Achtzigern mehr "Genscherismus" von der FDP eingefordert.Als Schüler war ich 1945 bis 1947 Mitglied in der LDP (FDP)in der SBZ, in der Bundesrepublik ist mir die Lust an dieser Partei vergangen. Nachdem auch unsere so beliebte Kanzlerin mit FDJ Kreisleitungserfahrung die CDU anführt, mache ich bei Wahlen lieber einen Strich durch die Rechnung.
Dr. Claus-Dieter Klügel Landolfshausen

Gravatar: B.J.

So habe ich das noch nie gesehen. Es ist aber einleuchtend, was Herr Henkel schreibt. Guter Artikel!

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