Gefahr aus dem Vakuum

Europas Bedrohung aus gescheiterten islamischen Staaten

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So sehen gescheiterte Staaten aus: Keine Regierung oder mehrere, die sich bekämpfen; mörderische Anschläge in den Hauptstädten mit Dutzenden Toten, Krieg zwischen Stämmen und Konfessionen, grassierender Drogenhandel, flächendeckende Korruption bis in die untersten Verwaltungsebenen, wirtschaftliche Misere, Chaos. Es ist das Länderprofil von Libyen und Jemen. Für beide Staaten lässt sich sagen: Ihr wie in Zeitlupe zu beobachtender Zerfall ist ein Faktum. Das bleibt nicht ohne Folgen. Es gibt kein Vakuum in der Geopolitik. Die entstehende Leere oder das Chaos kommt Terrormilizen wie dem IS oder Al Kaida als Rückzugsland und Trainingsbasis gelegen – bestenfalls. Schlimmstenfalls übernehmen und füllen die Terroristen die staatlichen Hüllen wie seinerzeit oder demnächst die Taliban am Hindukusch.

Nun könnte man sagen: Der Jemen ist weit weg und die Bergstämme haben dort immer gegeneinander Krieg geführt und ansonsten kaut das Volk zwischen Sanaa und Aden die nationale Droge Kat. Aber so einfach ist es nicht. Die schiitischen Huti-Rebellen, die den legitimen Präsidenten aus Sanaa vertrieben haben und sich anschicken, auch Aden und damit einen Teil der Öl-Seerouten zu kontrollieren, werden vom Iran unterstützt und ihr Ziel ist nicht nur der Kat-Staat, sondern Saudi-Arabien. Dort sollen Unruhen geschürt, das Königshaus gestürzt werden. Was das für die Ölversorgung Europas und die instabile Lage auf der gesamten arabischen Halbinsel und darüber hinaus bedeutet, zeigt der Anstieg des Ölpreises trotz der vollen Lager und der Überproduktion. Und auch das Eingreifen der sunnitischen Koalition der Golfstaaten unter Führung Riads demonstriert, wie brisant die Lage ist.

Noch deutlicher, ja geradezu greifbar ist die Bedrohung Europas aus Libyen. Nur wenige hundert Seemeilen liegen zwischen der Syrte und Sizilien, Libyen ist de facto ein Nachbarstaat der EU. Auch aus diesem Land bezieht Europa viel Öl. Aber bedrohlicher noch sind die Flüchtlingsmassen, die zum Sprung auf Europa ansetzen und die Trainingslager, in denen der IS und Al Kaida ihre Todgeweihten für Anschläge in Europa ausbilden. Zwei von ihnen schlugen letzte Woche in Tunesien zu, das nächste Ziel könnte jenseits der Küste liegen.

Europa muss handeln. Es reicht nicht, darüber zu beraten und Papiere zu veröffentlichen. Noch absorbiert der schiitisch-sunnitische Bruderkrieg in der islamischen Welt viel Aufmerksamkeit und fordert hunderte von Toten bei Anschlägen und Bombardements in Saana und Aden. Früher spielte Europa in der Region nur eine Komplementärrolle zu den USA. Aber Washington wird sich in den nächsten 20 Monaten selbst lähmen und hat auch kein Konzept für eine schlüssige Politik im Vorderen Orient. Die Gefahr aus dem Vakuum wächst und Europa macht eine neue Erfahrung: Es muss selber für seine Sicherheit sorgen. Das hat auch mit der Flüchtlings-und Asylfrage zu tun. Hier sind die Staatschefs gefordert. Sich nur in eine Festung Europa zurückzuziehen und die Völker am anderen Ufer oder sonstwo ihrem Schicksal zu überlassen, wird dem historischen Erbe Europas nicht gerecht. Wenn man wie EU-Kommissionschef Juncker plötzlich zwei Milliarden Euro für die Griechen unter dem Beifall der EU-Staatslenker aus dem Hut zaubern kann, muss es möglich sein, auch mal ein geopolitisch sinnvolles Konzept für die Flüchtlingsfragen zu entwickeln und in der UNO dafür zu werben oder es selber anzuwenden.

 

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