Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft: Gibt es libertäre Rassisten?

Ist die Diskussion in der liberalen Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft sinnvoll? Oder streitet man mit ungeeigneten Mitteln um das Erscheinungsbild des Liberalismus?

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„Libertäre und Liberale werden durch Reaktionäre unterwandert“ – so oder so ähnlich ist der Grundtenor, den die Vorsitzende der Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft, Karen Horn, in einem Beitrag in der FAZ unter dem Titel „Die rechte Flanke der Liberalen“ angeschlagen hat. Man sei in seiner Kritik am linken Staatinterventionismus blind geworden für die Gefahren am rechten Rand, der sich nun anschicke, liberale Vereinigungen zu instrumentalisieren.

In einer weiteren Stellungnahme bezieht sie sich inbesondere auf Veröffentlichungen von Liberalen in der „Jungen Freiheit“, dem Internetmagazin „FreieWelt.net“ oder der „eigentümlich frei“ (ef). Letzteres ist besonders deshalb delikat, weil sich die ef im Gegensatz zur konservativen „Jungen Freiheit“ tatsächlich als libertäres Magazin versteht und mit dem Wirtschaftsphilosophen Professor Dr. Gerd Habermann auch eine personelle Überschneidung besteht: Habermann ist sowohl Mitglied des Redaktionsbeirats der ef als auch Vorsitzender der Friedrich August von Hayek-Stiftung, die einen großen Teil des Vermögens verwaltet, aus dem die Aktivitäten der gleichnamigen Gesellschaft finanziert werden.

Die Wellen schlagen nun hoch, wähnt man doch Frau Horns Ansätze als Widerspruch zu einer liberalen Gesellschaft, in der natürlich auch fremdes Gedankengut seine Berechtigung haben sollte. Ist sie mit ihrer Kritik also abgerückt vom liberalen und libertären Ideal, nachdem jeder frei ist, solange er mit der Ausübung seiner Freiheit nicht die Freiheit und das Eigentum eines anderen – ohne dessen Zustimmung – einschränkt? Eine ganz gute Zusammenfassung des Diskussionsstandes und Links zu Debattenbeiträgen findet man auf der Seite der angesprochenen „Jungen Freiheit“ unter dem Titel „Wie konservativ darf’s denn sein?“ In entsprechenden Facebookgruppen wie der „Liberalen Welt“ kann man dazu auch noch einiges nachlesen, was ich hier nicht einfach ohne Erlaubnis wiedergeben möchte.

Nun bin ich nicht Mitglied der Hayek-Gesellschaft, sehe mich aber bekanntermaßen liberalen wie libertären Vereinigungen im Geiste verbunden, pflege andererseits auch Kontakte zu bzw. bin Abonnent der oben genannten Medien. Und da stellt sich – unabhängig von der Abgrenzung dessen, was konservativ, christlich-konservativ, wertkonservativ, rechtskonservativ oder einfach „rechts“ ist – die Frage: Stehen solche Positionen grundsätzlich im Widerspruch zum Libertarimus? Hat also Karen Horn Recht? Oder finden nicht im Gegenteil gerade im Libertarismus solche heute wenig opportunen Standpunkte ihre Berechtigung?

Ich möchte es mal an einem Beispiel verdeutlichen – übertrieben vielleicht, aber hoffentlich sprechend: Der libertäre Rassist! Oder die Frage: Kann es einen libertären Rassisten eigentlich geben? Und meine Antwort in aller Kürze: Warum denn nicht?

Nehmen wir an, ein Mensch sei der Ansicht, Menschen anderer Nationalität oder Hautfarbe oder Religion … was auch immer, seien dem weißen, nordischen Mann geistig und körperlich grundsätzlich unterlegen – So jemanden würde man wohl mit Fug und Recht als Rassisten bezeichnen. Und auch wenn ich diesem Menschen gegenüber keinerlei Zuneigung hegen würde, steht er mit dieser Position noch nicht im Widerspruch zum Libertarismus. Etwas anderes wäre es, wenn er aus dieser Position heraus gewalttätig gegen diese von ihm verachteten Gruppen, wenn er sich für staatliche Maßnahmen zur Herabsetzung oder Verfolgung dieser Menschen einsetzen würde. Die reine Einstellung des Rassisten setzt ihn noch nicht in Widerspruch zum Primat der Freiheit und des Eigentums!

Und was ist, wenn dieser Rassist sich nun gegenüber Vertretern dieser Gruppen „rassistisch“ verhält, in dem er mit ihnen keinen Kontakt eingehen will? Der Libertäre kann nur fragen: Wer sollte ihn den zwingen, mit diesen Menschen Kontakte zu pflegen? Wenn es sich um einen Unternehmer handelt, der beispielsweise Menschen mit anderer Hautfarbe aus genau diesem Grund nicht einstellt? Wiederum: Wer sollte ihn den zwingen, sie einzustellen? Und weiter gedacht, ironisch formuliert: Herzlichen Glückwunsch, Herr Rassist, wenn Sie Potenziale für Ihr Unternehmen ziehen lassen, nur weil Ihnen die Hautfarbe eines Bewerbers nicht passt!

Man kann also einem Rassisten, soweit er die Freiheit und das Eigentum der Anderen respektiert, aus libertärer Sicht schlicht nicht seine Einstellung zum Vorwurf machen. Gut, man kann auch einen Christen nicht dazu verpflichten, sich mit einem Rassisten zusammen zu setzen. Ich hielte seine Einstellung für ein Zeichen von erstens Dummheit und zweitens schlechtem, vielleicht fehlgeleitetem Charakter, und ich würde ihm im Zweifel – wenn er sich nicht zumindest auf eine faire Diskussion einlässt, aus der wir beide noch was lernen können – eher den Zutritt zu meinem Haus verwehren. Aber hey, dann hat er eben einen Feind mehr – sein Problem, vielleicht meins, aber doch kein gesellschaftliches?!

Wenn wir zurück kommen zu etwas naheliegenderen Disputen, also den Fragen, die auch Frau Horn aufgeworfen hat – Geht christlich-konservativ, wertkonservativ, rechtskonservativ und libertär zusammen? – kommt man zu den gleichen Schlüssen: Die Positionen an sich sind mit dem Libertarismus kompatibel, soweit die Freiheit und das Eigentum als wertneutrale Basis des Zusammenlebens respektiert wird. Und in der Tat mögen sich da im Einzelnen die Geister scheiden: Steht der Konservative heute den Libertären deshalb nahe, weil er die staatlichen Interventionen auf ein Mindestmaß, ideal auf Null, reduziert sehen möchte … oder weil er die linksstaatlichen Interventionen nicht akzeptieren mag und lieber andere Interventionen sehen würde, die er aber aus der Position der politischen Schwäche aktuell nicht durchsetzen kann?

„Law and Order“, wie manche sich das vorstellen, ist mit Libertären ebenso wenig zu machen wie grün-linke Verbotsexzesse und Indoktrinationen. Gesellschaftliche Gruppen, die staatliche Einflussnahmen nicht abgeschafft sondern durch ihnen genehme Interventionen abgelöst sehen möchten, sind im Grunde nicht liberal. Aus libertärer Sicht auf deren Unterstützung zu bauen, nur weil die sich ebenso wie man selbst gegen den aktuellen Politikstil engagieren, kann mittel- bis langfristig zum Bumerang werden.

Ich kenne Frau Horn und die anderen Beteiligten nicht persönlich, daher kann ich über deren Motivationslage nur spekulieren. Sollte es aber bei der Kritik an einer angeblichen „reaktionären Unterwanderung“ der libertären Szene im Allgemeinen und der Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft im Besonderen lediglich darum gehen, Distanz zu wahren von Positionen, mit denen man sich nicht gemein machen möchte, die vielleicht auch geeignet sind, dem eigenen Ruf medial zu schaden, dann kann man das vielleicht politisch-taktisch verstehen. Liberal ist das aber nicht! Geht es dagegen darum, sich nicht von den Feinden der Freiheit aus der rechten Ecke vereinnahmen zu lassen, dann ist dieses Augenmerk sicher richtig – fragt sich nur, wem mit dem medialen Hype eines FAZ-Artikels mit dem Titel „Die rechte Flanke der Liberalen“ geholfen ist?

Beitrag erschien auch auf: papsttreuerblog.de

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