Friedliche Revolution in der DDR- Hatten SED- Funktionäre, Stasi-Mitglieder und Armeeangehörige daran einen Anteil? Zu Aussagen der Abgeordneten Lemke (Bündnis90/Grüne)

Die Grünen-Abgeordnete Lemke argumentiert perfide: Sie versucht von den strukturellen Repressionen des SED- Staates abzulenken, indem sie auf den einzelnen SED- Funktionär und Stasi- Mitarbeiter hinweist. Damit stellt sie die Geschichte auf den Kopf.

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In einer Bundestagsdebatte anlässlich des 25. Jahrestages der Großen Montagsdemonstration in Leipzig am 9.10. 1989 gegen das SED- Regime hat die Abgeordnete der Grünen, Lemke, folgendes wörtlich gesagt: „… Wenn man nicht begreift, daß auch SED- Funktionäre, Stasi- Mitglieder und Armeeangehörige einen Anteil daran hatten, und zwar einen wirklich relevanten Anteil, daß das im Jahr 1989 friedlich abgegangen ist, dann muß jeder Erklärungsversuch für die Friedliche Revolution scheitern…“ Das Protokoll vermerkt danach „Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und der Linken.“

Das ist eine erstaunliche Äußerung der Vertreterin einer Partei, die in ihrem Namen schon den Anspruch erhebt, die ehemalige DDR- Bürgerrechtsbewegung zu vertreten.

Darauf hat der CDU- Bundestagsabgeordnete und ehemalige Bürgerrechtler Arnold Vaatz in seinem Beitrag direkt reagiert: „ … Wissen Sie, das Problem ist folgendes: Sicher haben damals eine Reihe von SED- Leuten eingelenkt und ihre Genossen gemahnt, daß sie ihre Waffen nicht auspacken sollen. Aber dafür, daß ein Mensch oder eine Partei nicht mordet oder nicht morden lässt, muss man ihm bzw. ihr nicht danken, sondern das ist selbstverständlich….“

Vaatz hat mit seiner Aussage sicher recht, daß es eine Selbstverständlichkeit ist, gegen friedliche Demonstranten keine Waffen einzusetzen.

Aber die Argumentation von Lemke ist noch perfider. Sie versucht von den strukturellen Repressionen des SED- Staates abzulenken, indem sie auf den einzelnen SED- Funktionär und Stasi- Mitarbeiter hinweist. Und dann behauptet sie, daß diese „ wirklich relevant“ für die Friedliche Revolution gewesen seien. Und noch genauer sagt sie noch nicht einmal das, sondern behauptet, daß eine geschichtswissenschaftlichen Erklärung der Friedlichen Revolution 89 nicht ohne die Berücksichtigung der Friedfertigkeit von SED- Funktionären, Stasi- Mitgliedern und Armeeangehörigen möglich sei.

Ist diese Behauptung richtig?

Lemke hätte aus dem „Tagebuch der Friedlichen Revolution“ von Vera Lengsfeld lernen können. Der SED- Staat hatte erst dann eingelenkt und Zugeständnisse gemacht, als die Demonstrationen in vielen Städten der DDR so mächtig wurden, daß sie nicht mehr kontrolliert werden konnten.

Beispielsweise in Leipzig am 9.10. 89 70.000 Demonstranten, am 16.10. 89 120.000 Demonstranten, am 30.10. 89 200.000 Demonstranten. In der Woche vom 23.10.- 30.10.89 haben 540.000 Demonstranten in der DDR demonstriert. Der DDR- Staatsapparat hat auch noch bis weit in den Oktober 89 friedliche Demonstrationen mit Gewalt aufgelöst, und die Demonstranten verhaftet. Am 18.10.89 wurden in Halle noch Vertreter des Neuen Forums verhaftet, weil diese Vertreter einer nicht zugelassenen Organisation waren. All diese Zahlen von Vera Lengsfeld aus ihrem Buch zeigen, daß der SED- Staat nicht freiwillig und nicht friedlich die friedliche Revolution zugelassen hat. Erst als der Druck durch die Massen bei den Demonstrationen und der über die Botschaften, die Tschechoslowakei und Ungarn ausgereisten DDR- Bürger zu groß wurde, um noch dagegen vorzugehen, hat der SED- Staat eingelenkt. Daß möglicherweise eine Reihe von einfachen SED- oder Stasimitgliedern anders über die Politik des eigenen Staates dachten, erscheint unerheblich, weil diese in einem so hierarchisch oder besser totalitär strukturierten Staat keine eigenen politischen Handlungsmöglichkeiten hatten.

Die Aussage hinter der  Aussage der Bundestagsabgeordneten Lemke ist, daß auch Teile der SED, Stasi und Armee ihren Beitrag zur Friedlichen Revolution geleistet haben. Dies stellt die Geschichte auf den Kopf und hat nichts mit der Realität zu tun.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Gerd Müller

Diese grünen Weltverbesserer sind mir schon damals `89 bei den Demonstrationen in der Ostzone aufgefallen.
Ich habe mich damals aber weiter nicht darum gekümmert, denn es gab wichtigeres.
Ich habe nur immer für mich gedacht: "Die sind zugut für diese Welt."

Daran hat sich wohl auch bis heute nichts geändert.
Es sind Gutmenschen mit dümmlichen Ansichten, die sie aber um jeden Preis anderen Menschen aufzwingen wollen, geblieben.

Gravatar: Jörg

Natürlich hatten hohe Entscheidungsträger die Möglichkeit, an den eingeübten Unterdrückungs- und Herrschafsmechanismen vorbei das Unvermeidliche so friedlich wie möglich ablaufen zu lassen. Ob das aus reiner Menschenliebe oder aus Kalkül geschehen ist ist eine ganz andere Frage: z.B. http://www.amazon.de/Weltoktober-Wer-plant-sozialistische-Weltregierung/dp/3938516402/ref=as_sl_pd_tf_ssw?&linkCode=wss&tag=wwwoliverjani-21.
Welche Rolle die Stasi dabei heute noch spielt, und weshalb z.B. die Verstrickkung von Westdeutschen nie Aufgeklärt wurde sind weitere Fragen in diesem Zusammenhang.

Gravatar: Karin Weber

Ich würde sagen, dass der Anteil dieser Leute sich darauf beschränkte abzuwägen, was für sie persönlich besser ist. Das es nicht mehr so weiterging, war jedem Trottel klar und viele hatten berechtigt mit Blick auf ihre Vergangenheit Angst vor dem was kommen könnte. Der Polizist vor Ort stand vor der Alternative, vom Demo-Wut-Bürger eins auf die Mütze zu bekommen.

Unter den Genossen gab es aber auch Fanatiker. Bei uns schoss damals einer durch die Kante und sprach davon ".. antisozialistische, konterrevolutionäre Subjekte haben von langer Hand einen Umsturz vorbereitet. Dem muss begegnet werden! Die Partei weist aus diesem Grund an ..". Daraufhin haben dem Typen die Genossen bei uns gesagt: "Die Partei macht, was ihre Mitglieder sagen und nicht umgekehrt." Binnen weniger Tage quoll der Briefkasten des Parteisekretärs von den Ausweisen der Ausgetretenen über. Es gab einen Teil der ist so sozialisiert wurden, hat daran geglaubt, weil er nichts anderes kannte, aber mittlerweile sehr enttäuscht war. Dann gab es wiederum welche, die waren zum persönlichen Vorteil Mitglied der SED. Für viele jedenfalls war die Gelegenheit einmalig, sich der SED-Mitgliedschaft zu entledigen. Ein Austritt in Friedenszeiten wäre fast nicht möglich gewesen.

Also die Rolle der Systemfunktionäre und -helfer war ganz sicher nicht die, die dieser Grüne hier zu vermitteln versucht.

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