Frau müsste man sein

Anfang 2014, eine Mitarbeiterversammlung in einem deutschen Konzern. Einberufen hat die Versammlung eine Führungskraft. Anwesend sind über tausend Personen. Behandelt wird u.a. die Frage: Wie sind die Entwicklungs- und Karrieremöglichkeiten im Konzern?

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Einer, der dem Direktionsleiter unterstellten anwesenden Bereichsleiter leitet seine Antwort mit dem Satz ein: „Zuerst einmal erkläre ich die Spielregeln, denn es gibt aus meiner Sicht nichts schlimmeres, als wenn man in einem Spiel verliert, nur weil man die Spielregeln nicht kennt.“Dann äußert er sich zum Thema „Diversity“, worunter derzeit im Konzern hauptsächlich Frauenförderung verstanden wird. Er mahnt: „Der Vorstand hat festgestellt, dass es ein Problem im Unternehmen gibt. Es sind zu wenig Frauen in Führungspositionen. Für jede freie Stelle ist es deshalb Pflicht zu prüfen, ob es nicht eine kompetente Frau für die Besetzung gibt. Mit der wird es dann auf jeden Fall ‚erst einmal versucht‘.“ Nach einer kurzen Pause fügt er hinzu: „Und ich habe von einer kompetenten Frau gesprochen – nicht davon, dass sie die Beste sein muss.“ Ein Raunen geht durch die Reihen der Mitarbeiter, man merkt ihnen ihre Verstimmung an. Daraufhin fordert der Bereichsleiter die Teilnehmer auf, sich im Saal umzusehen und fragt, wie wenig Frauen es hier gebe.  Dann  zählt er auf, in welcher Anzahl Frauen im Vergleich zu Männern im letzten Jahr in Führungspositionen aufgestiegen sind.                                                                                                                                                          

Abgeschlossen wird das Thema mit der Bemerkung des Bereichsleiters: „Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass in der Vergangenheit immer die besten Bewerber aufgestiegen sind.

Schließlich  gibt es noch die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Ein Mitarbeiter erkundigt sich nach Karrierechancen in Verbindung mit einem Auslandsaufenthalt in China. Weitere Fragen gibt es nicht. Soweit der Bericht.

Natürlich war der Frauenanteil im Saal sehr gering. Nur: Wie sollen aus einer größeren Anzahl von Männern mehr Frauen aufsteigen? Das heißt doch expressis verbis: Wer Frau ist, steigt auf jeden Fall auf. Wer aber Mann ist, hat zu warten, bis es genug Frauen gibt, die in Führungspositionen sitzen.

Vielen der meist männlichen Mitarbeiter scheint es erst einmal die Sprache verschlagen zu haben, ob solcher Äußerungen einer Führungsperson. In ihren Gesichtern steht die Frage geschrieben: Wenn plötzlich für einen innerbetrieblichen Aufstieg das Frausein statt Leistung zählt, welche Chancen hat dann noch ein Mann? Und welche Motivation hat ein Mann zukünftig noch, Leistung zu erbringen?  Wie sieht es aus mit der persönlichen Karriereplanung? Was ist das für eine Spielregel, nach der von vorne herein klar ist wer gewinnen wird? Welches Spiel ermuntert unter diesen Voraussetzungen zum Mitmachen? Abgesehen von der offensichtlichen Männerdiskriminierung ist es nicht auch eine Diskriminierung der auf diese Weise eingestellten Frauen??

Bedrückend ist die Stimmung, als sich die Versammlung auflöst.

Beitrag erschien auch auf: agensev.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Freigeist

Frau müsste man sein! Lassen Sie sich umwandeln :-))

Gravatar: Blobfisch

Guten Tag Herr Esser,

zuerst möchte ich nochmal darauf hinweisen, dass ich selbst nicht unbedingt ein Fan der Frauenquote bin.
Wie Sie sagen ist es keine gute Idee, Person 1 zu befördern, obwohl Person 2 besser geeignet wäre.

Nur, soweit ich das Beurteilen kann ist genau diese Situation überall der Fall, da häufig auf eine Stelle ein bestimmter Mann eingestellt wird, obwohl eine bestimmte Frau genauso gut oder sogar besser geeignet wäre.

Nun sagen Sie, dies sei nicht erwiesen, dass Männer bevorzugt eingestellt werden. Meine Antwort darauf war, wie Sie sich dann erklären, dass es viel mehr Männer in hohen Positionen gibt als Frauen.
Meiner Meinung nach belegt alleine diese Tatsache, dass Männer bevorzugt befördert werden, da es ansonsten eine viel angeglichenere Verteilung von Männern und Frauen in Führungspositionen geben müsste.
Diese Annahme funktioniert natürlich nur, wenn man davon ausgeht, dass Frauen im Allgemeinen genauso gut geeignet sind, Führungspositionen zu bekleiden wie Männer im Allgemeinen.
Ihrem Kommentar entnehme ich deshalb, dass Sie der Meinung sind, Männer würden ganz grundsätzlich aufgrund ihrer Veranlagung als Mann die besseren Führungskräfte abgeben, und somit gäbe es einfach mehr geeignete Männer als Frauen.
Sehe ich das richtig?


Hallo Herr Globetrotter,

nun sehen Sie, zu dem Thema "es gibt einfach weniger Frauen in diesen Branchen" vertrete ich die Meinung, dass wir als Gesellschaft immer noch die (unwahren!) Werte oder Rollenvorstellung vertreten, wonach Frauen sich einfach nicht für Wissenschaften und Co. interessieren.
Wie Sie selbst sagen, ist die Bevorzugung von Männern in der Wissenschaft ein Problem.

Geht man nun davon aus, dass jungen Mädchen bereits im Schulalter vermittelt wird, dass Wissenschaften nur etwas für Männer sind und Frauen sich dafür nicht zu interessieren haben, dann haben Sie auch den Grund, warum es in Technologie und Autobranchen so viel weniger Frauen gibt.

Denn sehen Sie, das denke ich, ist genau das Problem. Wir schreiben Kindern unterbewusst durch unsere Rollenbilder und unser Schubladendenken vor, was sie mögen dürfen und was nicht.

Eine Vorstellung, wie das von statten geht, liefert diese Werbung:
https://www.youtube.com/watch?v=XP3cyRRAfX0

Sehen Sie, ich denke die Frauenquote ist auch nicht die beste Lösung, denn ich denke das Grundproblem sind genau diese verkorksten Rollenbilder, die wir dringend ändern müssen, damit es dann auch mehr Frauen gibt, die in technologische, handwerkliche, etc. Branchen vordringen, anstatt "nur" Sekretärin, Verkäuferin oder Kantinenmitarbeiterin zu werden, oder auf weniger qualifizierten Jobs "sitzen bleiben" weil ihr Interesse an höher qualifizierten Jobs zerstört wurde.

Übrigens, da Sie es ansprechen, dasselbe Problem gibt es auch mit Rassismus. Vor allem in Amerika werden auch viel öfter weiße Personen als POC (people of colour, also alle, die nicht weiß sind) eingestellt und befördert.
Durch eine entsprechende Quote wäre eben immer noch die weit verbreitete rassistische Einstellung vorhanden, die dazu führt, dass weniger POC eingestellt werden.

Das mit der Bewerbung ist sicherlich auch schon eine große Hilfe, das fände ich auch sehr gut, wenn man das einführt, würde aber natürlich nur für die schriftliche Bewerbung helfen, beim Vorstellungsgespräch gäbe es wieder dasselbe Problem.

Das mit den Männer in der Bildung und v.a. in KiTas ist im Prinzip dasselbe Problem, nur andersherum.
Unsere Rollenvorstellungen besagen eben leider immer noch, dass Männer die handwerklichen Dinge übernehmen und Frauen die Kinder hüten, den Haushalt versorgen, usw. usw.
Das ist sicherlich nicht mehr so extrem wie im 19ten Jahrhundert, aber diese Ansicht existiert noch.
Genauso wie Mädchen beigebracht wird, sich nicht für Wissenschaften zu interessieren, wird Jungen beigebracht, sich nicht für Kinderbetreuung, Erziehung und soziale Berufe zu interessieren, da dies Frauensache sei.
Und wenn wir eine männliche Krankenschwester sehen (allein die Berufsbezeichnung, die deutsche Sprache ist so furchtbar geschlechtsbezogen), dann finden wir das immer noch irgendwie seltsam und falsch.

Wie gesagt, ich kann verstehen, warum eine Quote gefordert wird. Ich kann aber auch verstehen, warum man gegen die Quote ist, da diese nur das Symptom abschwächt oder umdreht, nicht jedoch das Grundproblem löst.

Gravatar: Globetrotter

Hallo Frau Blobfisch,

interessante Meinung. Ihr Link führt zu einem Artikel über eine Studie, die zu dem resultat kommt, dass Männer in der Wissenschaft (an Universitäten und Forschungsinstituten) bevorzugt werden. DAS sehe ich durchaus als Problem, hat jedoch mit der Frauenquote, die der freien Wirtschaft auferlegt wurde, bzw. die sie sich teilweise selbst auferlegt, nichts zu tun.

Es gibt schlicht und einfach deshalb weniger Frauen in Führungspositionen (in Deutschland), weil die meisten Firmen hier Technologiekonzerne, Autobauer etc. sind und in diesen Bereichen äußerst wenige Frauen arbeiten. Bei Daimler arbeiten um die 15% Frauen. Aber nicht als Ingenieure oder im Verkauf. Diese 15% Frauen haben kein Maschinenbau, Wirtschaftsingenieurwesen, Wirtschaftsinformatik, Chemieingenieurwesen etc. studiert. Nein. Diese Frauen sind Sekretärinnen, kaufmännische Angestellte, Kantinenmitarbeiterinnen usw. Und diese Frauen können nunmal aufgrund ihrer Qualifikation nicht aufsteigen. Ergo beschränkt sich die Beförderung auf die wenigen weiblichen Ausnahmen, die hoch qualifiziert sind. Gibt es also in einer Abteilung eine neue Leitung zu besetzen und ist in dieser Abteilung auch nur EINE EINZIGE Frau, die auf dem Papier eine ausreichende Qualifikation aufweist, so bekommt sie den Job. Egal wie gut oder schlecht sie ihre Arbeit gemacht hat. Das ganze zieht sich dann natürlich bis in den Vorstand.

Und in der Vergangenheit wurden ganz sicher Männer bevorzugt. Frauen durften im 19. Jahrhundert nicht wählen und hatten kaum Rechte. Und in Amerika wurden Schwarze unterdrückt, Jahrhunderte lang sogar grausam versklavt! Sollten Ihrer Auffassung nach jetzt Afroamerikaner soviele "Weiße" töten, bis auf jeder Seite gleich viele Menschen Leid ertragen mussten, damit wieder Gerechtigkeit existiert? So sehen Sie es zumindest mit der Frauenquote, was ich ziemlich befremdlich finde.

Viel MEHR Sinn würde es doch machen, dass (wie bspw. in den USA) auf Bewerbungen (intern und extern) keinerlei Informationen bzgl. Geschlecht, Name und Nationalität angegeben werden dürfen. So haben ALLE eine faire Chance und nur die Qualifikation entscheidet. Dort können die Frauen ja dann zeigen, was sie drauf haben!

Der einzige Bereich, in dem eine Quote mMn wirklich Sinn macht, ist im öffentlichen Dienst im Bereich Bildung. Es muss pro Schulklasse mindestens einen männlichen Grundschullehrer geben, gleiches gilt für KiTaS. Kinder müssen den Kontakt zu beiden Geschlechtern haben. Aber auch dort müsste natürlich Qualifikation vor Geschlecht gehen.


PS: Die meisten Personalabteilungen sind übrigens von Frauen dominiert.

Wissen Si

Gravatar: Maximilian Esser

Hallo Frau Blobfisch,

warum sollte ich Begründungen oder gar Rechtfertigungen für einen Sachverhalt liefern, den ich für völlig unproblematisch halte?
Ich erlaube mir allerdings darauf hinzuweisen, daß Ihre Behauptung unbewiesen ist.
Die unzähligen Rechtfertigungen dazu seitens interessierter Kreis kenne ich natürlich, aber die halten einer näheren Überprüfung eben nicht Stand.

Die Forderungen nach einer Ständegesellschaft lehne ich ab. Ich lehne es ab, Herrn Meier nicht zu befördern, sondern Frau Schmitz, obwohl diese schlechter geeignet ist, nur um eine gesellschaftpolitsche Agenda zu verfolgen. Egal wie diese Agenda begründet wird oder geartet ist.

Und ich kann Herrn Meier und anderen Betroffenen nur raten, solche Firmen zu verlassen.

Schönen Gruß,

M. Esser

Gravatar: Blobfisch

Herr Esser,

erstmal müsste es bitte Frau Blobfisch heißen, vielen Dank.

zu Ihrem Punkt "erstens":
Wie erklären Sie sich dann, dass es so wenige Frauen in Führungspositionen gibt? Denn dies lässt sich durchaus beweisen.

Außerdem gab es sehr wohl Versuche, bei denen man zwei identische Bewerbungen an ein Unternehmen oder eine Universität o.ö. geschickt hat, mit dem einzigen Unterschied, dass die eine Berwerbung einen männlichen, und die andere einen weiblichen Vornamen trug.

Trotz der offensichtlich gleichen Qualifikation wurde die männliche Bewerbung in den allermeisten Fällen dieses Versuches bevorzugt.
Ein Beispiel dieses Versuches:
http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/studie-zu-frauen-in-der-wissenschaft-dozenten-bevorzugen-maenner-a-858071.html

Zum Ihrem Punkt "zweitens"

Ich meinte damit eigentlich nur, dass man lange Zeit immer nur Männer bevorzugt befördert hat und es deswegen nun sehr viel mehr Männer als Frauen in Führungspositionen gibt und dass man "den Spieß umdreht" und bevorzugt Frauen befördert, bis sich die Verteilung wieder angepasst und ausgeglichen hat.

"Sondern jedes Individuum wird einzeln betrachtet, hat je einzeln und individuell Anspruch auf Gerechtigkeit."

Das wäre schön, ist aber leider nicht so. Man wird eben gerade nicht als Individuum betrachtet, sondern danach, welchem Geschlecht, aber auch welcher Kultur und Rasse man angehört und so weiter.

Dass Sie ein Problem mit Quotenregelungen haben verstehe ich vollkommen. Ich bin auch nicht 100%ig davon überzeugt, da eine Quote nicht das Problem an sich löst, sondern nur ein Symptom des Problems einschränkt.
Ich wollte nur darlegen, warum ich die Forderung nach einer Frauenquote grundsätzlich nachvollziehen kann.

Was mich an dieser ganzen Diskussion immer stört ist der empörte Aufschrei, dass man Männer durch die Quote ja benachteiligt, und dabei komplett ignoriert, dass Frauen diese Benachteiligung tagtäglich erleben.
Man müsste daran arbeiten, die ganzen Stereotypen und verkorksten Rollenbilder in den Köpfen der Menschen zu bekämpfen, damit eben tatsächlich mal objektiv nach der individuellen Kompetenz entschieden wird, wer eingestellt und befördert wird.

Diese Werbung von Pantene verdeutlicht ganz gut, wie wir Frauen und Männer in unserer Gesellschaft unterschiedlich wahrnehmen:
https://www.youtube.com/watch?v=YNtMP1h1JRw

Gruß,

Blobfisch

Gravatar: Maximilian Esser

Herr Blobfisch,

erstens ist es eine zwar von interessierter Seite oft wiederholte, aber unbewiesene Behauptung, Männer seien befördert worden, "weil sie Männer sind".

Zweitens haben wir keine Ständegesellschaft, in der es einen Stand "Männer" und einen Stand "Frauen" gibt, die als jeweiliger Stand Anspruch auf irgendeinen, womöglich noch generationsübergreifenden, Ausgleich hätten. Sondern jedes Individuum wird einzeln betrachtet, hat je einzeln und individuell Anspruch auf Gerechtigkeit.
Quotenregelungen, die wie die oben skizzierte offen minder Qualifizierte vorziehen, und besser Qualifizierte benachteiligen, verstoßen gegen diesen Anspruch.

Und drittens kann ich nur jedem Mann raten, diese Firma umgehend zu verlassen. Sollen die Frauen halt die Arbeit machen, wenn ihnen so daran liegt.

Schönen Gruß,

M. Esser

Gravatar: Blobfisch

Betrachten Sie die ganze Sache mal andersherum:

Seit Jahrzehnten wird man in einem Unternehmen nicht befördert, weil man die beste Leistung erbringt, sondern weil man ein Mann ist. Frauen haben fast gar keine Chancen aufzusteigen.

Irgendwann fällt jemandem diese Diskrepanz auf, nämlich weil es im Unternehmen zwar viele leistungsfähige, gute Mitarbeiterinnen gibt, es aber kaum welche davon in die Führungsebene geschafft hat.

Man will diese Benachteiligung der Frauen, die sich gewissermaßen "angehäuft" hat nun also ausgleichen und abbauen, indem man für eine gewisse Zeit den Spieß umdreht, und den Frauen den Vortritt lässt.

Wie wirksam und sinnvoll diese Maßnahme ist, darüber lässt sich streiten, aber die Frage "Wenn plötzlich für einen innerbetrieblichen Aufstieg das Frausein statt Leistung zählt, welche Chancen hat dann noch ein Mann?", diese Frage stellen sich Frauen schon sehr sehr lange, nur eben genau andersherum.

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