Franziskus: „Im Gebet der Familie sind wir einander anvertraut“

Das Gebet, insbesondere das gemeinsame Gebet, ist ein wesentlicher Baustein der Beziehung zu Gott – vor allem in der Familie.

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„Für’s Gebet habe ich keine Zeit!“ – Der eine oder andere mag dieses Argument kennen, ich beziehe es auch durchaus auf mich, denn auch wenn ich weiß, dass das in den meisten Fällen, in denen ich beten sollte und es nicht tue, gar nicht stimmt, und auch wenn ich den Satz so nicht formulieren würde – im Inneren ist es doch genau die Einstellung, die zutage tritt, wenn ich mal wieder nicht bete, mein Morgengebet „schlabbere“ oder den Rosenkranz gerade jetzt doch lieber nicht bete. Umso wichtiger, dass sich der Papst dieses Themas bei seiner 100. Generalaudienz angenommen hat, in der es wieder um die Familie ging.

Der Papst hat eine Begabung, gerade die Liebe Gottes zu uns in fast poetischen Worten auszudrücken, die es manchen erscheinen lassen, als sei sein Blick auf Gott naiv. Ich dagegen glaube eher, er hat etwas von der Liebe Gottes verstanden, das mir – jedenfalls im Alltag – abgeht. Dabei spricht der Papst zu Beginn seiner Katechese eher von der Liebe des Menschen zu Gott, die ihn zum Gebet führen sollte (Zitate hier wie im Folgenden von Zenit):

Wir können uns eine sehr einfache Frage stellen. Es ist in Ordnung, mit dem ganzen Herzen an Gott zu glauben, auf seine Unterstützung in Schwierigkeiten zu hoffen, eine Verpflichtung zum Dank an ihn zu empfinden. Aber verspüren wir dem Herrn gegenüber auch ein wenig Zuneigung? Sind wir beim Gedanken an Gott bewegt, verwundert, gerührt?

Denken wir an den Wortlaut des großen Gebotes, das die Grundlage aller anderen darstellt: „Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft“ (Dtn 6,5; vgl. Mt 22,37). In diesen Worten wird die innige Sprache der Liebe verwendet und auf Gott ausgegossen. Der Geist des Gebetes wohnt vor allem dort. Und wenn er dort wohnt, so verweilt er die gesamte Zeit und geht niemals fort. Können wir uns Gott als jene zärtliche Berührung vorstellen, die uns am Leben erhält und vor der es nichts gibt; als eine zärtliche Berührung, von der uns nichts – nicht einmal der Tod – trennen kann?

Also, ich bekomme bei diesen Sätzen einen mindestens kleinen Kloß im Hals: Ich weiß, das mein Gebet so sein sollte, von der Liebe zu Gott geprägt, es aber meistens nicht ist. Gott als der, dem ich danke, Gott als der, den ich lobe, Gott als der, den ich um etwas bitte – das alles kommt in meinen Gebeten vor. Aber Gott als der, den ich „mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft“ liebe? Ich beneide jeden, der das immer so spürt, und ich glaube, ich kenne Menschen, bei denen das so ist und die darum auch eine ganz besondere Beziehung zu Gott haben; oft sind es Priester oder Ordensleute.

Dabei ist das eigentlich Überraschende, das Gott mich trotz dieses Mangels liebt – und der erste Schritt zu innigerer Liebe zu ihm ist es wohl, sich dessen bewusst zu werden. Der Papst dazu:

Doch nur wenn Gott die Zuneigung all unserer Zuneigungen ist, gelangen diese Worte zur vollen Verwirklichung. Dann empfinden wir Glück und auch ein wenig Verwirrung, denn er denkt an uns und liebt uns vor allem! Ist dies nicht beeindruckend? Ist es nicht beeindruckend, dass Gott uns mit der Liebe eines Vaters zärtlich berührt? Dies ist von großer Schönheit! Er hätte sich einfach als das höchste Wesen zu erkennen geben, seine Gebote erteilen und auf die Ergebnisse warten können. Stattdessen hat Gott unendlich mehr vollbracht. Er begleitet uns auf dem Weg des Lebens, schützt uns und liebt uns.

Da ist er wieder, der Kloß im Hals, nicht aus Trauer, sondern aus dem Glücksgefühl heraus zu wissen, dass Gott mich – trotz allem – liebt. Wenn ich oben vom Mangel an Liebe zu ihm gesprochen habe, und von Menschen, die offenbar in der Lage sind, ihn besonders zu lieben, dann bedeutet das nicht, dass diese Liebe zu Gott nur besonderen Menschen möglich wäre, man als „Normalgläubiger“ das nicht erreichen könnte. Gott will das jedem von uns schenken, und die einzige Kunst (nicht missverstanden als Übung, bitte) besteht darin, dieses Geschenk anzunehmen, sich lieben zu lassen und zurück zu lieben.

Dafür braucht es aber ein gewisses Gespür, das uns ins Herz gelegt ist, nicht selten aber verschüttet wird. Darum ist es so wichtig, in der Familie das Gebet zu pflegen, die Liebe zu Gott zu pflegen. Wieder der Papst:

Ein von der Zuneigung zu Gott bewohntes Herz macht auch aus einem Gedanken ohne Worte, einer Anrufung vor einem Heiligenbild oder einem der Kirche gesandten Kuss ein Gebet. Es ist schön, wenn Mütter ihre Kinder anleiten, Jesus oder der Gottesmutter einen Kuss zu schenken. Wie viel Zärtlichkeit liegt in dieser Geste verborgen! In diesem Augenblick verwandelt sich das Herz der Kinder in einen Ort des Gebetes. Es handelt sich um ein Geschenk des Heiligen Geistes. Vergessen wir niemals, dieses Geschenk für einen jeden von uns zu erbitten, denn der Geist Gottes hat die besondere Eigenart, das Wort „Abba“ – „Vater“ in unser Herz einströmen zu lassen. Er lehrt uns, „Vater“ genauso wie Jesus zu sagen; in einer Art und Weise, die wir alleine nicht zu finden vermögen würden (vgl. Gal 4,6). In der Familie wird vermittelt, dieses Geschenk des Geistes zu erbitten und zu schätzen. Wenn man dies ebenso spontan erlernt wir das Aussprechen der Worte „Vater“ und „Mutter“, so wird man es nie mehr vergessen. Wenn dies geschieht, wird die Zeit des gesamten Familienlebens vom Schoß der Liebe Gottes umgeben und wird sich von selbst auf die Suche nach der Zeit für das Gebet begeben.

Gerade aber in der Familie fehlt nicht selten die Zeit zum Gebet: Arbeit, Haushalt, Schule, Erziehung, Schlafenszeiten, Erholung … wo ist da noch die Zeit, sich – auch noch gemeinsam – hinzusetzen, und zu beten? Am Beispiel von Martha und Maria macht der Papst deutlich, dass die Zeit des Gebetes uns geschenkt wird, oder „die Zeit, die wir Gott geben, […] uns zurückgeschenkt [wird].“ Martha wird klar, dass der „bessere Teil“ darin liegt, Jesus zu hören, seinen Worten zu lauschen, viel wichtiger ist als ihn zu bedienen. Die Prioritäten verschieben sich – Martha wird nicht den Haushalt vernachlässigt haben, aber doch dafür gesorgt haben, Jesus ausreichend persönliche Zeit zu widmen.

Daraus wird auch deutlich, wie man das Gebet gestalten kann, wie man die Liebe zu Gott „erlernen“ kann, nämlich im Lesen der Heiligen Schrift. Ich gebe zu, wir beten mit unseren Kindern zu den Mahlzeiten und abends, wir haben einen ganzen Haufen Kinderbibeln zu Hause, aber wirklich sein Wort hören, es gemeinsam lesen und darüber sprechen? Natürlich ist das nicht ganz leicht, vor allem nicht mit kleinen Kindern. Aber wer Kindern Geschichten vom Raben Socke oder Benjamin Blümchen vorlesen kann, der kann ihnen auch kindgerecht wiedererzählte Geschichten aus der Bibel vorlesen. Noch einmal dazu der Papst:

Das Gebet sprudelt aus dem Hören auf Jesus, aus der Lektüre des Evangeliums. Vergesst nicht, jeden Tag einen Abschnitt aus dem Evangelium zu lesen. Das Gebet sprudelt aus der Vertrautheit mit dem Wort Gottes. Existiert in eurer Familie Vertrautheit? Gibt es in unserer Wohnung ein Evangelium? Öffnen wir es manchmal, um gemeinsam daraus zu lesen? Betrachten wir es während dem Rezitieren des Rosenkranzes? Das in der Familie gelesene und betrachtete Evangelium ist wie gutes Brot, das das Herz aller nährt. Morgens und abends, wenn wir uns am Tisch versammeln, lernen wir, mit großer Einfachheit gemeinsam ein Gebet zu sprechen: Jesus tritt in unsere Mitte wie in die Familie von Martha, Maria und Lazarus.

Das mag für den einen oder anderen abgehoben klingen: Kennt denn der Papst gar nicht die akuten Probleme im Familienleben, darin, die Familie zusammen zu halten, geschweige denn sie im Gebet zu versammeln? Seine Kenntnis der Problematik macht der Papst aber sehr wohl deutlich, wenn er dazu auffordert, den Kindern erst mal oder zumindest beizubringen, ein Kreuzzeichen zu machen, sie auf diese Weise das Beten zu lehren. Man lernt eben das Beten, das Sprechen zu Gott und das Hören auf ihn, seine Liebe wahrzunehmen und ihn zu lieben … indem man es tut. Wenn also das oben gesagte dem einen oder anderen zu schwer oder zu theologisch klingt, dann ist das mein Fehler, nicht der Fehler Gottes. Ich glaube, man kann beim Beten nicht wirklich etwas falsch machen. Wer sich bemüht, Gott zu lieben, seine Liebe zu erspüren und ihn besser kennenzulernen, dem wird sich Gott auch öffnen – mal schneller, mal langsamer, aber doch.

Damit kann ich zum Abschluss nur einladen, über den letzten Satz der Katechese nachzudenken:

Im Gebet der Familie, in den starken Augenblicken und schweren Zeiten sind wir einander anvertraut, sodass ein jeder von uns in der Familie von der Liebe Gottes geschützt sei.

Die letzten Worte, die ich unseren Kindern abends sage, wenn wir sie ins Bett bringen und ich ihnen einen Segen gebe sind: „Mama hat dich lieb, Papa hat dich lieb, deine Schwester / dein Bruder hat dich lieb … aber ganz besonders lieb hat dich der liebe Gott, und der passt auf dich auf!“ Ich hoffe, dass davon, trotz des formalhaften Satzes, etwas hängen bleibt und sich in Liebe zu Gott und zum Gebet wandelt.

Beitrag erschien auch auf: papsttreuerblog.de 

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Thomas Rießler

Christen haben Gott zum Lehrmeister, der sie in alle Wahrheit führt. Bei Atheisten besteht dagegen immer die Gefahr der Selbstüberhöhung (da sie sich für Weise hielten, sind sie zu Narren geworden). Philosophen haben schon so viel Unsinn produziert, dass es sich aus meiner Sicht überhaupt nicht mehr lohnt, sich damit außer zum Zweck der Hilfestellung zu beschäftigen. Wenn sich der Mensch von Gott abwendet, erwählt er letztlich nur einen anderen Herrn über sich, der es nicht so gut mit ihm meint.

Gravatar: Joachim Datko

Zu Rießler 14:36 Zitat: "Christlich erzogene Kinder durchschauen Indoktrination in der Regel besser als atheistisch Erzogene und die Christen können auch besser zwischen Wahrheit und Lüge unterscheiden."

Es ist das kritische Denken, frei von Autoritätshörigkeit, das uns meist vor Lügen schützt. Streng religiöse Menschen haben schon verloren, sie sitzen in einem geistigen Gefängnis.

Gravatar: Thomas Rießler

Joachim Datko, es ist gerade anders herum. Kinder werden von ihren Eltern christlich erzogen, indoktriniert werden sie von atheistischen Organisationen außerhalb des Elternhauses. Christlich erzogene Kinder durchschauen Indoktrination in der Regel besser als atheistisch Erzogene und die Christen können auch besser zwischen Wahrheit und Lüge unterscheiden.

Gravatar: Joachim Datko

Zu Thomas Rießler 22:51

Herr Rießler zeigt das perfide System der religiösen Indoktrination auf.

Früher wurden die Menschen von Geburt auf regelrecht christlich gemacht.

Selbst Herr Joseph Ratzinger ist nicht durch Überlegung Christ geworden, sondern durch religiöse Indoktrination. Er wurde schon am Tage der Geburt getauft und streng religiös erzogen. Sein Bruder, in Regensburg Kapellmeister der Domspatzen, war gegenüber den jungen Sängern manchmal sogar aggressiv, wenn sie seine Vorstellungen vom himmlischen Gesang nicht erfüllen konnten, so schlimm war ihm das Christentum eingetrichtert worden.

Gravatar: Thomas Rießler

Joachim Datko, ich wurde als Kind getauft und bin froh darüber, dass meine Eltern diese Entscheidung zu meinem Wohl getroffen haben. Auch an meine Zeit in einem christlichen Kindergarten denke ich gerne zurück. Ich denke, dass sich ein Kind glücklich schätzen kann, wenn es in einem christlichen Elternhaus aufwächst und ihm die falschen Versprechungen der Atheisten erspart bleiben. Aber letztlich ist es die Sache Gottes, welche Verführungen er bei wem zulässt.

Gravatar: Joachim Frankenstein

@ Herrn Datko

Genau. Statt Taufe lieber zärtliche Massage von Scheide und vor allem Klitoris bei Kleinkindern, um beizeiten die Entwicklung von Stolz auf die Geschlechtlichkeit zu fördern.

Schon klar, Herr Datko, es handelt sich dabei um die von der deutschen Exekutive auf allen Ebenen abgesegnete weibliche Initiation, die allein dem Selbstbestimmungsrecht entspricht, besonders dem weiblichen.

Gravatar: Joachim Datko

Die abrahamitischen Religionen Judentum, Christentum und Islam akzeptieren das Selbstbestimmungsrecht nicht.

Zitat:
Rießler 12:01 "Das Gelaber vom Selbstbestimmungsrecht bei Schutzbedürftigen [...]"

Die Kleinkindtaufen sind eine "Sünde" gegen das Selbstbestimmungsrecht. Kirchen sind nicht geeignet Kindergärten zu betreiben, sie sind eine Gefahr für die geistige Selbstständigkeit.

Gravatar: Manfred Ferrari

Als ich den Text der letzten Katechese des Papstes las, rieb ich mir die Augen. Hat er diesen Text wirklich selbst verfasst, fragte ich mich? Der Zweifel daran ist kaum angebracht. Dieser Papst hat unglaublich viele Facetten, auch die von einer tiefen Spiritualität, die uns näher zu Gott führen kann. Es ist nicht einfach den Spagat zu schlagen zwischen der hochpolitischen Botschaft, die er den Teilnehmern der sozialen Bewegungen in Bolivien verkündete und der feinfühligen Katechese auf dem Petersplatz. Papst Franziskus ist wahrlich ein Mensch, der nicht so leicht einem kirchlichem Lager zugeordnet werden kann.

Gravatar: Thomas Rießler

Joachim Datko, Ihr Hass auf das Göttliche und die gläubigen Menschen eint Sie mit den Neomarxisten. Die haben ebenfalls Gott und Familie als Feindbild und reden vom Selbstbestimmungsrecht. Erziehung und Schutz der Kinder ist Sache der Eltern. Das Gelaber vom Selbstbestimmungsrecht bei Schutzbedürftigen scheint mir nichts weiter als ein Trick zu sein, um leichter an die Kinder anderer Menschen heranzukommen.

Gravatar: Joachim Datko

Kinder nicht zwingen, zu beten!

Streng religiöse Menschen neigen dazu, anderen ihre Vorstellungen aufzudrängen. Das kann auch in der Familie geschehen.

Zitat: "Franziskus: „Im Gebet der Familie sind wir einander anvertraut“"

Streng religiöse Eltern sollten ihre Kinder nicht zwingen, mit ihnen zu beten, das wäre eine "Sünde" gegen das Selbstbestimmungsrecht der Kinder.

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