Erfolgreiche beleidigte Leberwürste

Früher gab es dafür den Begriff der beleidigten Leberwurst, aber nachdem jeder, der sich heute beleidigt fühlt mit Verständnis und sogar mit medialer Aufmerksamkeit rechnen darf, scheint es eher ein Volkssport zu werden, beleidigt zu sein. Irgendwie bekomme ich in fast jede Aussage, die mich entfernt betrifft, eine Beleidigung hineininterpretiert.

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Auf einer Aldi-Seifenflasche wird eine Moschee abgebildet – und offenbar fühlen sich nicht wenige Moslems beleidigt. Der Papst sagt, dass man als guter Katholik hinsichtlich der Fortpflanzung nicht wie ein Kaninchen sein müsse – und kinderreiche Familien meinen, als Karnickel beleidigt worden zu sein – und sogar Kaninchenzüchter schaffen es mit einer Beschwerde über die Verunglimpfung ihrer Lieblingstiere in die Presse.

Nun sind Beleidigungen nie schön, und je nach Art und Intensität kann eine Beleidigung durchaus auch Schäden hinterlassen, die über ein momentanes Gefühl des Beleidigtseins hinaus geht. Da letzteres nicht leicht nachzuweisen ist, bin ich – wie wohl viele – der Ansicht, dass man eine strafrechtliche Verfolgung von Beleidigungen mindestens mal sehr restriktiv handhaben sollte. Gleichzeitig öffnet so etwas aber auch Tür und Tor für einen Missbrauch vorgegaukelter oder herbeigeredeter Gefühle: Wer sich beleidigt fühlt, ist beleidigt worden, und der Beleidigende unter Zugzwang zu widerrufen, sich zu entschuldigen oder sich zumindest zu erklären.

Dabei ist es doch so: Die Aldi-Seifenflasche sollte eine positive Konnotation mit der orientalischen Kultur herstellen, symbolisiert durch eine Moschee. Es ist also eine Wertschätzung, wenn ein islamisch geprägtes Gebäude auf einem Produkt auftaucht. Ich weiß auch nicht, ob ich eine Kirche auf einer solchen Flasche wirklich passend fände, aber wenn es eine Zwiebelturmkirche vor einem Bergpanorama wäre, wüsste ich, dass damit Alpenfrische gemeint wäre und keine Verunglimpfung der katholischen Kirche darstellte. Solange Kirche oder Moschee nicht auf jedem einzelnen Toilettenpapierblatt aufgedruckt sind, kann ich darin keine Beleidigung entdecken. Es sei denn, ich wäre auf der Suche nach einem Grund beleidigt zu sein … wenn ich mich richtig anstrengen würde, käme ich auf den Gedanken, in einer solchen Seifenflasche eine Beleidigung meiner Kultur oder einer Religion zu sehen. Von da aus ist es nur noch ein kleiner Schritt zur persönlichen Beleidigung. Voilà … ich bin beleidigt, und gegen dieses Gefühl ist jede Erläuterung des Anderen machtlos.

Und der Papst, was hat er gesagt: “Einige glauben – entschuldigt bitte das Wort -, um gute Katholiken zu sein, müssen wir sein wie Kaninchen, nicht wahr? Nein. Verantwortete Elternschaft. Das ist klar.” Nochmal zum Mitschreiben der zentrale Satz: Einige glauben, um gute Katholiken zu sein, müssen wir sein wie Kaninchen. An keiner Stelle hat der Papst gesagt, kinderreiche Familienn seien wir Kaninchen. An keiner Stelle steht da, das Kinderreichtum ein Mangel sei. Man ist bei denen, die sich beleidigt fühlen, geneigt zu sagen: Wer sich den Schuh anzieht, dem passt er offenbar! Wenn ich mich auf die Suche begebe nach einer Beleidigung werde ich aber natürlich fündig – allein der hergestellte Zusammenhang zwischen Fortpflanzung, Kinderreichtum und Kaninchen löst offenbar einen Reflex aus: In diesem Satz des Papstes muss sich eine Beleidigung verstecken! Nein, tut sie nicht!

Früher gab es dafür den Begriff der beleidigten Leberwurst, aber nachdem jeder, der sich heute beleidigt fühlt mit Verständnis und sogar mit medialer Aufmerksamkeit rechnen darf (ich erinnere nur an die #Aufschrei-Kampagne einer offenbar unterbeschäftigten Studentin, deren Empörung über ungelenke Komplimente von Männern ihr einen Platz in Talkshows verschafft hat), scheint es eher ein Volkssport zu werden, beleidigt zu sein. Irgendwie bekomme ich in fast jede Aussage, die mich entfernt betrifft, eine Beleidigung hineininterpretiert. Dabei wäre es recht einfach, sich das abzugewöhnen: Statt nach einer versteckten Beleidigung zu suchen, oder falls ich auf eine solche gestoßen sein sollte, könnte ich mir auch die Frage stellen, was der Andere denn gemeint haben könnte, dass es mich nicht beleidigt. Im Anderen zunächst mal den guten Willen und nicht den Gegner zu suchen, das scheint eine Tugend zu sein, die selbst unter Christen unterzugehen droht – und ich nehme mich da gar nicht aus. Kurz gesagt: Entspannen wir uns alle mal und nehmen uns und unsere eigenen Gefühle nicht so wichtig!

Sowas bringt einen natürlich nicht auf die Titelblätter und in die Nachrichten, aber das sollte auch nicht unser erstes Ziel sein.

Zuerst erschienen auf papsttreuerblog.de

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