Engels Prognose

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Im Jahr 1887 gab Friedrich Engels eine erstaunlich exakte Prognose für den nächsten Krieg ab, indem er orakelte, es sei für "Preußen-Deutschland" kein anderer Waffengang mehr möglich "als ein Weltkrieg", dessen Dimensionen er folgendermaßen abschätzte: "Acht bis zehn Millionen Soldaten werden sich untereinander abwürgen", und dabei würden "die Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges zusammengedrängt in drei bis vier Jahre und über den ganzen Kontinent verbreitet" (dass die Entwicklung der Artillerie zumindest im Westen zu einem jahrelangen Grabenkrieg nahezu ohne Raumgewinn führen werde, konnte Engels nicht ahnen, das ahnten ja nicht einmal die Militärs). Ferner prophezeite der Kommunistenführer "Hungersnot", "allgemeinen Bankrott" sowie den "Zusammenbruch der alten Staaten und ihrer traditionellen Staatsweisheit, derart, daß die Kronen zu Dutzenden über das Straßenpflaster rollen". Und ganz am Ende, natürlich, – keine Prognose ist vollkommen – "die Herstellung der Bedingungen des schließlichen Siegs der Arbeiterklasse".

Rechtgläubige Kommunisten könnten jetzt einwenden, auch dies sei eine zutreffende Vorhersage gewesen, immerhin habe die Revolution in Russland gesiegt, doch gab es in diesem Agrarland weder eine zahlenmäßig relevante Arbeiterklasse, noch hatte der Marx-Dioskure bei seiner Weltgeistplanvorschau das Zarenreich im Blick. Weit interessanter und letztlich alle Prophezeiungen über den Haufen werfend ist indes, dass ausgerechnet das Deutsche Kaiserreich, aus Engels' Warte die reaktionärste Macht des gesamten Kontinents, die russische Revolution beförderte, indem sie den bolschewistischen Bandenchef heimlich ins Land schleuste und seine Spießgesellen auch finanziell unterstützte, um nach erfolgtem Umsturz einen Separatfrieden im Osten auszuhandeln – eine der bizarrsten Koalitionen der Weltgeschichte. Und gleichzeitig eine wunderbare Illustration der Tatsache, dass die Geschichte letztlich doch immer nur macht, was sie will, und auch die gescheiteste, fundierteste Vorhersage vor Klios überbordender Phantasie und ihrem wilden Drang ins Anarchisch-Unerwartete kapitulieren muss.

Beitrag erschien zuerst auf: michael-klonovsky.de

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