„EINE KRÄFTIGE STIMME FÜR MENSCHEN AUF DER FLUCHT“ – RECHT UND GRENZEN VON „ADVOCACY“

Zwei DMG-Mitarbeiter, die in Deutschland in der Migrantenhilfe aktiv sind, fordern: Abschaffung der Residenzpflicht für Flüchtlinge, besseren Zugang zu Sprachkursen, Bildung, Arbeit und Sozialleistungen.

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Bilder von schiffbrüchigen Flüchtlingen in fast jeden TV-Nachrichten; die Zahl der Asylbewerber auf neuen Höchstständen; überfüllte Migrantenunterkünfte – die Welt ist wahrlich in Bewegung geraten: wegen Krieg und purer Not verlassen viele in Syrien und Afghanistan, in Eritrea und Niger ihre Heimat und suchen im wohlhabenden Europa Arbeit und Unterkunft. Man schätzt, dass allein in diesem Jahr weltweit 350.000 Menschen über das Meer geflüchtet sind; im Mittelmeer kamen mindestens 3500 um. Es ist daher nur zu begrüßen, dass sich in Deutschland auch Christen um diese Flüchtlinge kümmern. Und in der Weihnachtszeit gedenken Kirchen zu Recht der Flüchtenden, denn Teil der Geburtsgeschichte ist ja auch die Flucht der „heiligen Familie“ nach Ägypten (s. Mt 2,13–15).

In „DMG informiert“ Nr. 5/2014 schreiben nun aber zwei DMG-Mitarbeiter, die in Deutschland in der Migrantenhilfe aktiv sind: „Die Kirchen und Diakonischen Werke setzen sich seit Jahren für Flüchtlinge und Asylsuchende ein. Sie fordern die Abschaffung der Residenzpflicht, besseren Zugang zu Sprachkursen, Bildung, Arbeit und Sozialleistungen. Es wäre wünschenswert, wenn sich mehr Freikirchen dem anschließen würden, damit wir gemeinsam eine kräftige Stimme für Menschen auf der Flucht sind, wie es die Bibel in Sprüche 31,8f sagt: ‘Tu deinen Mund auf für die Stummen und für die Sache aller, die verlassen sind… und schaffe Recht dem Elenden und Armen’.“

Es ist natürlich richtig, dass Gemeinden je nach ihren Möglichkeiten den Verfolgten und Flüchtenden vor Ort helfen. Vieles, was in dem Beitrag dann geschildert wird (wie Aufnahme von Glaubensgeschwistern und Migrantenarbeit), ist nur zu unterstützen und zu loben. Doch dieser Absatz zu Eingang zeigt auch, in welche Lage sich die evangelikale Sozialethik hineinmanövriert hat.

Denn welcher Einsatz wird hier zuerst genannt? Die Landeskirchen mit ihren Werken fordern „Abschaffung der Residenzpflicht, besseren Zugang zu Sprachkursen, Bildung, Arbeit und Sozialleistungen“. Dem sollten, so die Autoren, nun auch die Freikirchen zustimmen. All dies klingt für unsere Ohren heute ganz normal, doch worum geht es hier? Die Abschaffung der Residenzpflicht (Verpflichtung von Asylbewerbern, sich in einem bestimmten Gebiet wie Regierungsbezirk oder Bundesland aufzuhalten) mag aus praktischen politischen Gründen sinnvoll sein – oder eben nicht. Ich glaube kaum, dass es ein Gebot christlicher Ethik ist, ihre Abschaffung zu fordern. Es geht dann vor allem (wenn auch nicht nur) um staatliche Geldleistungen. Dies scheint auf den ersten Blick immer richtig zu sein, betragen die öffentlichen Haushalte in der Summe doch viele hundert Milliarden Euro. Da wird für die Flüchtlinge doch wohl etwas mehr drin sein? Übersehen wird dabei leicht, dass die Bundesrepublik sich im internationalen Vergleich schon jetzt sehr stark finanziell engagiert und zumindest Asylbewerber recht gut dastehen.

Zweitens wird übersehen (oder nirgendwo zu verstehen gegeben), dass es sich bei diesen Mitteln um Steuergelder handelt. In den Chor der Kirchen einstimmen hieße also letztlich, mehr Steuermittel zu fordern. Das geht immer, und dazu gehört wahrlich nicht viel Expertise – schließlich ist der Staat in der öffentlichen Wahrnehmung dazu in der Lage, alle und jeden Anspruch zu befriedigen. Was dies dann aber mit dem Recht der Armen und Flüchtlinge zu tun hat, steht auf einem anderen Blatt.

Die EU steht vor der großen Herausforderung, ihre Flüchtlingspolitik neu zu regeln. So wie jetzt geht es offensichtlich nicht mehr weiter, denn der Verteilungsschlüssel des Dubliner Abkommens funktioniert nicht. Man unterschätze dabei jedoch nicht die Kompliziertheit des Problems, da auch die Interessen der einzelnen Staaten in Europa auseinandergehen. Eine „kräftige Stimme“ der Kirchen wird hier den Verantwortlichen in Berlin und Brüssel und in den Kommunen nur wenig helfen.

Warum, so muss man doch vor allem fragen, sollten mehr Sozialleistungen – also Steuerleistungen – gefordert werden und nicht mehr kirchliche Leistungen? Die deutschen Kirchen sind im internationalen Vergleich sehr wohlhabend. Die Landeskirchen verzeichnen Rekordeinnahmen dank Kirchensteuer. In den letzten Jahrzehnten ist jedoch der Anteil der Mittel, der in pastorale und gemeindliche Dienste fließt, zurückgegangen – und die kirchliche Verwaltung verschlingt nun deutschlandweit viele hundert Millionen Euro. Wäre es nicht an der Zeit, wenn die EKD-Kirchen und Werkehier zuerst ansetzen? Wenn der Bürokratie-Kuchen zu Gunsten der konkreten Flüchtlingshilfe beschnitten wird? Sollten nicht gerade diejenigen, die sich das Gute auf die Fahnen geschrieben haben, bereit sein, freiwillig ihr Budget zu durchforsten, Gehälter zu kürzen und z.B. überflüssige Stellen in der Bürokratie zu streichen?

Es ist billig von einem Staat, der sich mit Aufgaben überhäuft hat und seinen Hauptverpflichtungen nicht mehr ordentlich nachkommt, zu fordern: mach das Portemonnaie auf. Das kann im Einzelfall natürlich richtig sein, aber so pauschal vorgetragen hilft dies nicht weiter. Der Staat müsste Mittel umverteilen (aber wo kürzen? Bei der schon jetzt unterbesetzten Polizei? Oder ausgedünnten Verwaltungsämtern? Oder etwa im Budget der ärmlichen Bundeswehr?), er könnte sparen (d.h. die Steuerverschwendung eindämmen, aber das hilft direkt den Flüchtlingen auch nicht weiter) oder Steuern erhöhen.

Was auch immer der Staat tut – er arbeitet meist mit Mitteln des Zwangs, was bei der Eintreibung der Steuern am offensichtlichsten ist. Dieser Zwang ist notwendig bei der Durchsetzung von Recht und Gerechtigkeit. Doch wenn es um Wohltaten geht, um Taten der Nächstenliebe und Barmherzigkeit, darf nur sehr begrenzt auf Zwangsmaßnahmen zurückgegriffen werden.

Heute wird dagegen gerne so gut wie alles zu einer Frage des Rechts und der Gerechtigkeit erklärt, was in der Sache alles andere als hilfreich ist. Ist es z.B. ein wirkliches Recht der Flüchtlinge, auf hoher See oder gar vor der Libyschen Küsten aus dem Meer gefischt zu werden? Schaffe Recht den Armen und Elenden – bedeutet dies, dass sich Christen dafür einsetzen müssen, dass die EU das gesamte südliche Mittelmeer überwacht? Und hat Ministerpräsident Kretschmann – immerhin ein Grüner, der doch so gut wie immer auf der moralisch ‘richtigen Seite’ steht und sich ja auch klar zum katholischen Glauben bekennt – dem Grundsatz der Gerechtigkeit entgegengehandelt, als er im Bundesrat für leichtere Abschiebungen in einige Balkanstaaten stimmte?

Zwischen Gerechtigkeit und Barmherzigkeit (oder Brüderlichkeit wie Frederic Bastiat es formulierte) muss klar unterschieden werden. Ansonsten wird „eine kräftige Stimme für…“ falsch verstanden, d.h. es wird von den Falschen das Falsche gefordert. Wir sollen nun tatsächlich unsere Stimmen erheben für Menschen, deren Rechte grob verletzt werden wie z.B. verfolgte Christen oder unterdrückte Anhänger anderer Religionen. Schwache und Minderheiten stehen in der Gefahr, dass ihnen von Mächtigen Rechte entzogen werden. Hier sind auch die Christen als Advokaten (im weiteren Sinne) gefordert, die ihre Rechte in Erinnerung rufen und sich dafür einsetzen. Ein wichtiges Beispiel sind natürlich die Ungeborenen, die als besonders Schwache  Anwälte, Fürsprecher, brauchen, die sich für ihr Recht auf Leben einsetzen.

Forderungen nach Einhaltung von Rechten sind vor allem an staatliche Organe zu richten, da, wie gesagt, die Durchsetzung des Rechts (mit Mitteln der Gewalt) letztlich in ihren Händen liegt. Anders sieht dies bei Forderungen nach Wohltaten, Nächstenliebe (im engeren Sinne), Barmherzigkeit, Brüderlichkeit aus. Hier ist nicht der Staat der erste Adressat, sondern die Bürger in ihren Verbänden, die Kirchen, die Wirtschaftsunternehmen usw. Hier herrscht der Geist der Freiwilligkeit, denn Zwangsmaßnahmen sind mit echter Barmherzigkeit und echtem Teilen nicht vereinbar.

Auch die aktuelle Dezember-Nummer des Magazins „Cicero“ widmet sich dem Thema „Das Flüchtlingsdrama und die Deutschen“. Die Illustration auf dem Titel zeigt schwimmende Flüchtlinge und den Bug einer Luxusjacht mit Pool – und einer einzigen Person. Die ironische, bissige Überschrift: „Das Boot ist voll“. Tatsächlich ist das Boot Deutschland ganz und gar nicht voll. In den nächsten Jahrzehnten benötigt das Land jährlich hunderttausende Zuwanderer, um der demographischen Entwicklung entgegenzusteuern. Der Staat muss hierfür den Rahmen setzen und damit diese Zuwanderung in der einen oder anderen Weise steuern. Natürlich hat er auch für eine ordentliche Aufnahme von Migranten zu sorgen. Vor einer noch größeren Herausforderung stehen aber die Menschen auf dem Boot: sie müssen – um im Bild zu bleiben – andere an ihre Liegestühle und an den Pool lassen, also aus freien Stücken zu teilen lernen. Einen konkreten Vorschlag zum tatsächlichen Zusammenrücken machte hier ja ein CDU-Abegordneter, s. hier. (Hier hat das Bild der Jacht aber auch seine Grenze, denn Migranten wollen es sich ja nicht am Pool nur gutgehen lassen, sondern allermeist sich ihren Lebensunterhalt selbst erarbeiten.)

Von Wunschlisten und Forderungspapieren

Leider hat die weitweite „Micha-Initiative“ (Micah challenge) in diesem Bereich viel Verwirrung gestiftet. Denn die Hauptstoßrichtung der Initiative ist advocacy – ein Advokat oder Anwalt für jemanden werden, seine Stimme erheben, sich einsetzen – auch der oben zitierte Beitrag beginnt ja damit. Christen sollen inadvocacy trainiert und dafür ausgerüstet werden. Sie sollen sich einsetzen für die Millenniums-Entwicklungsziele (MDG) der UNO.  Die Stoßrichtung ist also nicht direkter Machtmissbrauch und Verachtung des Rechts. Vor allem (wenn auch nicht nur) richtet man sich an Leiter in Staat und Politik: „Wir wollen sie herausfordern und bitten, sich für die MDGs stark zu machen“ („Über Armut reden – Christen im Gespräch mit Bundestagsabgeordneten“).

Ähnlich im „Micha-Aufruf“: „Wir fordern internationale und nationale Entscheidungsträger, sowohl der reichen als auch der armen Nationen auf, ihr öffentliches Versprechen zur Erreichung der Millenniumentwicklungsziele einzuhalten und dadurch die Armut bis zum Jahr 2015 zu halbieren… Von nationalen und internationalen Verantwortungsträgern verlangen wir Rechenschaft bezüglich ihrer Verpflichtung, sich für eine gerechtere und barmherzigere Welt einzusetzen.“

Hier wird sehr breit und umfassend formuliert. Wer ist schon gegen eine gerechtere und barmherzigere Welt? Halbierung der Armut – wer könnte Einwände haben? Welches ist aber nun die tatsächliche Verantwortung von Regierenden und Kirchen? Richtig konkret wird es selten. Und wenn, dann geht es um staatliches Geld: „Die Micha-Initiative fordert, dass die Bundesrepublik ihren Beitrag zur Erreichung der MDGs leistet. Konkret bedeutet das, dass… der Schuldenerlass für arme Länder fortgesetzt und ausgeweitet wird“. Auf der internationalen Seite des „Micah challenge“ heißt es, dass Politiker aufgefordert werden „to release funds“ – sie sollen Gelder freigeben. Unter der Rubrik „Material“ befindet sich auf der deutschen Seite im Wesentlichen nur eine Broschüre (bzw. ein Link zu ihr), und darin: „Noch immer stirbt alle drei Sekunden ein Kind an den Folgen extremer Armut.“ Was ist dagegen zu tun? Es wird zu verstehen gegeben, dass dies Problem recht einfach zu lösen ist: der deutsche Bundestag muss nur einer Erhöhung der Entwicklungshilfemittel auf 0,7% des BIP zustimmen. Und im Text „Warum engagiert sich die Deutsche Evangelische Allianz in der Micha-Initiative“ unter Punkt 7: „Die Millenniums-Entwicklungsziele sind richtig und gut, wenn auch zu wenig ambitioniert. Das Geld ist da. Für andere Zwecke findet es sich in fast unvorstellbarer Höhe. Wir sollten Politiker ermutigen und unterstützen, wenn und wo sie Richtiges vorhaben, planen, tun. Dann stehen wir an ihrer Seite.“

Der Tenor ist eindeutig: Das Geld ist da; lasst uns damit Gutes tun; lasst uns die Politiker ermutigen, Geld auszugeben. Doch warum richtet man sich damit zuerst an den Staat? Warum nicht vor allem an die eigene Adresse, d.h. an die Kirchenmitglieder und die Kirchenleitungen? Und direkt an die Bürger, die in diesem Jahr für Konsumausgaben so viel Geld zur Verfügung haben, wie lange nicht; die nun pro Kopf für Weihnachtsgeschenke Summen ausgeben, wie noch nie zuvor? Weltweit versinken die Staaten dagegen in Schulden. Es ist zwar viel vom Sparen die Rede, doch geschehen ist tatsächlich das Gegenteil: die Schulden sind weiter gestiegen. Und dennoch soll das Heil weiterhin vom Staat ausgehen.

Im Herbst hieß es auf der Facebook-Seite der Initiative: „Zum Welttag für menschenwürdige Arbeit haben am 7. Oktober Vertreterinnen des Bundestages das „Manifest für menschenwürdige Arbeit“ überreicht bekommen, das von 172 Bundestagsabgeordneten unterstützt wird. Auch die christliche Micha-Initiative hatte im Rahmen ihrer Kampagne „gut zu (er)tragen?“ um Unterstützung für das Manifest geworben…  In dem Forderungspapier wird die Bundesregierung unter anderem dazu aufgefordert, die bereits 2011 verabschiedeten UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte in einem nationalen Aktionsplan umzusetzen. Das „Manifest für menschenwürdige Arbeit“ wurde von der entwicklungspolitischen Aktion „Deine Stimme gegen Armut“ formuliert“.“ (Kursiv H.L.)

Sollen Evangelikale dieses Manifest unterstützen? Soll man etwa vor Politikern als Advokat dieses Dokuments auftreten? Hätte man hier nicht vielleicht etwas Rat von Ökonomen einholen können? In dem Manifest werden natürlich auch „allgemeine gesetzliche Mindestlöhne“ gefordert, die nun ja beschlossen worden sind – „einer der größten sozialpolitischen Reformen unseres Landes“ (Ministerin Nahles).  Die „Wirtschaftsweisen“ bezeichnen die Mindestlohn-Einführung jedoch als „sozialpolitisches Experiment mit ungewissem Ausgang“. Die Folgen für die Beschäftigung seien „schwer absehbar und umstritten“. Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute schätzen in ihrem Herbstgutachten die Zahl der Jobverluste durch Mindestlöhne auf 200.000. (Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft legte sogar eine Studie vor, nach der in den nächsten Jahren zwischen 250.000 und 570.000 Arbeitsplätze wegfallen könnten.)

Das Manifest wird tatsächlich von 172 Abgeordneten unterstützt. Etwa 40 der Unterzeichner sind von der Linken, der Rest von SPD und Grünen – und einer von der CDU. Sollen Christen mit der Micha-Initiative wirklich um Unterstützung für dieses Manifest werben? Sollen sie sich darum bemühen, dass diejenigen Abgeordneten, die ihre Unterschrift nicht unter so eine nette Wunschliste gesetzt haben, weil sie noch einen Rest von wirtschaftlichem Sachverstand besitzen, dies doch tun? Die Deutsche Evangelische Allianz muss sich fragen lassen, ob so evangelikale advocacy aussehen sollte. Aber das ist eben der Geist all solcher „Forderungspapiere“. Staatliche Wohltaten fordern geht eben immer.

Kritische Stimmen handeln sich jedoch sofort den Vorwurf des Zynismus ein. Wer am meisten verlangt, so scheint es, dem liegen die Armen auch wirklich am Herzen. Immer wieder wird gefordert: Wir müssen uns um die Armen kümmern! Richtig. Aber dann lasst uns doch endlich Abstand nehmen von den unsinnigen Phrasen und genauer hinschauen.

Wenn man denn durch advocacy das Ausmaß der extremen Armut deutlich verringern will, dann ist eine Petition an viele Regierungen das Gebot der Stunde: entrümpelt euren erstickenden Staatsapparat; beseitigt Vorschriften, die nur zu Korruption und Vetternwirtschaft führen; mit einem Wort: liberalisiert euch konsequent. Und ein Forderungspapier oder Manifest wäre angebracht, das unterstreicht: alle, aber auch alle sozialistischen Experimente führen über kurz oder lang zu Armut, oft zu Massenarmut. Die Wahrheit wird jedoch auf den Kopf gestellt, wenn z.B. im Accra-Bekenntnis der WCRC das „neoliberale ökonomische System“ dämonisiert wird. Von einer Aufarbeitung des sozialistischen Armutsprogramms findet sich dort natürlich keine Spur.

Komischerweise ist es ausgerechnet der Hort dieses „neoliberalen ökonomischen System“, die gern verteufelten USA, der viele Millionen Migranten und Flüchtlinge anzieht. Denn über Wirtschaftssysteme wird in erster Linie mit den Füßen abgestimmt. Wer flieht schon in sozialistische Paradiese? Menschen gehen – ob nun durch Bürgerkriege gezwungen oder durch wirtschaftliche Not gedrängt – dorthin, wo sie mehr Freiheit, mehr Sicherheit erwarten; und wo sie aus ihrem Leben durch ihre eigene Arbeit etwas machen können; wo Bedingungen herrschen, die sie wirtschaftlich voran kommen lassen (echte Schmarotzer sind schließlich die allerwenigsten). Insofern ist der Forderung im eingangs zitierten Beitrag nach Recht auf Arbeit nur zuzustimmen. Doch die von den Kirchen und dem „Manifest für menschenwürdige Arbeit“ geforderten gesetzlichen Mindestlöhnen verhindern absurderweise gerade dies: eine schnelle Integration von Migranten im deutschen Arbeitsmarkt. Arbeitswillige werden nur zu oft in die Illegalität gedrängt.

So gut wie alle Migranten drängt es in die demokratischen, kapitalistischen Länder. Es zieht sie in die Staaten mit großer politischer und wirtschaftlicher Freiheit. Denn das entspricht unserem menschlichen Wesen. So lange in vielen Ländern Tyrannen und Ausbeuter an den Hebeln der Macht sitzen, wird sich Migration in großem Stil fortsetzen. Ein Manifest für den demokratischen Kapitalismus (Michael Novak prägte diesen Begriff mit seinem Bestseller aus dem Jahr 1982) – könnte die Micha-Initiative nicht um Unterstützung werben – um der Armen und Flüchtenden willen?

Beitrag erschien auch auf: lahayne.lt

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Ingo Weber

Hier wäre noch hinzuzufügen dass es auch nicht Sache des DMG sein kann sich in politische Angelegenheiten zu mischen.
Zumindest wenn die Politik nicht seine Hauptaufgabe, die Verkündigung der christlichen Botschaft, betrifft sollte man sich nur in absoluten Notfällen mit so etwas hervor tun.
Schon zum Schutz der Missionare!

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