Ein Krimi zur aktuellen Lage

Eigentlich wollte ich keine Krimis mehr lesen. Das Überangebot hat bei mir längst zum Überdruss geführt. Aber dann schickte mir Oliver Zimski, ein Achse- Leser, seinen ersten Roman und ich machte eine Ausnahme und las ihn.

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Eigentlich wollte ich keine Krimis mehr lesen. Das Überangebot hat bei mir längst zum Überdruss geführt. Aber dann schickte mir Oliver Zimski, ein Achse- Leser, seinen ersten Roman und ich machte eine Ausnahme und las ihn. Zimski ist Berliner, Sozialarbeiter und Übersetzer, kennt sich in der helldeutschen Hauptstadt also bestens aus. Anders als die meisten Journalisten heutzutage wagt er es, ein realistisches Bild von den Verhältnissen zu zeichnen.

Im Prolog steht der polnische Autohändler Swiatelka vor den Trümmern seiner Autowerkstatt und damit seiner in den letzten zehn Jahren hart erarbeiteten Existenz.

Schuld waren aber nicht die Rechten, sondern ein arabischer Familienclan mit besten Verbindungen zum Staatsschutz. Der Clanchef diene ihm als Informant, glaubt der Staatsschutz, der Sohn des Clanchefs denkt, sie hätten sich einen Polizisten gekauft.

Als Swiatelka vom arabischen Clanchef die Rückzahlung eines Darlehens verlangt, wird ihm unmissverständlich klar gemacht, wohin ein solch unbilliges Begehren führt. Der Pole hat zu viel verloren, um die Zerstörung einfach hinnehmen zu können. Er versucht, sich an dem Clan zu rächen, gerät dabei der ukrainischen Mafia in die Quere, die eine Profikillerin beschäftigt und muss nach einer Schießerei fliehen, um seiner bedrohten Familie in Polen zu Hilfe zu kommen.

Mehr verrate ich von der Handlung nicht. Es gelingt Zimski aus diesem banalen Plot ein genaues Sittengemälde des heutigen Berlins zu entwickeln. Das ist das eigentlich Spannende an diesem Buch. Wer sich auf unterhaltsame Art über den Niedergang des Rechtsstaates informieren will, ist hier richtig. Die Polizei, durch jahrzehntelange linksextremistische Angriffe auf die „Bullen“ demoralisiert, von akutem Personalmangel und einer überbordenden Bürokratie geplagt, hat Schwierigkeiten, ihren Aufgaben gerecht zu werden. Wenn dennoch einer, wie der Hauptheld Kommissar Lemberger, Initiative entwickelt und aktiv versucht, den Verbrechen auf den Grund zu gehen, missfällt das seinem Vorgesetzten, der politisch korrekt, also „gegen rechts“ ermitteln will, selbst wenn es keinerlei Anhaltspunkte dafür gibt. Kommt der Kommissar, die Richtlinien seines Vorgesetzten missachtend, den Tätern auf die Spur, bremst plötzlich der Staatsschutz. Hat er dennoch einen Kriminellen festgenommen, sogar einen gemeingefährlichen, der ihn während der Vernehmung angreift und mit einem Kugelschreiber ein Auge auszustechen versucht, wird der vom Haftrichter auf freien Fuß gesetzt. Denn der Alt- Achtundsechziger ist der Meinung, dass an allen Verbrechen die Gesellschaft schuld sei und sich ein Angriff auf einen Kriminalbeamten ja nicht wiederholen könne, wenn man den Täter nicht wieder verhafte.

Dass dies ein treffendes Bild des Alltags in Berlin ist, hat vor ein paar Tagen ein Vorfall gezeigt: Ein islamistischer Gewalttäter, der seine Haftstrafe abgesessen hatte, konnte sich mit einer elektronischen Fußfessel frei in der Stadt bewegen. Er nutzte diese Freiheit, um auf der Heerstraße eine Polizistin niederzustechen und andere Menschen tödlich zu bedrohen. Er musste in Notwehr erschossen werden. Danach hat die Gewerkschaft der Polizei gefordert, solche islamistischen Gewalttäter in Vorbeugehaft zu nehmen. Dass diese Forderung erhört wird, ist in Helldeutschland eher unwahrscheinlich.

Als Beiwerk erfährt man eine ganze Menge über Sprachen, denn der zweite Held ist ein Übersetzer für Polnisch, Arabisch und Spanisch, der ab und zu von der Polizei eingesetzt wird. Zum Schluss wird es geradezu zauberhaft. Zimski schildert eine Wanderung von Lemberger und seinem Übersetzer im Riesengebirge, wohin es sie im Laufe der Verbrecherjagd verschlagen hat. Das ist so gelungen, dass ich beschlossen habe, demnächst diese Wanderung auf dem Kamm selbst zu machen. Mehr kann ein Krimi nicht bewirken.

Oliver Zimski: Wiosna- Tödlicher Frühling. Berlin, 2015

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Gernot Radtke

Schöne geistvolle Besprechung! Und gewitzt, denn sie macht richtig neugierig auf das Buch. Die Wahrheit sagen, ohne sie zu enthüllen, geht im realen Leben meist leider nicht.

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