Ein Jahr ohne Gott?

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In der deutschen Ausgabe der Huffington Post bin ich eher zufällig auf den Beitrag eines ehemaligen freikirchlichen (7-Tage-Adventisten) Pastors gestoßen , der in einer Glaubenskrise eine Art “atheistischen Selbstversuch“ durchführen will: ein Jahr lang ohne Gott leben! Genauer gesagt: ein Jahr lang als Atheist leben, nicht einfach „nur“ ohne bewusste Gottesbeziehung sondern mit intensiver Auseinandersetzung mit atheistischen Thesen, intensivem Kontakt mit Atheisten …

Kurz gesagt: Ich werde alles tun, was möglich ist, um die Welt des Atheismus kennenzulernen, und werde ein Jahr lang als Atheist leben. Für mich ist es wichtig zu betonen, dass ich kein Atheist bin, sondern nur als solcher leben möchte. Zumindest im Moment. Ich bin nicht sicher, was ich bin. Aber darum geht es in diesem kommenden Jahr auch.

Die Glaubenskrise des Autors, Ryan J. Bell, beschreibt er transparent – wenn man sie auch aus katholischer Sicht vielleicht nur in Teilen konkret nachvollziehen kann. Glaubenskrisen kann es aber in jeder Religion geben, und – wie bereits Kardinal Ratzinger prägnant formulierte – in den Zweifeln treffen sich der Glaubende und der Unglaubende. Nicht auszuschließen also, dass es auch katholische Gläubige, vielleicht sogar Priester oder Diakone gibt, die den Satz von Bell so oder so ähnlich aussprechen könnten:

In den letzten Jahren hat meine Familie und auch meine Gesundheit gelitten, am meisten jedoch hat mein Glaube gelitten. Seit dieser Zeit bin ich ein Religionsnomade. Ich kann nicht mehr richtig an die Kirche, und ehrlich gesagt auch nicht mehr richtig an Gott glauben. Ich gehe nicht mehr regelmäßig zur Kirche, und ich habe Schwierigkeiten im Umgang mit Gläubigen. Ich ziehe die Gesellschaft von Kritikern und Menschen, die nicht in die Kirche gehen, vor. Ich bete nicht mehr viel, und seit ich nicht mehr regelmäßig Predigten schreiben muss, habe ich auch kaum mehr in der Bibel gelesen.

Den Auslöser, wenn wohl auch nicht den Grund der Glaubenskrise, beschreibt Bell am Anfang seines Beitrags mit einer recht einfachen Frage: „Welchen Unterschied macht Gott?“

Vor etwa einem Jahr erzählte mir eine befreundete Pfarrerin der episkopalen Kirche, dass ihr genau diese Frage von einem atheistischen Freund gestellt wurde. Die Frage war komplizierter als anfangs gedacht. Ihr Freund hatte ihre ersten Erklärungsversuche widerlegt, sodass sie nun meine Meinung wissen wollte. Wir haben das Thema dann letztlich nur kurz diskutiert, aber die Frage hat mich nicht mehr losgelassen. Deswegen habe ich kürzlich beschlossen, die Antwort zu finden, indem ich ein Jahr ohne Gott lebe.

Begleitend zu seinem Experiment schreibt Bell einen Blog, auf dem er bereits erste Rückmeldungen auch von atheistischer Seite dokumentiert hat, die die „Methodik“ seines Experiments in Zweifel ziehen – und ich bin geneigt, den Kritikern zuzustimmen, die meinen, Bell werde in diesem Jahr nicht als Atheist leben sondern nur als Christ so tun, als ob er Atheist sei.

Dennoch habe ich mir die Frage gestellt, wie ich ein solches Experiment – in Unkenntnis der genauen persönlichen Umstände von Ryan Bell – eigentlich bewerten möchte. Ich selbst habe – regelmäßige Leser dieses Blogs wissen das – jahrelang ohne besonderen Gottesbezug gelebt. Das war aber eher eine unbewusste „Gottlosigkeit“, kein entschiedener Atheismus. Ich habe es mal in einem Glaubenzeugnis so formuliert: „Ich habe jahrelang ohne Gott gelebt – das dachte ich jedenfalls.“

Und wenn man mich fragt, welchen Unterschied hat Gott in meinem Leben seither gemacht, muss ich zweigeteilt antworten: Nichts und alles! Klingt zugegeben sehr plakativ, also muss ich es erläutern:

Nichts

Ich habe in meinem früheren, „gottlosen“ Leben kein schlechtes Leben geführt: Beruflich war ich leidlich erfolgreich, hatte Beziehungen, habe in der Zeit meine jetzige Frau kennengelernt. Ich war Bücherfan, in aller Regel Romane, ab und an mal ein sogenannte Lebenshilfebuch, aber nicht explizit christliche Literatur. Finanziell ging es mir gut, konnte regelmäßige Urlaube machen, ein oder zwei mal die Woche abends warm essen gehen – und auch von besonderen Schicksalsschlägen kann ich nicht berichten.

Der Wandel setzte ein, ich hatte das schon mal beschrieben, in der Vorbereitung auf die Hochzeit und die Frage, ob wir kirchlich heiraten wollen. Damit setzte eine für mich zunächst eher intellektuelle Auseinandersetzung mit dem Glauben ein, die langsam in mein Herz vordrang – und auf diesem Weg bin ich auch heute noch.

Und was hat sich seither geändert? Äußerlich gesehen nicht viel. Ich habe immer noch einen ganz normalen Beruf, verdiene anständig, bin natürlich zwischenzeitlich ein bisschen älter geworden, habe geheiratet, zwei Kinder bekommen, könnte auch heute noch zwei mal die Woche abends warm essen gehen, wenn wir das unseren Kindern nicht lieber ersparen wollten.

Alles!

Und trotzdem möchte ich nicht mehr zu meinem „alten“ Leben zurück – denn ich habe in diesen Jahren einen Freund gefunden, der mich immer und überall begleitet, für mich da ist, mit dem ich über alles sprechen kann und der – ist wohl klar, über wen ich spreche – sich meiner Sorgen annimmt. Ich weiß heute, warum ich bestimmte Dinge tue, andere lasse, bestimmte Dinge, die ich früher getan habe, heute lasse.

Das Christentum ist keine ausgewiesene Buchreligion, wenn wir auch mit der Bibel ein entsprechendes Buch haben. Es ist keine Religion des Gesetzes, auch wenn es mit den 10 Geboten, den Seligpreisungen und den Worten Jesu einen Satz an Verhaltensregeln gibt. Es ist auch keine Institution, wenn es auch – katholisch, evangelisch oder freikirchlich – institutionelle Ausprägungen gibt, die uns im Glauben begleiten. Es ist auch nicht in erster Linie eine Philosophie zu einem erfolgreichen Leben – auch wenn uns unser gelebter Glaube zu einem – im geistlichen Sinn – erfolgreichen Leben führt.

Mein Glaube, der christliche Glaube, ist eine persönliche Beziehung zwischen den einzelnen Menschen und dem einen Gott, zwischen mir und Christus. Und auch wenn sich in unserem Leben formal nicht viel ändern sollte, wer wollte auf die Beziehung zu einem guten Freund verzichten? Man stelle sich vor, man habe einen Freund und bei der Frage, „Welchen Unterschied macht dieser Freund?“ käme man auf den Gedanken, sein Leben mal ohne diesen Freund auszuprobieren? Klingt das nach einem realistischen Vorgehen?

Ich habe Freunde, ohne die ich durchaus weiter leben könnte, der Verlust ihrer Freundschaft würde mich schmerzen, aber die Welt würde nicht untergehen, ich hätte weiter meinen Job, meine Familie, könnte weiter zwei mal die Woche warm essen gehen. Aber heißt das, dass dieser Freund in meinem Leben keinen Unterschied macht? Und – im Ernst – warum sollte ich diesem Freund vor den Kopf stoßen, indem ich ihm mein Experiment aufzwinge, mich ein Jahr lang nicht mehr um ihn zu kümmern, mich lieber mit seinen Feinden und Kritikern zu unterhalten, um festzustellen, welchen Unterschied seine Existenz, unsere Freundschaft in meinem Leben macht.

Zum Glück für Ryan Bell handelt es sich bei seinem Freund um Jesus, um Gott selbst. „Zum Glück“ deshalb, weil ein menschlicher Freund einen bei einem solchen Experiment hinschicken könnte wo der Pfeffer wächst, weil er vielleicht auch feststellt, ganz gut ohne diesen „Freund“ zu können. Gott dagegen buhlt weiter um unsere, auch um seine Freundschaft – er möchte unsere Liebe, nicht weil er sie nötig hätte, sondern weil er weiß, dass es uns gut tut, wenn wir ihn lieben, in einer guten Beziehung mit ihm leben.

Es ist deshalb sicher nicht verkehrt, Ryan Bell, wie jeden Menschen, der an seiner eigenen Freundschaft zu Gott oder an Gottes Liebe zu ihm zweifelt, in unser Gebet aufzunehmen, damit das, was er in seinem Experiment erlebt, seine Beziehung zu Gott nicht von seiner Seite aus betäubt. Und dass er – was immer auch der Grund für seine Glaubenszweifel sein mögen – erkennt, dass es nicht seine Kirche, seine Gemeinde, deren Glaubensaussagen sind, die seinen Glauben ausmachen, sondern seine Beziehung zu Christus, die er – trotz der unendlichen Gnade Gottes – nicht auf’s Spiel setzen sollte. Ich wünsche Ryan Bell, dass er sein Experiment möglichst bald abbricht, um seine Freundschaft mit Christus wieder zu beleben!

Für die Inhalte der Blogs und Kolumnen sind die jeweiligen Blogger verantwortlich. Die Beiträge der Blogger und Gastautoren geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder des Herausgebers wieder.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Stefan Neudorfer

Ich war früher Atheist und bin über Gott zum Glauben gekommen. Als ich ihre Werbung für das Buch gelesen habe, über legte ich warum sie das Buch bewerben. Würden Sie ein Buch mit den Titel "Warum ich nicht glaube das es Bäume gibt" auch bewerben?
Ich Frage, weil wir Christen durch die persönliche Beziehung zu Gott wissen das wir auf den richtigen Weg sind und ihr Buch nur deutlich macht das sie und der Autor Gott noch nicht begegnet sind.

Und das ist für sie offensichtlich ein Problem.

Gravatar: David

"Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hergab, damit jeder der an Ihn glaub nicht verloren geht, sondern das ewige Leben hat" Johannes 3, 16
Der Glaube an Christus macht Frei. In Ewigkeit!

Gravatar: Aventinus

Felix Honekamp hat das zu erwartende Ergebnis dieses Experiments bereits beschrieben: Am Ende des Jahres oder schon früher wird unser Pastor verkünden, wie inhaltsleer sein Leben ohne Gott gewesen sei und dass ihm weder die atheistischen Schriften noch die Gespräche mit Atheisten Trost hätten spenden können. Weiter wird er verkünden, dass er nun wieder zum Glauben an Gott gefunden habe und wie glücklich er darüber sei. Halleluja! Die ganze christliche Gemeinde wird dann Freudenlieder anstimmen über die Heimkehr des vermeintlich verlorenen Sohnes und das Ganze als Beweis ansehen für die These, dass ein Leben ohne Gott nicht lebenswert sei. Was für eine billige Propagandaaktion! Man stelle sich vor, ein Humanist würde bekannt geben, dass er nun ein Jahr lang als Christ leben würde, also mit täglichem Gebet, regelmäßigem Besuch der Messe und der Beichte, Einhaltung der Fastengebote, Wallfahrten usw. Am Ende würde er dann darüber klagen, wie blöd er sich dabei vorgekommen sei. Man verschone uns mit solchen Aktionen!
Es mag ja sein, dass viele Leute einen imaginären Freund brauchen, um ein glückliches Leben zu führen; ich halte mich lieber an meine real existierenden Freunde.

Zurzeit lese ich das Buch „Warum ich kein Christ bin“ von Kurt Flasch. Der Autor ist Fachmann für antike und mittelalterliche Philosophie. Er hat sich ein Leben lang mit den Quellen zu dieser Zeit und deshalb auch mit dem Christentum befasst. Als kritischen Geist hat ihn gerade dieses Studium zur Ablehnung des christlichen Glaubens gebracht, denn er selbst stammt aus einer gläubigen katholischen Familie und hat, wie er im Buch betont, von kirchlicher Seite nur Gutes erfahren. Ich denke, dass dieses Buch auch für Theisten sehr interessant ist.

Gravatar: Papsttreuer

Lieber Herr Datko,

gerne wünsche ich Ihnen ein gesegnetes neues Jahr ... ich hatte Ihre Copy&Paste-Kommentare bereits vermisst und dachte "Wenn er auf diesen Beitrag nicht reagiert, ist er weg!" Auf gedeihliche Zusammenarbeit auch 2014!

Felix Honekamp

Gravatar: Joachim Datko

Urlaub vom Glauben, das kann man vor allem Menschen empfehlen, die von klein auf indoktriniert wurden.

Siehe auch: http://www.freiewelt.net/glaubige-sollten-regelmasig-urlaub-von-der-religion-und-der-kirche-nehmen-10011677/

Bei uns in Regensburg sind 2013 ungefähr 1.000 Menschen aus den beiden großen christlichen Kirchen ausgetreten. Die meisten davon wurden wohl schon als Säuglinge durch die Taufe, gegen ihr Selbstbestimmungsrecht, Mitglieder einer Kirche.

Joachim Datko - Physiker, Philosoph
Forum für eine faire, soziale Marktwirtschaft
http://www.monopole.de

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