Ein „himmlischer“ Gentleman

Fragen Sie sich auch manchmal, wo er geblieben ist, oder was ihn von anderen Männern unterscheidet?

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Gehört der Gentleman zur Spezies «englischer Mann», der antiquiert und emotionslos nicht mehr so recht ins 21. Jahrhundert passen möchte? Oder ist er ein Mann von Welt, ein Lebemann, der in massgeschneiderten Anzügen, rahmengenähten Schuhen und mit Louis Vuitton Taschen in 80 Tagen um die Welt jettet? Oder traf König Jakobs II. den Nagel auf den Kopf mit der Bemerkung, die Schaffung eines Gentlemans sei dem Allmächtigen vorbehalten?

Verehrte Leser, ich kann Sie indes beruhigen, eine einheitliche und allgemeingültige Definition des Gentlemans gibt es nicht, und nein, auch Ihr Seelenheil hängt nicht davon ab, ob Sie als Gentleman eine Art Lebenskunst zelebrieren oder als ungehobelter Kauz durchs Leben stolpern. Nichtsdestotrotz – en vogue ist er wieder. Selbst ein Filmemacher wie Quentin Tarantino favorisiert eindeutig die Haltung des Gentlemans.

War es in der Vergangenheit unumgänglich, einer gesellschaftlichen Schicht anzugehören, in die man hinein geboren wurde und die über das weitere Schicksal bestimmte, haben wir heute zumindest in Europa eine gewisse Wahlmöglichkeit, für die es allen Grund gibt, dankbar zu sein.

Aber machen wir uns nichts vor, elitäre Netzwerke gab es schon immer und wird es immer geben, und auch Kleidung war nie unwesentlich und wird es nie sein. Schon zu Jesu Zeiten trugen alle der damaligen Mode entsprechend Gewänder, ob einfache aus Leinen oder farbenprächtige «feine Leinwand» hing vom jeweiligen Stand ab. Auch im Alten Testament musste der Hirtenjunge David als angehender König seine einfache gegen luxuriös königliche austauschen, und da Gott nichts dagegen hatte, können wir getrost davon ausgehen, dass die Herzenseinstellung und nicht die Kleidung über «Himmel oder Hölle» entscheidet. In diesem Sinne sollte der äussere Schein des Gentlemans lediglich ein Abglanz seines inneren Seins sein. Es ist in etwa so, als verbinde sich der Glanz einer barocken Kathedrale mit der Heiligkeit der Eucharistie oder  mit dem „Seelenglanz“ eines Priesters, obwohl dies – zugegeben – nicht sehr häufig der Fall sein dürfte.

Vielleicht neigen wir Christen vorschnell dazu, von der «richtigen» Kleidung auf das Herz zu schliessen, weil wir eben nicht über die Herzensschau mancher „Heiligen“ verfügen  und falsche Schlüsse ziehen. So wie man sich in der Welt von Designer Kleidung blenden lässt, so lassen sich «Fromme» von betont «unschicker» Kleidung blenden, in der irrigen Meinung, je bescheidener und züchtiger, desto demütiger das Herz. Dies kann fatal sein, weil «Narzissmus» viele Gesichter hat.

Wenn Menschen ein Auge für ausgeprägt schöne Dinge haben, sei es in der Natur, in der Kunst, in der Wohn- oder Esskultur oder bei Kleidung, sind das zunächst gottgegebene Gaben, die sich entfalten sollen. Manch ein Gentleman verfügt über solch ein angeborenes Gespür für Schönheit und Stil. Es wurde ihm Stil quasi in die Wiege gelegt und Umgangsformen wurden ebenso verinnerlicht, dass diese weder aufgesetzt noch verkrampft wirken. Allerdings interessiert den Gentleman nur wenig, ob und was gerade in Mode ist. Sein gefestigter Charakter, dem infantil mimosenhaftes Verhalten ebenso fremd ist wie überheblich machohaftes Gebaren, ist immun gegenüber plumper Manipulation. So gehört er zu denjenigen, die es nicht nötig haben, jedem Trend hinterher zu laufen. Ihm haftet in seiner Beständigkeit mitunter sogar etwas Langweiliges an.

Selbstverständlich ist es nicht der Weisheit letzter Schluss zu wissen, wann man einen Cut oder Smoking trägt, dass Krawatte und Einstecktuch nicht identisch sein sollte oder «Don’t wear brown after six» – zum «kleinen 1×1» eines echten Gentlemans gehören. Aber ein allseits gern gesehener Gast ist er allemal, manche Dame erhofft sich insgeheim, von einem Wiener Gentleman mit «gnädige Frau» und Handkuss begrüsst zu werden. Ein Gentleman weiss natürlich was sich gehört, und wird die Dame nur in geschlossenen Räumen damit beehren.

Ritterliche Tugenden

Sollten Sie zu den Leuten gehören, die in der Lage sind, Ihren Lebensunterhalt gänzlich ohne Arbeit zu bestreiten und zum Adel gehören, hätten Sie in der Vergangenheit alle Trümpfe in der Hand gehabt. Dies war die Voraussetzung, um die Würde eines Gentlemans zu erlangen. Das ist zum Glück passé. Zumal andere Kriterien einen wahrhaften Gentleman oder zu gut deutsch «Ehrenmann» auszeichnen. Es versteht sich von selbst, dass ein Ehrenmann nicht die «eigene Ehre» sucht. In diesem Zusammenhang sei auf das gentlemanlike Understatement eines Schweizer Luxus-Uhrenhersteller hingewiesen, der von sich sagte: «Ich habe Ruhm und Ehre nie gesucht. » Die bekannte englische Schriftstellerin Jane Austen (1775 – 1817) hatte in ihren Büchern (Filmen) ein besonderes Gespür, die echten von den unechten zu unterscheiden. Nicht die Vornehmheit, sondern die Tugenden adelten ihre Romanfiguren.

Wenn ritterliche Tugenden fehlen, dann bleibt der Gentleman eine Hülle ohne Inhalt. Die Vorstellung, dass wahrer Adel nur durch die rechte Gesinnung eines Menschen und nicht durch Geburt erworben werden kann, wurde in der höfischen Literatur thematisiert. Daraus entwickelte sich auf der Grundlage des höfischen Gesellschaftsideals der sogenannte Tugendadel. Der wilde germanische Recke entwickelte sich zum christlichen Ritter. Ein wahrer Ritter musste demnach nicht bloss von seiner gesellschaftlichen Position, sondern primär von seiner Herzenshaltung her adelig sein. Es genügte, wenn seine moralische Gesinnung edel und rein war. Jede einzelne dieser zwölf Tugenden verdient es, erwähnt zu werden:

  • Demut
  • Würde
  • Freundlichkeit
  • seelische Hochstimmung
  • Höflichkeit
  • Tapferkeit
  • maßvolles Leben
  • Großzügigkeit
  • hingebungsvolle Liebe
  • Beständigkeit
  • Treue
  • Anstand

Diesen Tugendkatalog kann man sich natürlich nicht aneignen, wie die Regeln eines Knigge Ratgebers. Eine Erneuerung des «Geistes» und damit der Herzenshaltung ist Voraussetzung, um auch nur ansatzweise diesem «Ideal» folgen zu können. Weltlich betrachtet scheint es hier die Karriereleiter nicht nach oben, sondern nach unten zu gehen. Der schnelle Gewinn bleibt aus und obendrein kann eine solche Charakterschulung sehr, sehr lange dauern, da Gott alle Zeit dieser Welt hat, einen rohen Diamanten zu schleifen. Ausserdem kann ich Ihnen versichern, dieser Weg wird kein leichter sein, dieser Weg wird steinig und schwer. Dennoch lohnt es sich, diese Reise auf sich zu nehmen, ist es doch die einzige, die an die Quelle zu frischem Wasser führt. Für einen christlichen Gentleman sind diese ritterlichen Tugenden deshalb unabdingbar. Und die Aussage «Gleicht euch nicht dieser Welt an», wird verständlicher denn je.

Hat sich der tapfere Gentleman in den Rittertugenden bewährt, darf auch mal getrost über stilistische Unkorrektheiten hinweggesehen werden. Ob der Gürtel nun exakt über der Gürtelschnalle endet, die falschen Schuhe zu feinem Anzug oder groben Tweed getragen werden oder die allzu farbigen Socken im Wettstreit zu den vollendeten Manieren stehen, ist dann sekundär. Zumal eine Lady manches übersehen, aber alles überblicken wird! Aber eine Schweizer Uhr sollte das Handgelenk eines Gentlemans zieren, heisst es doch von den Bürgern der Uhrenproduktionsstätte in Le Locle, sie seien «aufrecht wie die Tannen». Eine weitere Tugend für alle christlichen Gentlemen oder solche, die es werden wollen.

Beitrag zuerst erschienen auf dieweiterdenkerin.wordpress.com

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Dekadenzverweigerer

Die westliche, durch und durch gepamperte, degenerierte und nutzlose Wohlstandsprinzessin, ist mir vollkommen schnuppe. Sie soll einfach jetzt ernten, was sie gesät hat. Mehr habe mich dazu nicht zu sagen. Meine Ritterlichkeit lebe mich da aus, wo es Sinn macht. Perlen vor die Säue zu werfen ist nicht mein Stil...

Gravatar: SF

Meine Ritterlichkeit und guten Manieren waren nicht mehr erwünscht. Der Sermon des feministischen Empowerments behauptete, "das können wir alles und zwar besser als der Mann - der Mann ist ein Auslaufmodell". Die Medien bedienen dieses Klischee, die Politik reitet drauf rum und ein Ende ist nicht abzusehen. Jungen wurden in der Schule zu Mädchen gemacht und wie Mädchen behandelt. Ihr natürliches Verhalten als unnatürlich gebranntmarkt.

Und jetzt plötzlich ... nachdem der "Mann" so gründlich ideologisch demontiert und zur Seite gestoßen wurde, sind die alten "maskulinen" Verhaltensweisen wieder gefragt? Und dann wundern sich Frauen, wenn man ihnen vorwirft, daß sie nicht wissen was sie wollen? Oder, daß sie realitätsfremd und feministisch verblendet wären?

Nein Danke, Frau Walker! Die "moderne" Frauenwelt muß sich meinen Respekt erst verdienen. Das infantil-mimosenhafte Gebaren und die eingebildete Pseudo-Stärke, die so manche heutige Frau an den Tag legt, ist lächerlich. Die Forderung an den Mann: "Heute so, morgen so - tanz' nach meiner Pfeife", haben die meisten Männer gründlich satt.

Wenn ich in den Medien alberne Witz-Figuren wie Anne Wizorek sehe, die nie aus dem geistigen Zustand der anmaßenden Kindergarten-Möchtegernprinzessin herausgekommen sind, dann denke ich mir nur: "Sollen sie nur machen - sie werden schon sehen, was sie davon haben". Und jetzt - nach Köln - wundern sie viele Frauen tatsächlich und wollen ein weiteres Ideal- und Traumbild schaffen, dem wir Männer gefälligst nachzueifern haben um zu gefallen.

Gentlemen waren auch früher selten. Aber die gesellschaftlichen Konventionen erforderten ein gewisses Verhalten. Das wurde als dumpf, muffig und gestrig in den Mülleimer der Geschichte verbannt. Jetzt wollen viele Leute das plötzlich wieder haben und idealisieren es.

Den Göttern sei Dank, daß es auch noch anderen Frauen gibt. Meine Partnerin weiß meine Qualitäten jedenfalls zu schätzen. Der Rest kann mir gepflegt den Buckel runterrutschen.

Gravatar: ulrike walker

Meine Herren, ich glaube, es wird höchste Zeit einen Artikel über Ladies zu schreiben. Die sind genauso zeitgemäss wie Gentlemen ;)

Gravatar: R. Avis

Jungs, macht euch keinen Kopp, die Zeiten werden auch wieder anders. Ich muß jedes Mal kichern, wenn ich im Kino diese Amazonen sehe, die mit selbstverständlicher Leichtigkeit das Sturmgewehr schultern, die lässig einen auf sie herabsausenden Schwerthieb parieren und ganz natürlich im mittelalterlichen Bogenschießen mit ihren männlichen Kollegen mithalten. Entweder lernt jetzt die ganze weibliche Bevölkerung Kampfsport oder es werden Begleiter gesucht, die man nicht auf Armlänge von sich fernhalten muß. Vielleicht lernen die Damen dann auch wieder, ein bißchen nett zu sein.

Gravatar: Emannzer

Ich kann mich den Worten von Dirk S. nur anschließen.

Die Zeiten sind vorbei, an dem der Mann zum Wohle der Frau den 'Wellness-Faktor' Gentleman anbieten musste (oder wollte).

Nachdem Männer die letzten Jahrzehnte wie Abfall behandelt, ihnen nur jedes mögliche und negative Attribut attestiert wurde, nach dieser Zeit also, ist die Uhr abgelaufen.

Männer tun gut daran, sich selbst gegenüber der Galan zu sein. Aber mit Sicherheit ist es nicht an der Zeit, nun ritterlich den Frauen, die einem mit den faulsten Eiern beworfen haben, welche sie finden konnten, gegenüber zu treten.

Dieser Weg wird kein leichter sein, werte Damenwelt - aber ihr schafft das schon.

Emannzer

Gravatar: Dirk S

Der Gentleman ist wie der Ritter nicht mehr zeitgemäß, Anachronismen einer verzerrten Vorstellung "der guten alten Zeit".

Dem Gentleman ist gemein, dass er eine Bevorzugung des weiblichen Geschlechts in den Mittelpunkt seines Verhaltens stellt, die nach den derzeitigen Maßstäben einer Bevormundung und Diskriminiereung von Frauen gleichkommt. Damit ist ein Gentleman nur noch ein Depp, der die Zeichen der Zeit nicht erkannt hat. Und außerdem, gibt es überhaupt noch Ladies, die solch eine Bevorzugung rechtferigen?

Und nun zu den Rittern: Die haben sich um den vorgeschriebenen Kodex nicht geschehrt und haben fröhlich auf Schwächere eingedroschen. Geschichtlich korrekt betrachtet ist Ritterlichkeit mit Verlogenheit gleichzusetzen. Ist zwar hart für die Mädels, die von ihrem "Weißen Ritter" träumen, aber Realität und Träume haben selten Schnittstellen. Hart aber wahr.

Ach ja, aus der Sicht eines Mannes sind beide romantisch verzerrte Rollen in unserer Gesellschaft nicht erstrebenswert. Man soll sich bemühen, eventuell sogar Gefahren eingehen und erhält nichts dafür? Warum also sich zum Affen der Weiber machen? Damit die sich wohlfühlen? Das war einmal, heute zählt nur der persönliche Nutzen. Und das, liebe Damen, habt ihr ausgerufen! Also jammert nicht rum.

Unritterliche Grüße,

Dirk S

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