Ein grausliches Begräbnis nach Koalitionsart

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Zahllose Schwachsinnigkeiten haben sie im Laufe der Jahre beschlossen, insbesondere in den letzten Parlamentswochen. Aber die Einführung von – ein bisschen! – direkter Demokratie gestehen sie den Bürgern jetzt entgegen allen Ankündigungen doch nicht zu, wie sie nun im Koalitionsgleichschritt verkünden. Formal heißt es zwar nur: nicht vor den Wahlen. Aber wir alle wissen: Damit werden die direktdemokratischen Bürgerrechte mit großer Wahrscheinlichkeit auch nachher nicht kommen. Was die Koalition freilich nicht begreift: Sie hat damit einen weiteren Grund gesetzt, weshalb es ihr am Wahltag gar nicht gut gehen wird.

Sie haben sich natürlich nicht getraut, direkt Nein zu sagen, sondern als alte erfahrene Parlamentarier haben sie den Fisch so lange gestreichelt, bis er tot war. Mausetot. Statt dessen wollen sie nun die öffentliche Debatte mit irgendwelchen bedeutungslosen Scheinthemen ablenken, wie etwa der Frage nach Minister-Hearings.

Natürlich ist es richtig, dass die Frist bis zum Wahltag sehr knapp wäre, um die direkte Demokratie mit ruhiger Hand zu beschließen. Freilich: Eine solche Hand hat ja sowieso niemand in dieser Koalition, weder vor noch nach einer Wahl (Übrigens dürfte das Fehlen ruhiger Hände auch der Grund sein, warum die SPÖ zwar Faymanns Gesicht, aber nicht seine völlig untätige Hand plakatiert, obwohl sie diese anpreist). Freilich ist ebenso Tatsache, dass der SPÖ-Klub seit zwei Jahren jedes seriöse Gesetz boykottiert hat, weshalb eben die jetzige Zeitnot entstanden ist.

Sich also auf eine selbst verschuldete Zeitnot auszureden, ist schlicht Chuzpe.

Nur um ja die direkte Demokratie zu verhindern, hat man überdies noch zu einer besonderen Raffinesse gegriffen. Man hat die österreichweit unbeliebtesten Altpolitiker von Rot, Schwarz und Grün vorgeschickt, um scheinbar für die direkte Demokratie zu werben. Diese haben jedoch einerseits schon durch ihre Persönlichkeit das Anliegen beschädigt; und sie haben andererseits die direkte Demokratie auch dadurch unbeliebt zu machen versucht, indem sie diese mit unpopulären anderen Forderungen überfrachtet haben.

Die ÖVP in ihrer Dummheit hat wieder einmal nicht die Falle erkannt, in die sie geraten war. Spindelegger steht jetzt jedenfalls ziemlich blöd da, als er sich im letzten Augenblick auf einen Kompromiss mit den taktisch plötzlich umschwenkenden Sozialdemokraten und damit auf einen verwässerten Verfassungstext eingelassen hat, der nun dennoch leider, leider nicht mehr beraten werden kann. Das beteuert plötzlich auch sein eigener Parlamentsklub. Josef Cap als gefinkelter Anführer der Feinde der direkten Demokratie kann sich hingegen die Hände reiben.

Dabei hätten Schwarz und Blau mit der ursprünglichen Konzeption einer echten direkten Demokratie ein absolut wahlkampftaugliches Thema gehabt, mit dem sie die parteienmüden Menschen noch einmal aktivieren hätten können. Aber wie so oft in den letzten Jahren sind nun die Schwarzen die Blamierten, weil sie auf die roten Schmähs hereinfallen.

Natürlich gibt es aber auch in den ÖVP-Reihen viele Politiker, welche die direkte Demokratie keineswegs mögen. Insbesondere zählen viele Abgeordnete dazu, die um die eigene Wichtigkeit bangen. Und die daher die Taktik des zu Tode Streichelns durchaus geschätzt haben.

Ebenso klar ist, dass bei den bevorstehenden Begutachtungen Machtträger die raffiniertesten Argumente gegen die Überlassung eines Stücks ihrer Macht an das gemeine Volk drechseln werden. Diese werden aber in Wahrheit immer ein und dieselbe Einstellung demonstrieren: Wir, die Professoren, die Verfassungsrichter, die Sozialpartner, die NGOs, die Eurokraten, wir wissen besser, was gut und richtig für die Menschen ist. Die sind ja viel zu blöd. Die könnten ja etwas Falsches beschließen. Die könnten irgendeine unserer Errungenschaften gefährden.

Das sind im Grund freilich haargenau die gleichen Argumente, mit denen einst Aristokratie und Feudalsystem gegen Demokratie und Aufklärung gekämpft haben. Wollen es unsere heutigen Eliten auch wieder so weit treiben, bis erst auf revolutionärem Weg ein Umbruch möglich ist?

Weiterlesen auf: andreas-unterberger.at

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