Ein Eiseimer ist nur ein Eiseimer!

Anfangs hatte ich es für eine Aktion unter bekannten Persönlichkeiten gehalten, die sich dann langsam zu den B- und C-Promis runtergearbeitet hat, bevor sie „viral“ wurde und die nun auch unter ganz normalen Leuten ohne besondere Promi-Ambitionen angekommen ist: Die ALS Ice Bucket Challenge.

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Ich habe kurz überlegt, wie ich die in aller Kürze beschreibe und bediene mich einfach mal Wikipedia, wenn es schon mal zu einem Eintrag dort gereicht hat:

Die ALS Ice Bucket Challenge (deutsch: Eiskübelherausforderung) ist eine Spendenkampagne. Sie soll auf die Nervenkrankheit Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) aufmerksam machen und Spendengelder für deren Erforschung und Bekämpfung generieren. Die Herausforderung besteht darin, sich einen Eimer kaltes Wasser über den Kopf zu gießen und danach drei oder mehrere Personen zu nominieren, die dann 24 Stunden Zeit haben, es einem gleichzutun und 10 US-Dollar beziehungsweise 10 Euro an die ALS Association spenden. Will man sich keinen Eimer Wasser über den Kopf gießen, soll man 100 US-Dollar, beziehungsweise 100 Euro, an die ALS Association spenden. […]

Zumeist werden die Teilnehmer über soziale Netzwerke zur Teilnahme herausgefordert. Dann muss die Challenge innerhalb von 24 Stunden durchgeführt werden und man selbst hiervon ein Video hochladen, beispielsweise bei Instagram oder Facebook. Wer dies tut, spendet 10 US-Dollar. Kommt man dem nicht nach oder lehnt ab, sollen 100 US-Dollar an die ALS Association gespendet werden. Die meisten Teilnehmer spenden jedoch trotzdem zumeist auch mehr als den üblichen Betrag.

Eigentlich wollte ich dazu gar nichts schreiben, hielt ich das doch zwar für eine lustige und offenbar erfolgreiche Idee (bis 23. August sind Spenden in Höhe von über 62 Millionen Dollar eingegangen), aber nichts, wofür ich mich als katholischer Blogger interessieren müsste. Nachdem mich erstens aber anfangs die zunehmenden Facebook-Berichte über Nominierungen und Filmchen von über den Kopf gegossenem Eiswasser ein bisschen genervt haben und mir nun mehr und mehr die quengeligen Kommentare der Kritiker dieser Aktion erheblich auf die Nerven gehen, und es zweitens gerade unsere Familie getroffen hat (meine Frau war nominiert und hat gestern Abend „geliefert“) muss ich doch mal dazu in die Tasten greifen.

Zunächst mal halte ich die Aktion generell für durchaus unterstützenswert! Da ist eine Krankheit, die wenig Aufmerksamkeit genießt, deren Erforschung sich aus diesem Grund auch nur schleppend entwickelt, und die ALS Association hatte mit der Aktion, die auch genau so gut hätte im Sande verlaufen können, einfach eine gute Idee. Die Ice Bucket Challange unterscheidet sich eben von gängigen Spendenaufrufen, in denen mit Bildern von Betroffenen Mitleid erzeugt werden soll – und macht daraus, trotz dieses ernsten Hintergrunds, auch eine Spaßveranstaltung.

Das ist auch schon der erste Kritikpunkt, der angebracht wird: Die Krankheit, die Forschung und vor allem die Betroffenen gerieten aus dem Blick. Dagegen kann man eigentlich nur anbringen: Erstens ist der Begriff ALS nun in der Tat mal in aller Munde, und zweitens stellt sich die Frage, ob den Betroffenen denn mit einer lahmen „Bitte spenden Sie für diese armen Menschen“-Kampagne mehr geholfen wäre, als mit der jetzt noch rollenden Welle an Spenden? Beim Sammeln von Spendengeldern geht es … genau: um das Sammeln von Spendengeldern, nicht in erster Linie um die Aufklärung über eine Krankheit oder das Erzeugen von Mitleid für die Betroffenen (letzteres ist in klassischen Spendenaufrufen ein Mittel, aber nicht ein Ziel). Das Argument ist also eines von Menschen, die einen Spendenaufruf lieber erfolglos sähen, als dass er Spaß verbreiten könnte.

Der zweite Kritikpunkt ist da schon von einem anderen Kaliber: Soll man wirklich der ALS Association spenden? Die steht im Mainstream wegen des Einsatzes von Tierversuchen, auch wegen der Art der Verwendung von Spendengeldern in der Kritik, für Katholiken verbietet sich eine Spende an dieses Institut in der Tat wegen des Einsatzes embryonaler Stammzellen, zu deren Gewinnung Embryonen getötet werden müssen. Bedeutet so eine Einschätzung das Ender einer Kette derartiger Nominierungen? Mitnichten – es erweitert möglicherweise sogar die Botschaft! Wenn nämlich katholische Nominierte statt der ALS Association ein anderes Institut mit Ihrer Spende bedenken und das auch entsprechend in ihrem Film deutlich machen, dann schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe: Die Aufmerksamkeit für die Krankheit wird erhöht und die Problematik der embryonalen Stammzellenforschung wird ebenfalls thematisiert. Als mögliche Spendenempfänger seien in den USA das „John Paul II Medical Research Institute“ in Iowa benannt, dass ohne embryonenverbrauchende Forschung auskommt, oder auch ganz themenfremde Empfänger wie Lebensschutzvereine (zum Beispiel das Projekt 1000plus) genannt.

Über die Frage, ob das Verschütten eines Eimers Wasser tatsächlich eine Verschwendung darstellt – besonders wenn man sich fragt, wessen Wasser man da überhaupt verschwenden könnte – möchte ich mich lieber nicht auslassen. Bleibt aber noch ein letzter Kritikpunkt, den ich als freiheitsliebender Mensch ernst nehmen möchte. Es geht darum, dass einige darauf hinweisen, sich nicht zwingen lassen zu wollen, zu freiheitsliebend für einen solchen Gruppendruck zu sein, und, so meine Interpretation, die willigen Teilnehmer der geistlosen Gefolgschaft eines hirnlosen Trends bezichtigen. Natürlich ist der Gruppendruck nicht zu verachten, und gerade wenn jemand in der Öffentlichkeit steht, kann es unangenehm werden, wenn er die Nominierung und/oder eine Spende ablehnt. Man steht leicht als „Spaßbremse“ da, wenn man bei so was nicht mitmacht. Aber andererseits: Wer tatsächlich gute Gründe – und seien es gesundheitliche, das Übergießen mit Eiswasser ist je nach Konstitution nicht ganz ohne – hat, nicht teilzunehmen, muss sich natürlich nicht zwingen lassen (und muss sich auch nicht erklären). Man kann andererseits durch die Begründung der Nichtteilnahme aber auch für sein eigenes Thema ein – wenn auch kleines – Publikum schaffen. Ansonsten ist die Nichtteilnahme aber kein Beweis für eine besondere Freiheitsliebe so wie die Teilnahme kein Beweis für einen Herdentrieb ist, nicht mal für ein besonderes Geltungsbedürfnis, das auch ab und an unterstellt wird. Der „normale“ Nominierte wird von der Teilnahme gar nicht, der „Promi“ nicht langfristig profitieren. Und sollte tatsächlich jemand meinen, seinen gesellschaftlichen Status dadurch steigern zu können, wenn er sich Eiswasser über den Kopf schüttet – dann ist mir das immer noch lieber, als wenn er derartiges durch politische Einflussnahmen versucht.

Insofern: Wer nicht teilnehmen möchte, weil er die Krankheit zu wenig im Vordergrund sieht, hat meinen vollen Respekt, wenn er stattdessen mit einer Alternative aufwartet. Wer nicht an die ALS Association spenden möchte, hat Alternativen, auch außerhalb dieses Themas, für das er dadurch sogar Aufmerksamkeit erregen kann. Wer aus anderen Gründen nicht teilnehmen möchte (bei bekannten Persönlichkeiten vielleicht auch, um das eigene Amt nicht der Lächerlichkeit preiszugeben), soll es einfach lassen – kein Grund, einen solchen Menschen gering zu schätzen. Wer aber meint, Teilnehmer der Ice Bucket Challenge seien alles Lemminge auf dem Weg in den Abgrund, sollte vielleicht sein eigenes Koordinatensystem noch mal überprüfen … und letztlich nicht in allem ein gesellschaftliches Problem erkennen. Manchmal ist eine Zigarre nur eine Zigarre, und manchmal ist ein Eiseimer – ob mit oder ohne guten Zweck – nur ein Eiseimer!

Beitrag erschien auch auf: papsttreuer.blog.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Papsttreuer

Es ist noch viel schlimmer, Herr Braun, es ist der abgeleitete Stolz auf die eigene Wichtigkeit abgeleitet aus der Nominierung meiner Frau ... wie arm ist das, oder?

Nix für ungut :-)

Gravatar: Rüdiger Braun

Sie sind darauf hereingefallen, lieber Herr Honekamp. Sie schreiben:
"...und es zweitens gerade unsere Familie getroffen hat (meine Frau war nominiert und hat gestern Abend „geliefert“) muss ich doch...", lese ich da heimlichen Stolz ob der eigenen Wichtigkeit?
Sie sind ihrem eigenen Narzissmus erlegen der Ihnen Glauben machte Sie wären irgendwie wichtig und müssten das der Welt auch stante pede kundtun.

Darauf aber gleichmal 4 Vaterunser (mit Betonung auf "führe uns nicht in Versuchung")

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