Ehe und Sexualität in der Katholischen Kirche

Die theoretische Unauflöslichkeit der Ehe wird durch die Praxis immer weider widerlegt. Auch gute Katholiken haben offensichtlich kein Problem mit vorehelichem Sex oder Wiederverheiratung nach gescheiterter Ehe. Wie sollte die Kirche auf diesen Umstand reagieren?

Veröffentlicht:
von

Schneller, einfacher, lokaler: So wünscht sich Papst Franziskus die Prozesse zu Ehe-Annullierungen, mit denen der Papst im August 2015 Anregungen aus dem synodalen Prozess zur Ehe- und Familienseelsorge aufnahm. So las ich in einer Presseschlagzeile.

Haben die Synodalen beim Streit um die Zulassung wiederverheirateter Geschiedener gemerkt, dass viele zerbrochene Ehen gar nie sakramentale Ehen waren und ist jetzt der große Ehe-Check gefällig?

Auch wenn ich im Vorfeld der Synode nie um meine Meinung dazu gefragt wurde, habe ich dennoch eine. Vorneweg fünf persönliche Bemerkungen aus meinem Leben, deren Wahrheitsgehalt ich nie überprüft, aber auch nie angezeifelt habe. 

1) Wie überrascht war ich als Religionslehrer, als die ersten polnischen Aussiedler in meinem Unterricht auftauchten und wie selbstverständlich davon ausgingen, dass ein katholischer Priester ein Geliebte haben dürfe, aber eben nicht heiraten, weil er Ehelosigkeit und nicht Keuschheit geschworen habe. Derselben Sichtweise begegne ich bei meinen Bekannten in Südfrankreich. Es scheint dort so üblich, dass Geschlechtsverkehr und die sakramentale Ehe zwar zusammengehören, aber eben nicht ausschließlich.

2) Von kirchlichen Mitarbeitern, die in Lateinamerika waren, erfuhr ich, dass ein Priester etwa alle drei Jahre in abgelegene Andendörfer komme. Dann hört er Beichte, feiert Eucharistie, traut und tauft. Er traut also Paare, die schon längst in einer Naturehe zusammenleben und Kinder haben, zum Teil auch von anderen Partnern. Hier wird das Sakrament der Ehe als Sakrament der nachträglichen Festigkeit der augenblicklichen Paarbeziehung, die eben zufällig bei Ankunft des Priesters existiert, als endgültig erklärt. Ehevorbereitungskurse, Diskussionen über Geschlechtsverkehr sind daher ein überflüssiges Thema.

3) Von kirchlichen Mitarbeitern, die in Afrika waren, erfuhr ich, dass schwarzafrikanische Priester überhaupt kein Problem damit haben, wenn ein afrikanischer Mann mehrere Frauen hat, mit einer davon halt katholisch getraut ist, mit den anderen eben nicht. Solange er sich von der kirchlich Angetrauten nicht trennt, liegt aus ihrer Sicht kein Ehebruch vor.

4) Von manchem meiner ehemaligen Schüler weiß ich, dass sie sich oft erst nach Jahren des Zusammenlebens kirchlich trauen und gleichzeitig ihre Kinder taufen ließen, unter anderem auch, um früheren sexuellen Beziehungen die gleiche Qualität wie in der jetzigen Ehe abzusprechen. Ähnlich wie in Lateinamerika wird hier das Sakrament der Ehe als Sakrament der nachträglichen Festigkeit gesehen, jedoch diesmal festgelegt durch den Willen des Hochzeitspaares. Der gültige Kommuniongang bei der Hochzeitsmesse wurde nicht angezweifelt.

5) Aus meiner Kindheit weiß ich, dass der Gemeindepfarrer einer Freundin meiner Mutter riet, sich nur standesamtlich trauen zu lassen, weil er an der Dauerhaftigkeit ihrer zukünftigen Ehe zweifelte. Sex außerhalb der sakramentalen Ehe war für diesen Priester offensichtlich kein oder ein geringeres Problem, solange er nur vor einer kirchlichen Trauung stattfand und nicht danach. Das Paar bestand damals auf der Trauung. Die Ehe brachte eine Tochter hervor und zerbrach sehr schnell. Nach meinen Rückerinnerungen lebte besagte Freundin danach eine lebenslange Trennung von Tisch und Bett, ohne sich mit einem neuen Partner einzulassen. Ihren Ehemann habe ich nie kennengelernt.

Zweifelllos hat sich jemand schuldig gemacht, wenn seine Ehe dauerhaft zerbricht, was sicher der Versöhnung durch das Bußsakrament bedarf. Seine begangene schuldige Verletzung des ehemaligen Partners bleibt dieselbe, ganz gleich, ob er später seine Genitalien jemand anderem zur Verfügung stellt oder nicht. Tut er es nicht, hat die gängige Theologie in unserer Breiten kein Problem damit, ihn zum Kommuniongang zuzulassen. Tut er es aber, stempelt sie ihn zum Dauerehebrecher ohne Reue, weil diese Lehre unhinterfragt, vielleicht auch unbewusst, die Ehe als eine reine Ansammlung von Geschlechtsverkehren und nicht als endgültig zerbrochenes geistiges Ganzes sieht. Damit entscheidet nicht das Verhalten des Betroffenen, sondern der Blickwinkel des außenstehenden Theologen, ob der Betroffene als einmaliger Sünder oder als Dauersünder gesehen wird.

Für die Katholische Kirche besteht die theologische und kirchenrechtliche Herausforderung darin, ob das Sakramentale ihres Eheverständnisses auch dann gewahrt bleibt, wenn man den geistigen Tod in einer zerbrochenen Ehe als solchen anerkennt und wie man ihn für die Außenstehenden  kirchenrechtlich festzurrt, ohne die vom Grundsatz her unauflösliche Ehe der Beliebigkeit des Partnerwechsels preiszugeben.

Der Innsbrucker Bischof Manfred Scheurer schlägt zu diesem Themenkreis vor, dass der wiederverheiratete Geschiedene, der zur Kommunion gehen will, sich der Zustimmung seines früheren Partners, mit dem er sich das Sakrament der Ehe gespendet hat, sicher sein muss. Denn man könne nicht am Leib Christi teilhaben und sich gleichzeitig unchristlich verhalten. Eine theologisch gültige Teilnahme an der Kommunion müsse sich am Glauben, an der Versöhnung und der Verantwortung in einer neuen Partnerschaft orientieren.

Nachdenkenswert, finde ich.

Zuerst erschienen auf winfried-schley.over-blog.net

Für die Inhalte der Blogs und Kolumnen sind die jeweiligen Blogger verantwortlich. Die Beiträge der Blogger und Gastautoren geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder des Herausgebers wieder.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Gravatar: Clara West

Ich möchte noch gern etwas hinzufügen.

Es wäre wünschenswert, wenn in Zukunft mehr differenziert würde, wenn über Katholiken gesprochen wird. Gemeint sind hier die Römisch Katholischen und vielleicht auch noch andere. Altkatholiken (so wie ich) haben einen völlig anderen Ansatz. Altkatholische Priester dürfen heiraten und eine Familie gründen. Frauen können Priesterinnen werden und wiederverheiratete Geschiedene ohne Diffamierung oder großzügiger Gnadensattitüde zur Kommunion gehen. Homosexuelle Partnerschaften können auf Wunsch eine kirchliche Segnung erhalten. Wir haben keinen Papst; das höchste Amt wird von einem Bischof bekleidet.

Und vieles mehr...

Der Denkansatz ist also völlig anders, trotzdem aber sind wir Katholiken und das schon seit vor dem ersten vatikanischen Konzil, also kein neumodischer Kram aus USA :)

Gravatar: Clara West

Mr Datko you made my day :) !!!

Ich habe Ihren Kommentar heute morgen beim Frühstück gelesen und herzlich gelacht über den Vorschlag zum langsamen Ausstieg.

Sehr schön.

Gravatar: Bileams Esel

Es darf vielleicht bei dieser Thematik an Friedrich Nietzsche erinnert werden:" Solange man nicht die Moral des Christentums als Kapitalverbrechen am Leben empfindet,haben dessen Verteidiger gutes Spiel.''
( Nietzsche/III 826)
Und die Psychoanalyse kennt unzählige Fälle
neurotisierend-anankastischer Deprivation ( auch beim Klerus) durch eine von Nomadenvölkern als göttliches Gebot tradierte Sexualmoral .

Gravatar: Teresa

Noch ein Punkt:

"Der Innsbrucker Bischof Manfred Scheurer schlägt zu diesem Themenkreis vor, dass der wiederverheiratete Geschiedene, der zur Kommunion gehen will, sich der Zustimmung seines früheren Partners, mit dem er sich das Sakrament der Ehe gespendet hat, sicher sein muss. Denn man könne nicht am Leib Christi teilhaben und sich gleichzeitig unchristlich verhalten. Eine theologisch gültige Teilnahme an der Kommunion müsse sich am Glauben, an der Versöhnung und der Verantwortung in einer neuen Partnerschaft orientieren."

Es geht bei der katholischen Ehe aber nicht nur um das Versagen gegenüber dem Partner, sondern um die Abbildung der Treue Christi zu Seiner Kirche (Epheserbrief). Christus wird sich eben keine andere Kirche suchen, nur weil die alte Ihm untreu ist. Er wird es auch nicht tun, wenn er sich vorher Rückversichern kann, dass Er und Seine bisherige Kirche sich gegenseitig vergeben haben.

N.B. : Der zitierte Bischof heißt "Scheuer" (ohne Mittel 'r'). Das schon seit zwanzig Jahren in Österreich übliche Wortspiel mit seinem Namen (er wird dort als der 'Besch...te' bezeichnet) lässt ahnen, dass diese unkompetente Auslassung nicht die erste dieser Art ist.

Es geht hier um das Seelenheil von Menschen und nicht darum, der Welt hinterherzuhecheln...

Gruß,

Teresa

Gravatar: Teresa

Vielleicht sollten Sie sich mal kundig machen, wie die katholische Lehre ist. Ihr Artikel strotzt vor Fehlinterpreationen und ich will nur eine herausgreifen:

"Er traut also Paare, die schon längst in einer Naturehe zusammenleben und Kinder haben, zum Teil auch von anderen Partnern."

Das Sakrament der Ehe stiftet nicht der Priester (der ist nur Zeuge), sondern die Eheleute sich gegenseitig. Entscheidend für die Gültigkeit einer Ehe, ist der freie Wille diese Ehe einzugehen und das kein anderes Ehehindernis vorliegt. Eines davon wäre eine bereits geschlossene Ehe mit einem noch lebenden Partner.

Auch "Naturehen" zwischen Nichtgetauften sind für die katholische Kirche gültige Ehen. Sie unterliegen allerdings im Falle der Taufe nur eines der Ehepartner, dem sogenannten "paulinischen Privileg". Der nichtgetaufte Partner kann den Getauften "freigeben", falls er mit dessen Christentum nicht zurechtkommt. Dann und nur dann, kann der Getaufte zu Lebzeiten seines bisherigen Ehepartners eine neue Ehe eingehen.

Katholiken, die heiraten, sind an die Formpflicht der sakramentalen Ehe gebunden, aber sie haben auch ein Recht binnen einer bestimmten Frist vor der Kirche getraut zu werden. Wenn kein Priester erreichbar ist, können sie auch so zusammenziehen. Die Ehe ist gültig und wird nachträglich vom Priester "bezeugt".

Wenn Kinder aus einer früheren Partnerschaft da sind, kann das heißen, dass es bei dieser früheren Partnerschaft trotz gemeinsamer Kinder eben keinen Ehewillen gab. So ein Verhältnis ist eine schwere Sünde, die während ihres Bestehens vom Heil ausschließt, aber nach Reue, Beichte und Absolution kein Ehehindernis, wenn der zukünftige Ehepartner von dieser Vergangenheit und den damit verbundenen Verpflichtungen weiß.

Gruß,

Teresa

(Katholikin und uneheliche Mutter ;-) )

Gravatar: Joachim Datko

Die abrahamitischen Religionen Judentum, Christentum und Islam laden den Menschen gerne einen Schuldkomplex auf, um sie unterdrücken zu können.

Zitat: "Zweifelllos hat sich jemand schuldig gemacht, wenn seine Ehe dauerhaft zerbricht, was sicher der Versöhnung durch das Bußsakrament bedarf."

So sind sie, die Religionen, die Menschen abhängig machen ist eine ihrer Spezialitäten.

Da ist das staatliche Gesetz zu bevorzugen. Eine Ehe kann danach zerrüttet sein, man fragt nicht nach der "Schuld", wenn ich richtig informiert bin.

Auch streng katholische Menschen können sich freimachen. Man kann ja langsam aussteigen, z. B. die Gebetszeiten verkürzen.

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang