Drei - sehr gut - wählbare Kandidaten

Noch selten habe ich einen Wahlgang erlebt, wo gleich drei Kandidaten mit bestem Gewissen wählbar sind.

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Für die Freiheitlichen wird es also jetzt Ursula Stenzel sein. Auch auf sie trifft diese positive Bewertung zu – aber auch eine Reihe interessanter Beobachtungen. (Mit nachträglicher Ergänzung).

Denn ganz offensichtlich war sie für die FPÖ nicht erste Wahl. Nur hat die Partei das geschickter kaschiert als die Volkspartei, wo die Herrn Pröll und Mitterlehner beim gleichen Problem extrem unprofessionell agiert haben. Viele im freiheitlichen Parteiapparat haben jedoch in Wahrheit Probleme mit einer erst vor kurzem und aus relativ vordergründig erscheinenden Motiven von einer anderen Partei eingewechselten Kandidatin.

Viele Freiheitliche wollten nicht kandidieren

Aber (auch) bei den Freiheitlichen wollten etliche aus der Reihe der Erstgefragten letztlich nicht. Dies trifft etwa auf Rechnungshofpräsident Moser zu, der sich im Rechnungshof ganz vom Geruch eines freiheitlichen Dienstnehmers befreit und zweifellos staatsmännisches Profil gewonnen hat. Er wäre offensichtlich nur für eine gemeinschaftliche Kandidatur beider Rechtsparteien bereitgestanden, um nicht wieder ganz den FPÖ-Stempel zu haben. Der dritte Parlamentspräsident Hofer hat sich wiederum für zu jung erklärt. Und schließlich sagte auch Parteichef Strache selber ab.

Diese Absagen überraschen aufs erste Hinhören. Liegt doch die FPÖ bei allen Umfragen weit an der Spitze. Aber dennoch besteht für einen deklarierten FPÖ-Kandidaten die große Wahrscheinlichkeit, es im zweiten Wahlgang nicht zu schaffen, weil dann eine Mehrheit der Nicht-FPÖ-Wähler den Gegenkandidaten wählen wird. Die Absager haben mit Sicherheit an das Schicksal der Le-Pen-Partei bei den letzten französischen Regionalwahlen gedacht: Die französische Schwesterpartei der FPÖ hat trotz ihrer überlegenen Führung bei Umfragen letztlich im zweiten Wahlgang keine einzige Region erobern können. Auch das Wiener Wahlergebnis vom Oktober lässt sich ähnlich interpretieren.

Diese Angst, dass es auch bei der österreichischen Präsidentenwahl so ausgehen könnte, steckt ganz sicher hinter den Absagen von Moser, Hofer und Strache. Der Parteichef hatte zusätzlich das Problem, dass er bei einer Kandidatur allzu sehr dem biederen Zettel aus Shakespeares Sommernachtstraum geglichen hätte: „Lasst mich den Löwen auch spielen.“ Es wäre ein Elfmeter selbst für die minderbegabten österreichischen Kabarettisten gewesen, wenn einer ständig alles werden will: Bundespräsident, Bundeskanzler, Bürgermeister, Klubobmann, österreichischer Parteiobmann, Wiener Parteiobmann. Aber auch immer jünger werdende Freundinnen sind keine sonderliche Verbesserung der Wahlchancen.

Ursula Stenzel lässt sich hingegen durch die Wahrscheinlichkeit einer Niederlage nicht beirren, obwohl das bei einer Kandidatin der stärksten Partei jedenfalls eine Enttäuschung ist. Sie ist trotz ihres Alters eine Frau einer neuen Generation, die weniger furchtsam als die Männer ist. Sie liebt den (Wahl-)Kampf. Sie hat ja auch für ihre frühere Partei, die ÖVP, auf zwei Ebenen triumphale Siege errungen: in Europa und im ersten Bezirk.

Freilich: Bei der letzten Wiener Wahl, also nach ihrem durch eine (wie in der Causa Pröll) schlechte ÖVP-Regie ausgelösten Wechsel von Schwarz zu Blau, schnitt sie erstaunlich schwach im Rennen um den ersten Bezirk ab.

Das Ende des Jugendkults

Ein Argument wird man ihr freilich nicht mehr entgegenhalten können, dass im City-Wahlkampf erstaunlich oft zu hören war: „Die Alte soll doch aufhören.“ Denn Alter ist in diesem Präsidentenwahlkampf offensichtlich Trumpf. Stenzel liegt mit ihren 70 Jahren genau in der Mitte, die Herrn Khol und Van der Bellen sind älter; und alle fünf relevanten Kandidaten bewegen sich zwischen 64 und 74.

Die Epoche des Jugendkults ist zu Ende. Die Gesellschaft sucht wieder wie schon im Großteil der Geschichte respektable alte Männer – und jetzt auch Frauen – für Autoritäts-Positionen.

Daher hatte ein sehr junger Politiker wie Sebastian Kurz auch etliche Aversionen zu überwinden, um trotz seines Alters akzeptiert zu werden. Das ist ihm auf Grund einer ganz erstaunlichen Begabung und Intelligenz voll gelungen, während ja viele seiner Alterskollegen, die auch Kurz selbst an etlichen Stellen hineingebracht hat, (bisher?) total enttäuschen.

Der Jugendkult war weltweit im Gefolge des jungen amerikanischen Präsidenten Kennedy ausgebrochen. Er hatte viel damit zu tun, dass die Babyboomer-Generation etliche Jahre die Gesellschaft jung geprägt hat. Heute sind die Wähler aus dieser Generation hingegen alt geworden und junge Österreicher rar. Das prägt eine ganz andere Einstellung zum Lebensalter von Spitzenpersönlichkeiten.

Aber auch die konkrete österreichische Erfahrung mit jungen Politikern hat die diesbezügliche Euphorie verschwinden lassen: Denn ausgerechnet die beiden jüngsten Finanzminister der Republik, die in ihren Amtsjahren von vielen ob ihrer rhetorischen und äußerlichen Attraktivität bewundert wurden, haben am Ende jeweils mit der Strafjustiz unangenehme Erfahrungen sammeln müssen. Unter den vielen anderen älteren Finanzministern musste das hingegen keiner.

Es wird jetzt ein sehr spannender Wahlkampf unter den drei bürgerlichen Kandidaten Griss, Khol und Stenzel entbrennen. Viele bürgerliche Menschen werden angesichts dieser ausnahmsweise positiven Auswahl vor allem eines tun: taktisch wählen. Das heißt, sie werden ihre Stimmen jenem geben, der die besten Chancen hat zu verhindern, dass in die Stichwahl nur die beiden linken Kandidaten kommen.

Vollständiger Beitrag erschienen auf andreas-unterberger.at

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