Drei Prozent sind zu viel, zu wenig – oder nur ein Randproblem?

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Karlsruhe hebt die Dreiprozent-Hürde für die Europawahl auf. Denn das EU-Parlament sei ohnedies jetzt schon sehr zersplittert; und dort brauche es keine klaren Mehrheiten. Ein ebenso interessantes wie seltsames Urteil.

Seltsam ist schon einmal die Tatsache, dass eine Interpretation der Verfassung ganz offen von Wahlergebnissen abhängig gemacht wird. Das bedeutet eine – vorsichtig ausgedrückt – ungewöhnliche Vorstellung von Verfassung. Die Argumentation der Karlsruhe-Richter bedeutet im Umkehrschluss ja: Wäre das EU-Parlament nicht so zersplittert, wie es zweifellos ist, dann wäre die Dreiprozenthürde verfassungsrechtlich ok. So aber kann man diese abschaffen.

Zugleich sagt das deutsche Verfassungsgericht mit seiner Begründung auch indirekt: In der EU gebe es eh keine echt demokratischen Verhältnisse. Dort braucht es laut Karlsruhe ja keine Regierungsmehrheit. In Staaten schon. Das ist eine mehr als bittere, wenn auch wahre Aussage über die EU.

Der Hauptkritikpunkt, der das EU-Parlament als undemokratisch erscheinen lässt, wird freilich auch von Karlsruhe nicht ins Zentrum gerückt: Das ist die (von den EU-Verträgen so geregelte) Tatsache, dass dort Wählerstimmen total ungleich gewertet werden. Je kleiner ein Land, umso mehr Gewicht hat jeder Bürger. Bis hin zur Extremrelation 1:12, die es zwischen Malta und Deutschland gibt.

Solange dieses Ungleichgewicht nicht beseitigt ist, ist es letztlich völlig sekundär, ob in einem Land die Drei-, in einem anderen die Vier- oder Fünfprozentklausel gilt, ob da die Nullprozentregel eingeführt wird und anderswo das Mehrheitswahlrecht gilt. Aber Juristen und erst recht Politiker diskutieren halt oft lieber Randfragen, statt sich den eigentlich gravierenden Themen zu stellen. Weil man halt Angst hat, diese nicht zu derheben.

Weiterlesen auf: andereas-unterberger.at

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