Doppeltagebuch 1989/ 2009 12.Oktober

Die Politbürokraten demonstrieren ihre Uneinsichtigkeit durch eine martialische Erklärung, die im „Neuen Deutschland“ veröffentlicht wird. „Die sozialistische

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Arbeiter-, und Bauernmacht ist von niemandem erpressbar“ lautet der Titel des Elaborats, das noch mal alle Propaganda- Klischees der SED vereint. Schuld an allem sei der „Imperialismus der BRD“, der die „konterrevolutionären Attacken“ der Opposition steuere und „verantwortungslos Ruhe und Ordnung“ störe. Wer die Nerven hatte, sich durch diese Propaganda-Wortflut durchzuarbeiten, fand ganz versteckt auch Bedauern über den Exodus der Bürger . Es folgte der Satz: „Wir stellen uns der Diskussion“ Diese kleine Passage wirkt wie heimlich hereingeschmuggelt. Offenes Zugehen auf die Bürger sieht anders aus. Der Erklärung waren heftige Debatten im Politbüro vorausgegangen. Egon Krenz hatte den Text schon am 8. Oktober eingebracht. Er war aber erst am 11. von Honecker freigegeben worden. Der Parteichef spielte nach wie vor mit dem Gedanken , militärisch gegen die Demonstranten vorzugehen. Honecker wirbt für seine harte Linie auf einem Treffen mit den Chefs der Bezirksparteileitungen. Er traf aber nicht mehr auf einhellige Zustimmung. Mehrere Bezirkschefs lehnten eine gewaltsame Beendigung der Demonstrationen ab und plädierten dafür, auf die Erwartungen in Partei und Gesellschaft zu reagieren. Diese Formulierung zeigt, dass den Parteichefs bewusst war, wie tief die Sehnsucht nach Veränderung schon in die Reihen der SED eingedrungen war.
Wer sich gegen Honecker gewandt hatte, konnte sich durch das Europäische Parlament bestätigt sehen, das in einer Entschließung demokratische Reformen in der DDR anmahnte.

Dieser Beitrag erschien ursprünglich am 12.10.09 auf "vera-lengsfeld.de"

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