Diskussionen: Mit Anstand oder Berserkerhaftigkeit?

Karen Horn ist aus der Hayek-Gesellschaft ausgetreten. Man streitet über den rechten Liberalimus. Aber es geht eigentlich um die Art und Weise, wie bisweilen der politische und gesellschaftliche Diskurs geführt wird.

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Setzen Sie sich „für einen seriösen Diskurs in Respekt, Anstand, Redlichkeit und ohne gesprächsabschließende wütende Verteufelungen“ ein? Wer wollte das nicht von sich behaupten. Dann sind Sie vermutlich auch von manchen Positionen in „ihrer Rückwärtsgewandtheit, ihrem Dogmatismus, ihrer Intoleranz, ihrer Übergriffigkeit und ihrer verbalen Berserkerhaftigkeit“ verschreckt? Nein, als intolerant wollen wir alle nicht gelten, und wer lässt sich schon gerne Berserkerhaftigkeit vorwerfen? Insofern sind solcherlei Abgrenzungen zur eigenen Selbtreflektion gar nicht schlecht: Was von den obigen Beschreibungen trifft auf mich zu, was muss ich gegen mich gelten lassen?

Gefährlich wird es allerdings dann, wenn man aus einem eingeschränkten Horizont heraus sich selbst lediglich die positiven Eigenschaften zuordnet, während die politischen oder gesellschaftlichen Gegner ganz offenbar zur anderen Gruppe gehören müssen. Dann verkommt das, was zur Reflektion Anlass geben könnte, zur reinen Selbstbestätigung. Die anderen, die mich nicht verstehen wollen, die ich bereits mit dem Begriff des Reaktionären gebrandmarkt habe, sind dann plötzlich dogmatisch und intolerant. Und während man noch munter mit solchen Begriffen um sich wirft, merkt man gar nicht, dass man sich selbst einer „verbalen Berserkerhaftigkeit“ bedient, die man den anderen gerade vorwirft. Ein geschlossenes Weltbild ficht das aber nicht an – Man ist im Recht und jeder Widerspruch, vor allem, wenn er emotional vorgetragen wird, bestätigt das nur!

So muss man wohl den verbalen Rundumschlag von Karen Horn in ihrem Beitrag für Cicero bewerten. Die ehemalige Vorsitzende der Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft, mittlerweile ehemaliges Mitglied dieses Vereins wie mit ihr rund 50 weitere, teilt noch einmal so richtig aus. Was sie mit Ihrem FAZ-Beitrag begonnen hat, die verbale Säuberung der Hayek-Gesellschaft von dem, was sie für reaktionär hält, was sie mit den Vorwürfen gegen den Umgang mit ihr bei der Hayek-Mitgliederversammlung, an deren Details sich andere Teilnehmer seltsamerweise so nicht erinnern können, fortgesetzt hat, dem setzt sie jetzt mit diesem Beitrag die Krone auf, offenbar in dem Bestreben, das Tischtuch zwischen sich und den in der Gesellschaft verbliebenen Mitgliedern entgültig zu zerschneiden.

Es soll hier aber nicht um die Hayek-Gesellschaft gehen, auch nicht um Karen Horn, nicht mal im engeren Sinne um den Liberalismus, der sich in der Diskussion zu finden sucht. Es geht um die Art und Weise, wie bisweilen der politische und gesellschaftliche Diskurs geführt wird. Wobei man von einem Diskurs in den meisten Fällen gar nicht reden kann. Denn bei dem würde man im Wechsel von Rede und Gegenrede irgendwann mal einen Konsens – notfalls auch ein Einverständnis, sich nicht einig zu werden – erwarten. Der Austausch von Argumenten, um selbst schlauer zu werden, seine eigene Position an denen der anderen zu prüfen und dort, wo notwendig, seine Einstellung auch überprüfen, anpassen oder gar über den Haufen werfen. Das gehört zum Diskurs, setzt aber Einsicht in die eigene Unzulänglichkeit voraus.

Wann haben Sie das letzte mal in einer Facebook-Diskussion gelesen, dass jemand schreibt „Entschuldigung, da lag ich falsch, ich stimme Dir doch zu?“ Ich meine das durchaus selbstkritisch, ich kann mich ehrlich gesagt auch nur an wenige Situationen erinnern, in denen ich das getan habe, und angesagt gewesen wäre es vermutlich öfter. Viel bequemer ist es da doch, Kommentare einfach stehen zu lassen oder knüppelhaft dagegen zu argumentieren: Desto härter, je weniger ich noch von meiner eigenen Position überzeugt bin. Nachgeben? Kann nur ein Zeichen von Schwäche sein! Differenzieren? Sollen gefälligst die anderen! Denn die sind es ja auch, die nicht alle Aspekte einbezogen haben, insbesondere die nicht, die man selbst für richtig und wichtig hält.

Bewegt man sich dann noch in einschlägigen Facebook-Gruppen und -Freundeskreisen, die einen darin auch noch bestätigen, ist die Gefahr hoch, nicht mehr objektiv sich selbst gegenüber zu sein. Mir wird Recht gegeben, ich ernte „Likes“, meine Beiträge werden zustimmend geteilt – da kann doch Widerspruch nur ein Zeichen von Unverständnis, mangelnder Weitsicht oder gar Dogmatismus sein. Und dann sind die anderen eben „berserkerhaft“, obwohl man sie selbst mit Schimpfkanonaden belegt.

Nun gibt es diverse Diskussionen, in denen mich das nicht weiter stört, wenn es aber um Themen geht, die mich selbst interessieren, dann machen mich solche verbalen Scharmützel betroffen. Da werden dann Positionen auseinanderdividiert, nur weil man sich in einem Detail nicht einig ist. Das trifft auf den Liberalismus zu, bei dem man sich – siehe Hayek-Gesellschaft – darüber streitet, was als konservativ, wertkonservativ oder eben als rechts zu gelten habe, anstatt den gemeinsamen Nenner gegen einen überbordenden Sozial- und Regulierungsstaat zu suchen und zu nutzen. Und das trifft auch auf Kirchenfragen zu, in denen auch der Streit um Modernismus oder Konservatismus immer wieder aufflackert, anstatt dass wir uns auf unseren Auftrag als Kirche, der Evangelisierung, konzentieren. Über das Wie kann man dann noch unterschiedlicher Ansicht sein, muss dem anderen dann aber nicht mehr Glaubensabfall vorwerfen.

Wie gesagt, der Anspruch ist hoch, ich scheitere selbst oft an ihm, er setzt voraus, sich selbst und seine Meinungen und Überzeugungen auch mal in Frage zu stellen, andere Positionen auch mal ohne Widerspruch stehen lassen zu können, selbst wenn man sie anzweifelt. Zu kämpfen lohnt es sich um die Grundlagen unserer Überzeugungen, dies ist kein Plädoyer für „Friede, Freude, Eierkuchen“, aber ob diese Grundlagen in den einzelnen Debatten jeweils berührt sind, kann man doch in Frage stellen. Das wäre jedenfalls mein Vorsatz.

Zuerst erschienen auf papsttreuerblog.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Äitsch-PI

Hallo Herr Honekamp,
Sie sprechen da ein durchaus interessantes Phänomen unserer "Diskurskultur" an. Wie schnell reißen vorhandene Beziehungsfäden, wenn aus einer Meinungsverschiedenheit erst eine abgrenzende Distanzierung, dann eine Gegnerschaft bis hin zu versteckter oder sogar offener Feindschaft, Verachtung , Hass wird.
Ich selbst habe dieser Erfahrung gemacht z.B. bei den Themen Evolutionstheorie, Abtreibung und christlicher Glaube, was ja irgendwie alles zusammen gehört, ich vermute mal, dass nicht Wenige von ähnlichen Erfahrungen berichten können.

Das Ergebnis auf der gesellschaftspolitischen Ebene ist jedenfalls eine eigenartige Lähmung, bei der sich zwei gegenteilige Lager in einem unproduktriven Konfrontationskurs gegenüber stehen:
Ideologisierte, entwurzelte links-grüne Volkshasser aus der Sicht der Einen, reaktionär-dumpfdeutsch konservative Spießer aus der Sicht der Anderen.

Wie diese gesellschaftliche Lähmung überwunden werden kann und in einen konstruktiven Dialog überführt werden kann, das weiß ich momentan auch noch nicht.
Es könnte aber durchaus auch lachende Dritte geben, die im Verborgenen das Feuerchen lebendig halten, denn eine lebendige, funktionierende Demokratie, in der alle Stimmen sich angemessen vertreten fühlen, wäre ja in Wirklichkeit ein Zeichen von Stärke, an der nicht allen gelegen sein kann auf diesem Globus.

HP

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