Die Jahrhundert-Blase

Zuerst kommt der Aufschwung mit Kursgewinnen. Doch dann kommt die Blase, und die kann platzen. Nur weiß man das erst hinterher. Kommt ein Anleihencrash? Ja! Wann: Keine Ahnung! Wird er schlimm? Für manche.

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Eine Blase nennt man erst Blase, wenn sie geplatzt ist. Vorher nennt man sie Aufschwung. Die Umlaufrendite, das DAX-Pendant für den Rentenmarkt, fällt seit 40 Jahren und sorgte damit stets für Kursgewinne. Wenn das Pendel dreht, dann stehen wir vor einem Trümmerhaufen.

Die Umlaufrendite (Bild) ist die durchschnittliche Rendite aller im Umlauf befindlichen deutschen Staatsanleihen, die auf die inländische Währung lauten. Sie hat z.B. für Lebensversicherer und viele andere Anleger oftmals eine rechtliche Bindung und wird vom Aufsichtsamt oder dem Finanzministerium vielmals für “staatliche Zinssätze” herangezogen. Wenn die Rendite fällt, dann steigen die Anleihenkurse und umgekehrt. Der Rentenmarkt hat immer zwei Ertragskomponenten: Zinsen und Kursgewinne. Die letzten 40 Jahren sahen wir für langfristig orientierte Investoren stets Kursgewinne.

Eine zehn jährige deutsche Staatsanleihe mit 6% Verzinsung kostet heute ca. 155% und wird zu 100% getilgt. Übrig bleibt eine Rendite in Höhe von zirka 0,56% pro Jahr. Würde diese Anleihe auf 160% steigen, dann gäbe es auf 10 jährige AAA-BRD-Anleihen keine Rendite mehr. Aber Anleihekurse können auch fallen. Dies passiert immer dann, wenn die Renditen steigen. Renditen steigen, wenn sich das Zinsniveau erhöht, wenn die Geldverleiher (Anleger) eine höhere Risikoprämie wollen, oder wenn das Geld ansich knapp wird. Banken, Versicherungen und viele andere Investoren müssen per Gesetz diese Staatsanleihen kaufen. Diese Anleger trifft es bei Kursrückgängen zuerst.

Die Kursgewinne der Vergangenheit haben bei vielen Lebensversicherungen und anderen Anleiheninvestments zu Gewinnen und sog. Bewertungsreserven geführt. Gerade Versicherer werden hier künftig ein großes Problem haben, denn diese Zusatzgewinne brechen weg. Nun versucht man noch verzweifelt die vergangenen Kursgewinne per Schneeballsystem an die Kunden weiterzugeben. Das geht so lange gut, bis der gesamte Deckungsstock niedrigverzinst angelegt ist. Die Zinsen sind 40 jahre lang gefallen und seit 2011 ultraniedrig. Das heißt 2021 laufen die letzten 10 jährigen Anleihen, die noch ein bisschen was abwerfen, aus.

Der Aktienmarkt kann um beispielsweise 50% fallen, dadurch wird aber keine langanhaltende Wirtschaftskrise geschaffen. Reduziert man den Anleihemarkt jedoch um nur wenige Prozente, dann hat man gleich eine Wirtschaftsdepression. Einen Vorgeschmack hierauf sahen wir in der Eurokrise in den Südländern. Die Kurse fielen, die Zinsen stiegen (Risikoaufschläge) und die Länder waren auf einmal in einem krassen Krisenmodus. Die Kurse konnten nur durch Manipulation der EZB und Risikotranfer zu anderen Staaten (EFSF, ESM) gestützt werden. Das Risiko dieser Länder ist aber nicht weg, sondern nur verlagert.

Wenn aus einem Ballon Luft entweicht, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder der Ballon schrumpft langsam und kontrolliert, oder er platzt. Welches Ablaufszenario für diese Blase das wahrscheinlichere ist, kann man heute gewiss noch nicht sagen. Der Rentenmarkt hat in den vergangenen vier  Jahrzehnten den längsten Bullenmarkt seiner Geschichte erlebt. Der deutsche Rentenindex ist seit dem Jahr 2000 ununterbrochen gestiegen. Dies ist aber kein deutsches oder europäisches Phänomen, sondern ein globales. Das Finanzsystem hat sich an fallende Zinsen und steigende Kurse gewöhnt. Ein Drehen dieses Jahrhundert-Trends wird interessante Folgen haben.

Statt in die Realwirtschaft überzugehen, ist die Geldflut der EZB im Finanzsystem hängen geblieben  und eben vor allem in Anleihen geflossen. Doch die EZB ist nicht alleinschuld; die Zinsen fallen seit 40 Jahren und da gab es die EZB noch nicht. Bei Staats-, aber auch bei Unternehmensanleihen, stehen Renditen und Risiko in keinem Verhältnis mehr. Die Renditen sind kurz davor, negativ zu werden. Spätestens dann steigen solche Anleger die das dürfen, aus den Bondmärkten aus, denn niemand möchte Geld verlieren. Der Verkaufsdruck könnte erste Verkaufswellen schaffen und die Entwicklung nimmt ihren Lauf.

Der globale Bondsmarkt entsprach 2005 zirka 98% des weltweiten Bruttoinlandsprodukts. Was hier gehandelt wird, sind die “Schulden der Welt”. Der kommende Crash hat gleich 2 Väter: Die fehlende Zinszahlung macht Anleihen unattraktiv und die Kursgewinne der letzten 40 Jahre können nicht nochmal kommen, außer die Renditen würden stark negativ. Wir haben im Anleihenmarkt das Pulver für mehr als eine Generation verschossen. Für die Medien ist dies (noch) uninteressant, denn viele verstehen den Anleihemarkt schlicht fachlich nicht. Allein der mathematische Mechanismus, der negativen Korrelation von Rendite und Kurse, ist vielen nicht klar.

Kommt ein Anleihencrash? Ja! Wann: Keine Ahnung! Wird er schlimm? Für manche.

Zuerst erschienen auf pinksliberal.wordpress.com

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