Die Irreführung der Öffentlichkeit

Am Donnerstag hat die Große Koalition bewiesen, dass sie nicht gewillt ist, das unter Führung von Kanzlerin Merkel angerichtete Einwanderungschaos in den Griff zu bekommen. Im Gegenteil. Es soll alles so weiter gehen, wie gehabt, offenbar bis zum bitteren Ende.

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Am Donnerstag hat die Große Koalition bewiesen, dass sie nicht gewillt ist, das unter Führung von Kanzlerin Merkel angerichtete Einwanderungschaos in den Griff zu bekommen. Im Gegenteil. Es soll alles so weiter gehen, wie gehabt, offenbar bis zum bitteren Ende. Für die Öffentlichkeit wurden ein paar Beruhigungspillen in Aussicht gestellt. Es soll drei bis fünf  Registrierzentren eingerichtet werden, die freilich eher den Vorstellungen der SPD als den außerterritorialen Transitzonen der CSU nahekommen, die Einwanderer ohne Chancen auf Asyl gar nicht erst ins Land lassen wollte. Jetzt will man Ordnung ins Chaos durch einen einheitlichen Ausweis und eine Datenbank schaffen. Über die, wie Siegmar Gabriel vor ein paar Tagen schätzte, etwa 50% unregistrierten Einwanderer wird gar nicht gesprochen.

Wie Registrierzentren und Ausweis realisiert werden sollen, bleibt völlig schleierhaft. In den Registrierzentren sollten die Menschen zwar nicht festgehalten werden, es gibt aber eine Residenzpflicht. Wer sich nicht registrieren lässt oder gegen Auflagen verstößt, wird durch Taschengeldentzug sanktioniert, beim zweiten Vorfall soll abgeschoben werden. Da die Abschiebung aber in Länderhoheit liegt, hat der Bund hier gar nichts zu sagen. Nunmehr soll innerhalb einer Woche das Asylverfahren abgeschlossen werden, das rechtliche Verfahren mit Einspruch in 14 Tagen. Wer nicht anerkannt wird, soll abgeschoben werden. Höchst fraglich, wie das plötzlich so schnell gehen soll und wie Tausende nicht nur ins ehemalige Jugoslawien, sondern auch nach Afghanistan, Pakistan oder in afrikanische Länder abgeschoben werden können. Pakistan hat übrigens gerade sein Rückführungsabkommen mit der EU auf Eis gelegt, von Afghanistan hört man Ähnliches. Wie soll die Abschiebung erfolgen? Mit einer eigenen Fluglinie, die erst noch geschaffen werden müsste? Dazu soll der Familiennachzug für zwei Jahre eingeschränkt werden, aber nur für diejenigen, die weder durch die Genfer Flüchtlingskonvention noch aufgrund des deutschen Asyl-Grundrechts anerkannt werden, aber nicht abgeschoben werden, weil ihnen Todesstrafe oder Folter droht und sie deswegen einen subsidiären Schutz genießen. Nach Angaben der „Welt“ handelt sich dabei um gerade 1700 Personen.

Von einem Erfolg für Seehofer, dessen Popularität wegen seines scheinbaren Drängens auf eine härtere Abweisungspolitik unverdient steigt, während Merkels Stern am Sinken ist, kann jedenfalls nicht die Rede sein. Es ist eine dreiste Täuschung der Öffentlichkeit. Auch wenn er betont, „sehr zufrieden“ zu sein, ist sich Seehofer insgeheim wohl bewusst, dass er diesmal nicht  mal als Bettvorleger, sondern, wie Roland Tichy richtig gesagt hat, als Fußabtreter gelandet ist. Deshalb hat er am Tag nach dem Asylkompromiss die Mär  von einer Klage gegen die Regierung in die Welt gesetzt. Um dieser Ente eine größere Glaubwürdigkeit zu verleihen, wurde Udo Di Fabio mit der „Prüfung“ einer solchen Klage beauftragt. Ich wage an dieser Stelle die Prognose, dass, egal zu welchem Ergebnis Di Fabio kommt, es diese Klage ebenso wenig geben wird, wie es den Rückzug von CSU- Ministern aus dem Kabinett Merkel gegeben hat oder eigene Bayrische Maßnahmen zur Verringerung der Flüchtlingszahl. Das überforderte Bayern traut sich nicht einmal, die Einwanderer einfach in andere Bundesländer, die, wie NRW, meinen, noch über jede Menge Aufnahmekapazitäten zu verfügen, weiterzuleiten.

Seehofers Jubel, dass man nun die "schärfsten Regeln zur Begrenzung der Flüchtlingszahlen, die es jemals in unserem Land gab", beschlossen habe - und das, so ein Seitenhieb, mit Zustimmung der SPD, ist pure Demagogie, um Stimmen zu fangen. Die Frage ist, wie lange es noch dauert, ehe ihn die Bevölkerung durchschaut.

Mit den Registrierzentren wird es weiter offene Grenzen geben, was die CSU angeblich verhindern wollte. Die beiden ersten Registrierzentren sollen in Manching und Bamberg entstehen, samt der damit verbundenen Residenzpflicht für  zehntausende Flüchtlinge. Das wird in Bayern keinen Begeisterungssturm hervorrufen, auch wenn Passau, Simbach oder Rosenheim erst einmal entlastet wären.

Dass der Asylkompromiss nicht das Papier wert ist, auf das er gedruckt wurde, zeigt der Vorstoß von Innenminister de Maizière, kaum dass die Druckerschwärze getrocknet war. Auch syrischen Flüchtlingen solle nur ein subsidiärer Schutz gewährt werden, sagte er. Das hieße, die Aufenthaltsberechtigung ist befristet, ein Familiennachzug ist nicht möglich. Im Deutschlandradio sagte er:

„Andere Staaten geben in solchen Lagen auch nur eine Sicherheit für einen Aufenthalt für eine begrenzte Zeit. Und das werden wir in Zukunft mit den Syrern auch tun, indem wir ihnen sagen: Ihr bekommt Schutz, aber den sogenannten subsidiären Schutz - das heißt zeitlich begrenzt und ohne Familiennachzug.“

Schon wenige Stunden danach wurde de Maizières Vorstoß wieder kassiert. In den drei Tagen dieser politischen Scheinaktivitäten sind schätzungsweise weitere 30 000 Einwanderer ins Land gekommen, registrierte und unregistrierte. Das von der Politik unter Führung der Kanzlerin verursachte Chaos geht ungebremst weiter. Mittlerweile häufen sich die Proteste der Neuankömmlinge, die offenbar weniger schafsgeduldig sind als die autochthone Bevölkerung. Die Einwanderer sind mit unerfüllbaren Erwartungen gekommen, die von der Politik geweckt wurden. Was geschieht, wenn hunderttausende die Erfüllung dieser Erwartungen einfordern werden?

Wie wenig unsere Kanzlerin von Verantwortung hält, hat sie gestern vor dem Untersuchungsausschuss demonstriert, der herausfinden soll, wer den ungesetzlichen Sofortausstieg aus der Atomenergie verursacht hat. Fern lag es ihr, sich zu ihren eigenen Richtlinien zu bekennen. Merkel versteckte sich plötzlich hinter einem „gemeinsamen Willen“ und wies jede Schuld weit von sich. Pikanterweise ließ sie dabei brutal Ministerpräsident Bouffier im Regen stehen, der ihr eine Woche vorher die einzige CDU- Regionalkonferenz organisiert hatte, bei der es mehr Applaus von den bestellten Merkel- Unterstützern als für die Kritiker gegeben haben soll. Bouffier ließ sich sogar dazu hinreißen zu behaupten, die CDU stünde nach wie vor „wie eine Eins“ hinter Merkel.

Er hat jetzt reichlich Gelegenheit, sein Geschwätz von gestern zu bereuen.

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