Die gefangene Zentralbank auf dem Weg in den Abgrund

Veröffentlicht:
von

Die Europäische Zentralbank, die Herrin über den Euro, ist auf eine so schiefe Bahn geraten, dass sie auf dieser zwangsläufig immer weiter hinuntergleitet. Seit mehr als drei Jahren betreibt sie indirekt und direkt die Finanzierung der kranken Staaten. Und kann längst nicht mehr zurück. Alle offiziellen Aussagen, dass das jederzeit möglich ist, erweisen sich als leeres Gerede. Das ist in den letzten Stunden gleich zweifach klar geworden. Und zwar schockierender denn je.

Zum ersten gab es da ein Dementi von EZB-Chef Mario Draghi zu einem Bericht des „Spiegel“. Das Dementi war aber so gedrechselt, dass man als geübter Zuhörer daraus eine klare Bestätigung ablesen muss.

Der „Spiegel“ berichtet, dass Draghi die Berater des bei der EZB angesiedelten Systemrisikorates zu beeinflussen versucht hat. Diese wollen nämlich das, was die ökonomische Vernunft schon lange sagt: Dass Banken von ihnen gekaufte Staatsanleihen in gleicher Weise wie andere Kredite  behandeln muss, nämlich als Risikopapiere. Das ist spätestens seit den Vorgängen in Griechenland und Zypern (sowie nach vielen Pleiten von Nicht-Euro-Ländern) eigentlich logisch. Und jeder gesunde Menschenverstand müsste es als zwingend ansehen.

Dennoch haben die Euro-Staaten es bisher immer gezielt verhindert. Über die EZB, über die sogenannten Basel-Regulierungen. Müssten Banken bei den diversen Stresstests Staatsanleihen nämlich mit dem jeweiligen Risiko bewerten, würden erstens viele Banken-Stresstests viel negativer ausfallen. Und zweitens würden die Banken sofort viel weniger Staatsanleihen kaufen. Das wäre für die ständig Defizit machenden Staaten eine Katastrophe. Denn dann würden sie ihre Anleihen nicht mehr anbringen. Oder die Sparer würden sie ihnen nur zu viel höheren Zinsen abkaufen.

Eine unabhängige EZB würde und müsste unbedingt diese Interessen der diversen Finanzminister ignorieren und nur auf die Stabilität schauen. Wie es in Zeiten vor der EZB die deutsche Bundesbank und die österreichische Nationalbank getan haben.

Die EZB dementierte diesen Bericht. Aber sie tut das mit einem seltsamen Wortlaut: Draghi habe „keine Vorschläge abgeblockt“. Das ist ungefähr so geschraubt wie die Dementis des US-Präsidenten, dass er die deutsche Kanzlerin nicht abhöre und nicht abhören werde. Woraus – durch Barack Obama unwidersprochen – das Eingeständnis abzulesen war, dass die USA in der Vergangenheit sehr wohl Angela Merkel belauscht haben.

Draghi hat halt die EZB-Berater nicht „blockiert“ – was wäre das auch für ein unelegantes Wort für einen eleganten Italiener! –, sondern er hat sie zu einer Überarbeitung ihrer Vorschläge eingeladen. In dem Dementi steht vor allem kein Wort von dem, was eigentlich am Platz wäre: nämlich, dass Draghi für eine korrekte Risikogewichtung der Anleihen wäre.

Genau wegen dieser Bevorzugung von Staatsanleihen gibt es trotz heftiger Geldproduktion von neuen EZB-Euros heute in vielen Ländern eine schlimme Kreditklemme für die Wirtschaft. Seit 2010 ist in der Eurozone das Krteditvolumen um sechs Prozent gefallen. EZB wie Staaten beklagen diese Klemme auch lautstark. Was aber mehr als zynisch ist, da sie ja selber deren Urheber sind!

Und ausgerechnet diese EZB will jetzt zum obersten Aufseher aller großen Banken Europas werden. Dabei tritt - zusätzlich zu dieser Kreditbewertungsproblematik - ja auch noch ein weiteres Problem auf: So wie bei den Staaten ist auch bei den Banken eine Gleichbehandlung aller Institute in den 17 Euro-Ländern absolut unmöglich. Was den EZB-Job unmöglich macht.

Einer der nicht mehr bereit gewesen ist, diese betrügerischen Spiele mitzumachen, ist der frühere EZB-Chefvolkswirt Otmar Issing. Womit wir beim zweiten Schock sind. Issing hat in einem offiziellen Interview mit mehreren Medien noch eine weitere gravierende EZB-Problematik klar gemacht. Das ist der diskriminierende Charakter der direkten Staatsanleihenkäufen durch die EZB.

Denn diese kauft ja nicht bei allen 17 Ländern Anleihen, etwa entsprechend dem Sozialprodukt, sondern primär bei den notleidenden. Gäbe es wirklich Deflationsgefahr, wie von manchen behauptet (Issing sieht sie übrigens nicht), dann müsste die EZB ein ausgewogenes Bündel von Anleihen aller 17 kaufen. Nur so könnte (auch laut dem Ex-Chefvolkswirt der EZB) eine Diskriminierung vermieden werden.

Was noch viel schlimmer ist: Diese Vorgangsweise des ständigen Kaufs von Anleihen kranker Staaten ist wohl vor einem Crash nicht mehr rückgängig machbar und wird immer weitergehen. Als Folge werden viele Regierungen bald im alten Trott und undiszipliniert wie einst weitermachen.

Weiterlesen auf: andreas-unterberger.at

Für die Inhalte der Blogs und Kolumnen sind die jeweiligen Blogger verantwortlich. Die Beiträge der Blogger und Gastautoren geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder des Herausgebers wieder.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Keine Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang