Die Flucht der Armen

Die Mitgliederzahlen sinken, doch die Einnahmen steigen - den Kirchen kommen die Armen abhanden. Es bleibt das traditionelle, aber kirchenferne Bürgertum. Die Ordinariate haben die Botschaft der Päpste Benedikt und Franziskus noch nicht gehört. Sie setzen auf Euros statt auf Evangelisierung.

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Es ist ein Exodus aus der Kirche. Im laufenden Jahr wird sich der Trend der steigenden Austrittszahlen wohl noch weiter fortsetzen.

Gleichzeitig wird sich ein anderer Trend fortsetzten. Die dpa meldete einen erneuten Anstieg der Kirchensteuer. Der Anstieg wird mit 18 Millionen angegeben. Nach den Rekordeinnahmen von 2014 (5,7 Mrd) und 2013 (4,84 Mrd)  ergitb sich nun ein erneuter Zuwachs bei den Einnahmen der katholischen Bistümer.

Die medialen Auguren des Untergangs der Kirche in Deutschland reiben sich schon wieder verwundert die Augen. Wie kann das angehen? Der Kirche laufen die Menschen in Scharen davon und dennoch steigen die Einnahmen, die ja dem Grunde nach an den Mitgliedern hängt.

Das Phänom läßt sich, auch wenn es unangenehm sein dürfte, recht leicht erklären. Es treten die – und zwar in erdrückend hoher Zahl – aus der Kirche aus, deren Einkommen so gering ist, daß sie ohnehin keine oder nur wenig Kirchensteuer zahlen. Es verbleiben die in der Kirche, die einem zwar kirchenfernen aber doch traditionellen Bürgertum angehören. Man hat zwar „mit der Kirche nix am Hut“, möchte auf sie aber doch nicht verzichten. Das Kind ist im katholischen Kindergarten doch besser aufgehoben als im städtischen mti seinem hohen Anteil an sozial schwachen Kindern oder Kindern mit Migrationshintergrund. Die katholischen Schulen haben eben doch immer noch den besten Ruf. Das möchte man seinem Kind doch geben. Für die großen (Familien-)Feiern Taufe, Trauung und Erstkommunion hat sich bislang immer noch kein vernünftiges und gesellschaftlich anerkanntes Alternativangebot etabliert. Da bleibt man doch besser beim Altbewährten.

Die katholischen Gemeinden sind ebenfalls zu einem sehr großen Teil bürgerlich dominiert. Man gehe mal in eine beliebige deutsche Land- oder Kleinstadtpfarrei. Es geht dort bürgerlich zu. Schon an der Kleidung sieht erkennt man die mittleren oder höheren Einkommen. In den Gremien sitzen selten Hartz IV- Empfänger. Gesellige Veranstaltungen der Pfarreien, soweit vorhanden, sprechen auch eher eine intellektuelle Mittelschicht an. Man bliebt unter sich.

Während sich in Deutschland die soziale Schere immer weiter öffnet, fallen die ärmer werdenden Bevölkerungsschichten auch bei der Kirche in Deutschland zunehmend raus. Priester und hauptamtliche Laien kommen ebenfalls zumeist aus einem bürgerlichen Herkunftsmilieu. Sie sprechen am ehesten die an, die auch hinsichtlich Bildung, Kultur, Einkommen und Lebensgestaltung mit ihnen auf einer Höhe sind. In einem Pfarrhaus ist der Einrichtungsstil zumeist sehr bürgerlich. Gediegenes Mobiliar, aufgeräumte Zimmer, Kunst an den Wänden und auf den Regalen bieten einen Eindruck von bürgerlicher Wohlanständigkeit.

Der Weg an die Ränder der Gesellschaft, von dem der Papst spricht und der für Kirche dem Grunde nach der Normalfall ist, ist der katholischen Kirche in Deutschland versperrt. Eine hohe Geldschranke trennt die Armen und die Kirche voneinander. Eine Geldschranke, die errichtet und gepflegt wird, weil der Exodus der nicht mehr Gläubigen, der Gleichgültigen, der Vernachlässigten udn vieler anderer aus der Kirche nicht abreist. Man befürchtet – zu Recht – irgendwann doch, daß der Exodus sich in den Einnahmen niederschlägt.

Wann diese geschieht, ist nicht vorhersehbar. Es kann morgen eintreten oder erst in zehn Jahren. In dem Moment, in dem Kirche ihren Finanziers nicht mehr nützlich ist, ihnen als Dienstleister nicht mehr bieten kann, was sie erwarten, werden sie ohne zu zögern der Kirche den Rücken kehren. Erst dann wird der Mitgliederschwund einen schmerzlichen Effekt auf die Kirchensteuer haben. So wundert es nicht, daß die Kirche sehr wohl ein Augenmerk auf diejenigen hat, die derzeit noch zahlen und zugleich eine gewisse Mentalität des Hortens in den Ordinariaten Einzug gehalten hat. Man will vorsorgen für die Zeiten, in denen die Einnahmen sinken.

Es kommt also für eine auf Einnahmen ausgerichtete Organisation darauf an, den zahlenden Kunde möglichst zufrieden zu stellen. So schraubt man die Anforderungen für die Teilnahme an den großen (Familien-)Festen immer weiter herunter. Mit den Einnahmen tut man ja viel Gutes. Das rechtfertigt in einer Gesellschaft, in der die Kirche sonst eher zum Abschuß freigegeben ist, dann doch noch wenigstens grundsätzlich die Existenz der Kirche.

Niemand kann in die Zukunft sehen, wie sich der Trend weiter entwickeln wird. Im Jahr 2011 sprach Papst Benedikt XVI. von einer notwendigen Entweltlichung der Kirche, damit sie ihren Kernauftrag, die Verkündigung der Evangeliums, wieder besser wahrnehmen kann. Papst Franziskus hat mit großer Klarheit die Defizite der Kirche in Deutschland benannt. Beiden Päpsten gemeinsam ist, daß sie sehen und aussprechen, wie sehr sich die Kirche in Deutschland mit ihrem Reichtum selbt im Weg steht. In den Ordinariaten und an anderen Schaltstellen der Kirche in Deutschland sieht man das so nicht. Und so wird man weiter €uros sammeln. So lange es denn noch geht. Die Rede von der Entweltlichung war prophetische Rede. Die Entweltlichung wird die Kirche – vielleicht sogar von außen – treffen, wenn sie nicht damit rechnet. Und dann kann man doch auch als gläubiger Katholik mit weiteren Phantastilliarden Kirchenvermögen und -steuereinnahmen entspannt leben. Die Motte fressen das eh …

Zuerst erschienen auf katholon.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Teresa

Hallo Herr Datko,

Da Sie ja den ausdrücklichen Anspruch haben ein gebildeter und aufgeklärter Mensch zu sein, bitte ich Sie, sich ein wenig mehr über das Sujet Ihrer Kritik kundig zu machen.

Die von Ihnen bescholtene sogenannte "Kirchensteuer" ist auch so eine Erfindung des protestantischen "Staatskirchenwesens" von der die katholische Kirche im protestantisch geprägten Kulturraum aufgrund der religiösen Toleranz eben profitiert.

Als gläubige Katholikin halte ich sie für kontraproduktiv. Ich zahle sie schon lange nicht mehr, unterstütze dafür die Kirche freiwillig dort, wo ich es für sinnvoll halte.
Rom hat mir das offiziell abgesegnet.

In katholischen Ländern, die nicht unter dem zeitweiligen Einfluss "aufgeklärter" Fürsten, wie z.B. Joseph II in Österreich, standen, funktioniert "Katholisch" sehr wohl ohne "Steuer".

Gravatar: Lisje Türelüre aus der Klappergasse

Stimme zu.
Auch dem wohl richtigen Kommentar von Teresa.
Dazu - die Sache noch schlimmer machend - kommt eine gar nicht mehr kaschierte Hinwendung zu den GRÜNEN, deren Parteiprogramm die Predigt beherrscht.
Gerade jetzt in der "Flüchtlings"problematik drehen alle am Rad und wollen Linksgrün noch überholen.

Gravatar: Teresa

Die hier beschriebene Verengung der Kirche auf ein spezifisches soziales Stratum ist die logische Folge der Protestantisierung. Dort wo der Glaube auf "Pädagogik" und "Lektüre" reduziert wird, braucht es einer ausgewogenen Mischung aus Bildungswillen und intellektueller Selbstbeschränkung,also genau das, was nur die kapitalistisch geprägte Mittelschicht europäischer Prägung ist. Das "Bibelchristentum" der Protestanten war schon immer zu anspruchlos für die wirklich Gebildeten und zu überfordernd für die (funktionalen) Analphabeten. Durch die Reform der katholischen Liturgie nach dem Konzil wurde aber sogar der Vollzug des Glaubens genau diesem protestantischen Vorbild angepasst: Ständig wird im neuen Ritus gesprochen, erklärt und belehrt. In einer klassischen katholischen Messe des vorkonziliaren Ritus kann der Professor neben dem Analphabeten in der gleichen Bank knien, die Liturgie ist für beide ein Geheimnis, in dem der Einzelne dem Gekreuzigten unmittelbar begegnen kann, ganz ohne Belehrung und Erklärung. Deshalb bleiben die Armen weg und kommen nur dort wieder, wo ihnen diese vermeintlich "naiven" Formen der Frömmigkeit angeboten werden. - Diese These ist nicht von mir. Sie beruht unter anderem auf den Studien eines Marxisten namens Lorenz, der schon in den 70gern ein Buch mit dem Titel "Das Konzil der Buchhalter" geschrieben hat.

Gravatar: Joachim Datko

Dieser Tage habe ich es von einem Studenten gehört, der bevor er mit dem Berufsleben startet, sich von der Kirchensteuer befreite.

Es ist ganz einfach, je nach Bundesland verlässt man die Kirchensteuerkirche entweder beim Amtsgericht oder beim Standesamt.

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