Die Euro-Frage / Euro und Souveränität

Die Deutschen tun sich schwer mit ihrer Währung. Das Trauma der großen Inflation wurde in den Nachkriegsjahrzehnten von der Identifikation mit der D-Mark überlagert, in beiden Fällen spielten kollektive Emotionen eine Rolle, die andere Nationen so nicht kennen.

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Länder wie Frankreich, Großbritannien oder Italien haben ein eher instrumentelles, kühles Verhältnis zur Währung. Geld als Tauschmittel, nicht als „geprägte Freiheit“ (Dostojewski) oder als Symbol für neue Souveränität nach einem verlorenen Krieg. Diese mentalen Unterschiede sind es, die die prägende Bankergestalt der Nachkriegsjahrzehnte, Hermann Josef Abs, zu der Überzeugung brachten, eine gemeinsame europäische Währung werde es nicht geben oder keinen Bestand haben. Die Erfolgsstory des Euro scheint ihn widerlegt zu haben. Aber noch ist die Story nicht zuende. Sie fängt erst richtig an. Denn mit der Entscheidung für den Euro-Rettungsschirm wird unvermittelt in diesen Tagen eine historische Alternative neu gestellt: Wollen wir einen Bundesstaat oder bleibt es beim Staatenbund?

Darum dreht sich im Kern auch die Debatte in der Union. Finanzminister Schäuble plädiert offen für einen Verzicht auf Souveränität, CDU-Vize Frau von der Leyen wirbt sogar für die Vereinigten Staaten von Europa. Die Frage fokussiert sich auf die Kanzlermehrheit. Diverse Zeitungen und Zeitschriften rechnen vor, dass bereits knapp zwei Dutzend Abgeordnete skeptisch bis ablehnend den Plänen eines dauerhaften Rettungsschirms gegenüberstehen, dessen größter Anteil auf Kosten des deutschen Steuerzahlers gehen soll. Damit wäre die Kanzlermehrheit dahin. Zwar ist der Rettungsschirm nicht gefährdet, weil die SPD im Bundestag für ihn stimmen will. Aber wenn die Kanzlerin keine eigene Mehrheit zustande bekommt, wenn die Devise lautet: mehr Europa gegen nationale Kanzlermehrheit, dann ist der Verzicht auf Souveränität vollzogen.

Dieser Verzicht ist allerdings bereits schon eine Realität. In vielen Bereichen kann Deutschland, kann kein Land der EU, allein und souverän entscheiden. Die Verflechtungen sind zu eng, die Folgen längst nicht mehr national einzugrenzen. Wenn die Europäische Zentralbank Staatsanleihen hoch verschuldeter EU-Länder aufkauft, dann wird auch deutsches Geld verbraten. Es geht um Mitsprache, um bessere Koordination bei der Verteilung des Wohlstands, um Gerechtigkeit und gegen die Willkür anonymer Instanzen in Brüssel und auf den Finanzmärkten. Die Vereinigten Staaten von Europa wird es nie geben, der Vergleich mit den USA ist historisch schon schief. Aber das Europa der Vaterländer ist eine Realität, die geordnet werden muss. Die Kompetenzen müssen klarer werden. Das ist auch das Anliegen der CSU und des Bundesverfassungsgerichts, das nächste Woche urteilt. Der Euro, die gemeinsame Währung, ist nur ein Mittel besserer Koordination. Man sollte ihn nicht zum Mammon machen.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Cangrande

Im Moment stellt sich für mich nicht die Frage, ob Europa ein Bundesstaat oder ein Staatenbund sein/bleiben/werden soll oder wird.

Sondern ob wir zu feige sind, das kranke Griechenland-Glied zu amputieren. Tun wird das nicht, wird der griechische Wundbrand das ganze Europa zerfressen.

Gravatar: Susanne

Stimme Elmar Oberdörffer in seiner Kritik an diesem Artikel zu.

Darüber hinaus: Vielen Spitzenpolitikern fehlt die Kompetenz die Folgen dessen zu überschauen, was sie beschließen. Das war mit den blühenden Landschaften so, die nicht wie reife Früchte vom Baum fielen, wie es einst versprochen wurde, und das ist mit der Einigung Europas so, das kein Europa der Vaterländer, sondern ein Europa der Bürokraten geworden ist, in dem die "Vaterländer" zugrunde gerichtet werden.

Herr, sie wissen nicht was sie tun, möchte man da rufen, aber doch nicht um Vergebung für sie bitten. Denn diese politische Sippe ist nicht nur inkompetent, sondern auch nicht integer. Wenn Gestalten wie Koch-Mehrin die Sessel von Vizepräsidenten des EU-Parlamentes besteigen können, wer kann dann noch Vertrauen in europäische Institutionen haben. Die werden gar nichts ordnen, schon gar nicht, was nicht vorhanden ist, sondern noch mehr Unheil anrichten, für das sie am Ende noch nicht einmal haften müssen.

Herr, nimm sie in Haft und züchtige sie. Nur so könnten etwas von dem gerettet werden, über das Jürgen Liminski hier redet. Ob er eigentlich selbst wirklich versteht, worüber er redet, wenn schon Friedrich Merz seine Irrtümer eingesteht? Dieser Artikel lässt wenig Hoffnung aufkommen.

Gravatar: Elmar Oberdörffer

"Diese mentalen Unterschiede sind es, die die prägende Bankergestalt der Nachkriegsjahrzehnte, Hermann Josef Abs, zu der Überzeugung brachten, eine gemeinsame europäische Währung werde es nicht geben oder keinen Bestand haben. Die Erfolgsstory des Euro scheint ihn widerlegt zu haben." Erfolgsstory? Die Tatsache daß die Währungsunion die Pleite der PIIGS-Staaten auf ganz Europa auszuweiten droht, sehen Sie als Erfolgsstory an, Herr Liminski? Und: "Aber das Europa der Vaterländer ist eine Realität, die geordnet werden muss." Das Europa der Vaterländer war die Vorstellung von Adenauer und de Gaulle, und war auch mein Traum von Europa. Aber es ist leider nicht Realität, das Brüsseler Zentralkommittee tut alles, die vereinigten Staaten von Europa durch die Hintertür einzurichten, und wird dabei von vielen die Interessen ihres Volkes verratenden Politikern unterstützt, wie Merkel uns Schäuble. Ein Europa der Vaterländer verträgt sich nicht mit einer Währungsunion. Je eher die Politiker das Scheitern der Währungsunion zugeben, desto eher besteht wieder Hoffnung, das Europa der Vaterländer doch noch einzurichten.

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