Die deutsche Rettungspolitik ist ein Spiel ohne Torwart

Im Norden Europas benutzen Politiker noch ihren Verstand. So wäre Finnland dank seiner Finanzministerin selbst bei einem Euro-Ausstieg Griechenlands fein raus. Deutschlands Euro-Politik dagegen ist vollkommen naiv.

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Eine alte Erfahrung lehrt: mitten im Getümmel der Schlacht verengt sich der Blick auf die unmittelbare Herausforderung; man verliert leicht den Überblick. Das gilt ganz besonders für den Euro in diesen Tagen. Auch deshalb war ich am Wochenende auf einer Tagung, zu der ein schwedischer Think-Tank weit ab von Stockholm eingeladen hatte. Dabei wurde mir wieder einmal klar, wie anders als bei uns sowohl Bürgerinnen und Bürger als auch Politiker aus den nordischen Ländern heute über den Euro nicht nur denken, sondern auch reden und vor allem, handeln.

 

Vor 14 Jahren hatte ich noch Arm in Arm mit meinem damaligen schwedischen Industriekollegen für den Euro geworben. Anders als bei uns, lag die Entscheidung dort nicht in den Händen der politischen Klasse, sondern in denen der Bevölkerung. Die lehnte nicht nur dankend ab, sie erteilte damit auch den Wirtschaftsführern eine Lektion. Heute lehnen immer noch 91 % der schwedischen Bevölkerung und inzwischen schon 73% der schwedischen Unternehmer die Einführung des Euro in ihrem Land ab. Man kann davon ausgehen, dass eine Befragung zum Nord-Euro anders ausgehen würde.

Obwohl vertraglich zur Euro-Einführung verpflichtet, übt sich die schwedische Regierung in beredtem Schweigen. Obwohl Barroso, Juncker & Co. bei jeder sich bietenden Gelegenheit den Euro als unverzichtbares Europaprojekt loben, fordert keiner von ihnen, dass die Schweden diesem Klub beitreten. Warum wohl?

Andererseits kann man am Beispiel Finnlands sehen, dass nicht alle Politiker der Eurozone ihren Verstand an der Brüsseler Garderobe abgegeben haben. Die (sozialdemokratische!) Finanzministerin Finnlands hat sich geweigert, weiter finnisches Geld im griechischen Fass ohne Boden zu riskieren. Um nicht am finnischen Widerstand das ganze Rettungspaket zu gefährden, überschrieb die griechische Regierung daraufhin dem finnischen Staat erstrangig besicherte Pfänder. Dafür wird die finnische Finanzministerin jetzt in Helsinki von den Medien gefeiert.

Die Finnen wären fein raus

Ich meine, zu Recht, denn im Falle einer griechischen Insolvenz bzw. eines Ausstiegs aus dem Euro, wären die Finnen fein raus. Die Finnen haften, halten Sie sich fest, mit griechischen Sachwerten! Klar, dass die anderen Gläubiger im Falle eines Falles umso tiefer in die leere griechische Röhre gucken müssen.

Auch in Deutschland wird der Finanzminister von den Medien für die uneigennützige deutsche Eurorettungspolitik regelmäßig gefeiert. Dabei entlarvt kaum ein Beispiel die Naivität deutscher Eurorettungspolitik so wie es der „special deal“ zwischen Finnland und Griechenland tut: Raten Sie mal, wer im Schadensfall für die finnischen Bürgschaften mithaftet!

Die deutsche Eurorettungspolitik ist, übertragen auf die Europameisterschaft, ungefähr so, als würde der Bundestrainer seine Mannschaft am Freitag gegen Griechenland ohne Torwart auflaufen lassen.

 

Beitrag erschien zuerst auf handelsblatt.com

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Hans von Atzigen

Burger 18.06.2012.Es liegt in der Natur des Menschen und seiner fatalen Neigung zum ,,Herden,, und Gleichschrittdenken.

Gravatar: Werdenfels

Danke, Herr Henkel ! Niemand kann in Deutschland später behaupten, die Katastrophe sei soooo nicht vorhersehbar gewesen. Dank Informanten wie Prof. Henkel ist seit Jahren klar, wie es kommen muss und wohin es weiterläuft. Jeder weiss es.

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