Die Anlageberatung ist völlig überreguliert

Politik und Medien haben sich auf einen Schuldigen für ihr eigenes Versagen geeinigt: Die Anlageberatung. Kunden bekommen Unmengen an Papier und das BaFin prüft penibel die Beratungsprotokolle. Die Praxis zeigt, dass dies oft in unnützem Wahnsinn endet.

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Die Tatsache, dass Berater ihre Empfehlung schriftlich begründen, und jedes empfohlene Finanzinstrument auf Angemessenheit und Geeignetheit prüfen müssen, finde ich gut. Auch die Offenlegung von Provisionen hat ihre Berechtigung. Doch die Pflichten haben sich in eine wahnwitzige Perversion entwickelt, was die Fehlersuche des BaFin (Aufsichtsamt für Finanzen) zeigt.Die Prüfer finden in den Protokollen viele Fehler, die eigentlich keine sind. Aktueller Fall: Ein Kunde gibt an, dass er einen Anlagehorizont “bis 5 Jahre” hat. Der Berater empfiehlt ihm zur Beimischung eine 1 jährige Anlage und der Kunde ist damit glücklich. Das BaFin füllt aber gnadenlos ihre Fehlerliste, denn der Kunde hat laut Protokoll keine 1 jährige Anlage gewollt. Die Beratung gilt als Falschberatung, denn der Kunde hätte auch einen Anlagehorizont von “unter 3 Jahren” angeben können.

Bevor eine Anlageberatung los gehen kann, muss der Berater zahlreiche Informationen über den Kunden dokumentieren. Dazu gehören neben den bisherigen Kenntnissen und Erfahrungen auch der Beruf und der Bildungsstand. Gibt man beim Beruf “Hausfrau” oder “Rentner” an, dann gilt die Beratung laut BaFin als Falschberatung. Ebenfalls festgehalten wird das aktuelle Geld- und Immobilienvermögen sowie monatliche Einnahmen und Ausgaben. Die meisten Kunden sehen hier keinen Mehrwert und lassen die Befragung über sich ergehen.

Pervers wird es bei den sogenannten “Pflichtunterlagen”. Dem Kunden sind alle Unterlagen zu einem Finanzinstrument anzubieten. Dazu können Jahresberichte, Halbjahresberichte oder auch die “wesentlichen Anlegerinformationen” oder das “Produktinformationsblatt” gehören. Manche Dokumente muss man aushändigen, andere muss man nur anbieten. Im Protokoll muss dies penibel dokumentiert werden. Man muss genau niederschreiben, welche Dokumente gedruckt wurden und welche Dokumente dem Kunden angeboten wurden. Hier kommt es oft zu kleineren Formfehlern, was die Prüfer gleich als Falschberatung deklarieren. Möchte ein Kunde alle ihm angebotenen Dokumente haben, dann sind das üblicherweise 3 bis 5 hundert DIN-A4 Seiten. Macht so viel Papier die Beratung besser und die Finanzmärkte sicherer?

Der Vogel wird allerdings durch die Mitarbeiteranzeigeverordnung  (WpHGMaAnzV) abgeschossen. Banken müssen alle Berater mit sog. “Wertpapierkompetenz” dem BaFin melden, welche alle Personen in einem Register führt. Das Ziel, Anleger zu schützen, soll erreicht werden, indem das schwächste Glied in der Vertriebskette, die Beraterinnen und Berater, unter Druck gesetzt wird. Der Druck von Arbeitgebern und Vertriebsleitern, der Ursache für viele Fehler und Beschwerden ist, wird im Beraterregister des BaFin nicht erfasst. Banken sind verpflichtet, jede Unmutsäußerung eines Kunden im Rahmen der Anlageberatung, an das Register zu melden. Dabei spielt keine Rolle, ob der Berater korrekt oder falsch gehandelt hat. Ist ein Kunde mit der Wertentwicklung eines z.B. Fonds unzufrieden, dann kann er sich beschweren. An das BaFin wird dann sein Anlageberater gemeldet, obwohl nicht er sondern z.B. die Fondsgesellschaft der Grund ist. Auch Beschwerden, die offensichtlich erfunden und aus der Luft gegriffen, oder auf Missverständnissen beruhen, müssen gemeldet werden.

Einen Bereich hat die Politik veregessen oder sogar aufgrund guter Lobbyarbeit bewusst ausgelassen: Versicherungen. Anlageberater können manche Finanzinstrumente (in der Regel Fonds) auch in einen Versicherungsmantel stecken. Dann gibt es mehr Provision und die lästige Pflicht zur Erstellung eines Beratungsprotokolls entfällt. Fondsgebundene Lebensversicherungen gelten laut BaFin nicht als Wertpapiere im Sinne von MiFID. Ich finde die Regulierung der Anlageberatung gut und ich finde auch die Protokollpflicht gut. Doch wir sehen hier eine sehr große Differenz zwischen Theorie und Praxis. Der Verbraucherschutz ist über sein Ziel hinaus geschossen und hat dabei Fehler gemacht, die es zu korrigieren gilt. Auch muss man mal erwähnen, dass diese Form der Regulierung nur die kleinen Fische gängelt. Diese Pflichten treffen Angestellte in normalen Banken und nicht die großen, bösen Zocker der Investmentbanken. Dort läuft alles wie bisher.

Beitrag erschien auch auf: pinksliberal.wordpress.com

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