Der Tatort als Gehirnwäsche

Eigentlich sehe ich mir schon lange keinen Tatort mehr an. Aber als ich gestern las, es würde der letzte Bodensee-Tatort ausgestrahlt, wurde ich doch noch einmal schwach.

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Es ging auch sehr schön los. Über den nächtlichen Bodensee gleitet ein reich geschmücktes, mit Fackeln bestücktes Boot, in dem ein Mann auf dem Rücken liegt. Will er den grandiosen Sternenhimmel besser genießen? Es scheint so, denn seine Augen bewegen sich noch. Im nächsten Augenblick wird klar, dass es sich nicht um ein Romantiker, sondern ein Mordopfer handelt. Sein Handgelenke sind mit tiefen Schnitten versehen, sein Blut hat sich mit den ihn herum drapierten Äpfeln und Blumen vermischt.

Am nächsten Morgen ist das Boot gestrandet und die eintreffenden Kriminalkommissare stellen sofort fest, dass es sich um einen bekannten Rechtspopulisten handelt, der gegen Einwanderer hetzt.

Ein seltenes Blümchen bringt Kommissarin Klara Blum zu einer alten Gärtnerei, direkt am See, in der ein malerisches Haus steht. In diesem Haus wohnt ein reizendes altes Damen-Trio, das seinen Lebensabend miteinander genießt, köstliche Gerichte zubereitet, gute Weine trinkt und Klara mit offenen Armen aufnimmt. Nicht nur das. Blum wird über den Wert des Lebens aufgeklärt mit Worten, die in jedem Jungmädchen-Stammbuch vergangener Zeiten stehen könnten. Klara fühlt sich so geborgen, dass sie über ihr Herzproblem und ihre Angst vor dem Tod spricht. Am Ende sinkt sie in die Arme der Bandenchefin.

Während Klara Lebenshilfe bekommt, verdächtigt ihr Partner Kai Perlmann die Witwe des Rechtspopulisten. Die Frau ist nicht überrascht von der Ermordung ihres Mannes, denn seit Monaten gibt es Morddrohungen, garniert mit toten Ratten  vor der Haustür. Der Tochter wurde in der Schule ein Hakenkreuz aus Kot auf den Fahrradsattel geschmiert.

Die Witwe war vor ihrer Ehe, was man salopp einen „wilden Feger“ nennt, veränderte sich aber total. Gehirnwäsche? Ja, sagt die Frau, mein Gehirn ist jetzt wieder rein. Perlmann ist so fasziniert, dass er zum Stalker wird. Er beobachtet sie in der Nacht heimlich in ihrem Haus und kann seine Augen erst abwenden, als er die Tochter des Rechtspopulisten bemerkt, die sich im Garten mit einem Einwanderer trifft. Damit scheinen Täterin und Motiv klar zu sein.

Aber am anderen Bodeseeufer, in der Schweiz, wurde ein schwerreicher Anlagebetrüger vergiftet in seinem Garten aufgefunden. Kommissar Matteo Lüthi tappt im Dunklen.

Als er sich mit seiner deutschen Kollegin Blum austauscht, stellt sich heraus, dass es eine Verbindung zwischen den beiden Fällen geben könnte. Der Sohn einer der Damen des reizenden Trios wollte mit dem Anlagebetrüger reich werden, verlor bei dessen Spekulationen aber sein gesamtes Kapital und beging Selbstmord. Klara bittet ihren Kollegen um eine Stunde Vorsprung, sie will mit ihren neuen Freundinnen allein sprechen.

Aber dann verschwindet der skrupellose Textilunternehmer Maximilian Heinrich und Lüthi folgt Klara mit großem Polizeiaufgebot.

Heinrich, das war vorher schon in mehreren Szenen klar gemacht worden, war mitschuldig am Brand in einer Textilfabrik mit 300 Toten, in der er seine Billigklamotten produzieren ließ.

Als Blum bei dem mörderischen Trio eintrifft, sitzt  der Unternehmer gefesselt an einem reich gedeckten Tisch im Gewächshaus. Sein Blut fließt bereits aus einigen Schnitten auf das Tischtuch, aber er ist immer noch der eiskalte, arrogante Typ, der seine Foltermägde mit Sätze wie, dreihundert Tote seien doch dreihundert neue Arbeitsplätze, reizt und dafür mit einem neuen, tiefen Schnitt bestraft wird. Das Verhalten der Damen ist absolut pervers, aber sie sind die Guten, die gegen die Ungerechtigkeiten und Mißstände der Welt kämpfen, um sie wieder in die „Balance“ zu bringen.

Klara protestiert zwar, lässt sich aber überwältigen und in einen Käfig sperren, wo sie das gruselige Geschehen weiter verfolgt, bis ihr schwaches Herz nicht mehr mitmacht.

Ihr Schwächeanfall wird bemerkt, die Käfigtür geöffnet. Bei dieser Gelegenheit gelingt es der Kommissarin, ihre Dienstwaffe wieder in die Hände zu bekommen und auf die Anführerin der Mörderinnen zu schießen. Das Trio lässt daraufhin von seinem Opfer ab und schleppt sich, nicht ohne Klara vorher noch verziehen zu haben, zu einem Boot mit Fackeln, das, wieder unter einem grandiosen Sternenhimmel, auf den Bodensee hinaus fährt. Eine der Damen singt dabei die „Internationale“. Es wird also noch einmal klar gemacht, dass es sich bei den Mörderinnen, die ihr Leben auf dem See mit einer Explosion beschließen, um Kämpferinnen für das Menschenrecht handelt.

Für Klara Blum ist das ihr letzter Fall. Bevor sie mit ihrem vollgepackten Auto davonfährt, sitzt sie mit ihrem Kollegen Perlmann noch einen Augenblick zusammen. Auf seine Bemerkung, sie sei sehr weit gegangen, antwortet Blum mit Gewittermine: „Nicht weit genug“, steigt ins Auto und fährt ihrer Zukunft entgegen. Will sie das Erbe der Kämpferinnen für das Menschenrecht antreten?

Zuerst hier veröffentlicht: http://vera-lengsfeld.de/2016/12/05/der-tatort-als-gehirnwaesche/

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Frederik Friedrich

Hallo.

Ich habe meinen Fernseher nicht aus dem Fenster geworfen. So unnütz ist er gar nicht. Den ganzen Mist sehe ich mir schon lange nicht mehr an, dafür läuft jetzt immer eine DVD "Kaminfeuer"! Romantisch und nicht verlogen...

Gravatar: Stephan Achner

@karl Kaiser: Ihr Beitrag ist herzerfrischend ehrlich. Danke. Aber schimpfen sie bitte nicht so nur auf "die Frauen". Es gibt auch jede Menge Männer in diesem bekloppten Land, die "immer alle faulen Eier bis zum Ende aufessen", bis sie etwas merken.

Gravatar: H.Roth

@ Candide

Leider hilft das Rausschmeissen der Glotze nicht viel. Es sei denn, dass unter dem Fenster gerade ein GEZ-Prüfer steht. :-)
Ich habe seit 25 Jahren keinen Fernseher mehr, musste aber trotzdem GEZ bezahlen. Für das ungenutzte Autoradio.

Es ist leider nicht nur der Tatort ein Armutszeugnis für die deutsche Filmindustrie. Es gibt auch kaum einen anderen Spielfilm, der ohne ideologische Belehrung auskommt. Und selbst der Kinderkanal ist schon so schön bunt gefärbt, dass man ihn nicht einzuschalten wagt.
Für unsere Kinder gibt's daher die Serien-Staffeln auf DVD, die noch aus einer Zeit stammen, als die 68-er Ideologen noch pubertäre Pickel im Gesicht hatten und nicht als Rundfunkräte in GEZ-finanzierten Sesseln saßen.

Gravatar: Lord

Das Problem ideologisch verseuchter Drehbücher liegt auch darin, dass die Spannung flöten geht. Immer wenn im Tatort nur kurz ein Unternehmer auftaucht, kann man abschalten, weil man weiß: Der war es.

Ist in schwedischen Krimis genauso: Einmal erfolgte der Kurzauftritt eines Bankdirektors und spontan sagte ich "Der war's." Und er war's.

Langweilig.

Gravatar: karl Kaiser

Sehr geehrte Frau Lengsfeld, Sie sind wie meine Frau. Die hat auch erst mal allles von Böll gelesen, von Grass, von Wohmann, Rinser und Wolff. Dann hat sie mir davon erzählt- wie öde und langweilig das war, wie uninteressant und belanglos die Themen waren, die dort durchgekaut wurden, wie sinnlos es war, diesen Mist zu lesen.
Schließlich haben wir beide Mut gezeigt und haben das Undenkbare getan, etwas, was wir nie zuvor auch nur in Erwägung gezogen hätten: wir haben den ganzen Mist von A (Adorno) bis W (Wohmann) einfach zum Müll gegeben.
Und was tun Sie? Sie verschwenden 2 Stunden Lebenszeit für diesen Tatort- Schrott!
Müßt ihr Frauen denn immer alle faulen Eier bis zum Ende aufessen, bis ihr was merkt?
Ein Tip noch: Legen Sie mal ganz vorsichtig den "Butt" von Grass in den Mülleimer. Das ist ein Gefühl!

Gravatar: Bärbel Fischer

Auch habe mir den Schrott angetan, um am Ende wieder einmal feststellen zu müssen, dass das Fernsehen inzwischen den Auftrag hat, dem "Volk" eine Gehirnwäsche zu verpassen.

Speziell das ZDF scheint sich diesem Anspruch total verpflichtet zu wissen, denn kaum eine Sendung kommt ohne sympathische schwule oder lesbische Paare aus. Als Gegenspieler taucht logisch eine verständnislose Mutter, ein despotischer Vater etc. auf, die sich aber am Ende vom Saulus zum Paulus wandeln - und die Welt scheint wieder im Lot zu sein: "Leute seht doch, dass eure Vorbehalte nichts als engstirnig sind, seht doch, dass die Liebe zwischen zwei Männern genügt, um ein Kind zu adoptieren, seht doch, wie herkömmliche Familien marode und zerrissen sind...." In totalitären Staaten wird das Fernsehen ebenso zu Propaganda missbraucht (s. DDR). Irgendwann wird das dumme Volk so ticken, wie die Ideologie es verlangt.

Den Kasten rausschmeißen kann sinnvoll sein. An die Fernsehanstalt zu schreiben und sich die dämliche Gehirnwäsche verbitten, ist m. E. die wirksamere Reaktion.

Gravatar: Gerd Müller

Solch dämliche Filme kann man glaube ich nur heutzutage produzieren.

Ich dachte nur "völlig aus dem Leben gegriffen" und habe nachdem das Staatsfernsehen mit der aktuellen Staatsgesinnung durchkam, ABGESCHALTEN !

Ärgerlich nur, daß dem Bürger dafür Geld in Form der Rundfunkabgabe gestohlen wird, ohne das er sich dagegen richtig wehren kann !!!

Gravatar: Siegfried

Gut beobachtet Frau Lengsfeld,
ich habe den Tatort vom Bodensee auch immer ganz gern gesehen. Schade, dass man sich für die letzte Folge so ein Konstrukt ausgedacht hat, was reichlich an den Haaren herbeigezogen war und tatsächlich, man hat uns wieder mal belehrt, dass doch nur wir selbst an allem Unglück in der Welt Schuld sind....

Gravatar: Andreas Teich

Ich habe die Glotze 2008 entsorgt. Die beste Entscheidung meines Lebens. Ich habe noch keinen Tag irgend etwas vermisst. Und nein, ich nutze auch nicht die online Angebote der TV Sender. Ich informiere mich ausschließlich aus freien, alternativen Quellen, wie z.B. diesem Blog. Die öffentlich rechtlichen konsumiere ich genau zu 0%. Würden die heute abgeschaltet, würde sich an meinem Leben Nichts ändern.

Gravatar: Candide

Schmeißt doch endlich die Glotze aus dem Fenster! Fernsehen ist Opium fürs Volk! Dazu auch noch zwangsfinziert!

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