Der Staat als Unternehmer

Die dramatische Finanz- und Wirtschaftskrise schafft ein gesellschaftliches Umfeld, das noch vor einem Jahr völlig undenkbar gewesen wäre. Wer die Verstaatlichung von Banken gefordert hätte, wäre vor 12 Monaten bestenfalls in der Klapsmühle gelandet. Und wer konnte sich - Hand aufs Herz - vor 6 Monaten vorstellen, dass die Bundesregierung über die Enteignung von Banken auch nur nachdenken würde?

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Teufels­­zeug dieser Art wurde erst in der Krise zum Thema, wie wir mittlerweile wissen. Doch ist es grund­sätzlich abwegig, dass der Staat als Unter­nehmer auftritt? Beispielsweise bei einem High-Tech-Autobauer wie Opel? Es gibt auch in unserem Land genügend Fälle, in denen der Staat Unternehmer gespielt hat oder heute noch spielt. Wie sehen die Ergebnisse dieser staatlichen Eingriffe aus? Es lohnt allemal, diese Fälle ge­nauer zu betrachten und präzise zu analysieren. Denn wir wollen doch aus der Geschichte lernen!     

Beispiel I - Salzgitter AG (neu): Am 8. Januar 1998 verkaufte der Vorstand der Preussag AG seine Stahl­tochter Preussag Stahl an die Voest Alpine nach Österreich. Preis: 1,275 Mrd. DM. Die Preussag wollte zur Jahreswende 1997/98 Milliardenverluste im Anlagen­bau (Noell) und in der Handy­-Sparte (Hagenuk) ver­tuschen. Alles in allem 2,5 Mrd. DM. Dazu be­nutzte man das Tafelsilber des Konzerns: Die Im­­mobilien und die Stahltochter. All das hatte man 8 Jahre zuvor vom Staat geschenkt bekommen - dazu mehr im näch­sten Kommentar. Treiber der Verkaufsaktion war die WestLB, die Bank des Landes Nordrhein-Westfalen. Die WestLB war nämlich Hauptaktionär der niedersächsischen Preussag mit ihrer Firmenzentrale in Hannover.

Der Verkauf erfolgte mitten im niedersächsischen Landtagswahlkampf. NRW­­-Landesvater Johannes Rau wollte Gerhard Schröder die Wahl vermasseln. Das ließ sich Schröder, Ministerpräsident der Niedersachsen, allerdings nicht einfach gefallen. Er reiste am näch­sten Tag nach Düsseldorf und überzeugte WestLB-Chef Friedel Neuber, den Aufsichtsratsvor­­­sit­zen­den der Preussag AG, das tags zuvor verkaufte Unter­nehmen doch besser dem Land Niedersachsen zu über­lassen. Schröders Argumente überzeugten auf ganzer Linie. Parteifreund Neuber willigte spontan ein­. Die Milliardenfirma Preussag Stahl AG wechselte auf diese Weise in nicht ein­mal 24 Stunden zweimal den Besitzer. Das war - und ist auch heute noch - einsamer Weltrekord.

Bei der Findung des Kaufpreises war Schröder nicht ganz so professionell. Zwei Gut­achten definierten einen Wert von ca. 1 Mrd. DM. Gleichwohl waren er und Staats­sekretär Alfred Tacke, sein Vertrauter in Fragen der Wirtschaft, zwischen­zeitlich durchaus bereit, der Preussag-Forderung nachzugeben. Die verlangte 1,3 Mrd. DM. Schröder wollte im Wahlkampf schnelle Punkte machen. Als ihm klar gemacht wurde, dass dies so nicht gehe, flippte er aus. Auf den Boden der Tat­sa­chen zurückgeholt, machte er seinen Job dann wieder besser. Das Land zahlte 1,06 Mrd. DM. Schröder gewann die Landtagswahl triumphal, wurde am selben Tag noch SPD-Kanzlerkandidat. Doch Rau-Intimus Neuber spuckte dem Ge­nossen Schröder weiter in die Suppe. Den Börsen­gang des in Salzgitter AG umgetauften Staats-Unternehmens torpedierte er. Ein Revanchefoul! Schröders Nord LB musste vom 2. bis 5. Juni 1998 mehr als die Hälfte der emittierten Aktien zurückkaufen. Das hielt man unter der Decke. Und so wurde der weise Wirtschaftslenker Gerhard Schröder sogar Kanzler.

Nach der Wahl verlor er seine Stahlfirma schnell aus den Augen. Typisch Politiker. Die Salzgitter AG geriet daraufhin in schweres Wetter. Sein Nach­folger wollte das Schröder­sche Erbe schnell wieder los werden.  Die Salzgitter AG überstand die schwere Zeit gleichwohl, weil sie tech­nisch Weltklasse ist und klug weiter­entwickelt wurde. Auch heute hält Niedersachsen noch 25,5 Prozent an der Stahlfirma. Unter ausländischer Führung hätte sie sich komplett anders entwickelt. Und Arbeitsplätze, die hierzulande einmal abgebaut sind, kommen nie wieder. Heute steht die Salzgitter AG im Dax 30 der größten deutschen Unternehmen. Die frühe­re Muttergesellschaft Preussag - heute TUI AG - ist gerade daraus abgestiegen, wird zum Penny-Stock.

Fazit: Der Staat kann in der Krise durchaus Unternehmer spielen. Politiker sind allerdings vom ope­ra­tiven Geschäft komplett fern­­zuhalten. Dazu bedarf es Manager, die ihr Geschäft verstehen und sich an Recht und Gesetz halten. Zukünftig ist daher größter Wert darauf zu legen, dass Gesetze, die wir in Deutschland durch­aus haben, eingehalten werden. Siehe: „Wildwest auf der Chefetage“ - das Drehbuch der aktuellen Krise.

Peine, den 9. März 2009                                                                     gez.: Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Selenz

www.hans-joachim-selenz.de

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