DER SPIEGEL vom Sonntag: Wie Jörg Kachelmann weiter um seinen Ruf kämpft

Kachelmann hätte beweisen müssen, dass Dinkel "eine wissentlich unwahre oder leichtfertige Anzeige erstattet hat". Das "wissentlich" ist hierbei die Crux.

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In der am Sonntag erschienen Ausgabe des SPIEGEL widmet die renommierte Gerichtsreporterin Gisela Friedrichsen einen Zwei-Seiten-Artikel dem Kampf des Meterologen Jörg Kachelmann um seine vollständige Rehabilitation, nachdem er vom Vorwurf der Vergewaltigung zwar freigesprochen worden war, dies aber unter derart maliziösen Umständen geschah, dass der Verdacht weiter an ihm haften blieb.

Wie Genderama am 23. Dezember letzten Jahres berichtete, hatte Kachelmann seinen Prozess beim Landgericht Frankfurt gegen Claudia Dinkel, die ihm die Vergewaltigung unterstellt hatte, verloren und daraufhin Berufung vor dem OLG Frankfurt angekündigt. Kachelmann hatte damals in einer offenbar auch von seinen Rechtsbeiständen vorbereiteten Stellungnahme erklärt:

Das hiesige Gericht wollte offensichtlich noch besonders schnell den Fall vom Tisch haben, denn es hat nicht einmal die von uns angebotenen, gegenüber dem Strafverfahren neuen Beweise erhoben, geschweige denn gewürdigt. Dies hätte das Gericht prozessual nicht tun dürfen.

Gisela Friedrichsen führt dazu im SPIEGEL von morgen näher aus:

Die Frankfurter Zivilrichter hätten sich schon ein der Bedeutung des Falls angemessenes eigenes Bild von der Sache machen müssen und können. Doch der Einfachheit halber, so der Eindruck, wiesen sie die Klage zurück und schrieben: "In der Regel wird allerdings den strafgerichtlichen Feststellungen zu folgen sein, sofern nicht gewichtige Gründe für deren Unrichtigkeit von den Parteien vorgebracht werden." Und dann, nonchalant: "Einer erneuten Beweisaufnahme, die etwa der Kläger zu einigen Punkten beantragt hat, bedurfte es nicht." Diese dürren Feststellungen ließen die ganze Unlust erkennen, mit der die Frankfurter an die Sache herangegangen waren. Sie versteckten sich hinter ihren Mannheimer Kollegen – und waren den Fall damit los.

Wie Gisela Friedrichsen in ihrem Artikel erklärt, gibt es einen juristischen Sachverhalt, der ebenfalls wesentlich dazu beigetragen habe dürfte, Kachelmanns Prozessgegnerin Claudia Dinkel (im SPIEGEL als "Simone D." bezeichnet) trotz ihrer Falschaussagen vor einer Verurteilung zu schützen: Kachelmann hätte beweisen müssen, dass Dinkel "eine wissentlich unwahre oder leichtfertige Anzeige erstattet hat". Das "wissentlich" ist hierbei die Crux:

Luise Greuel, die die Angaben von Frau D. unter aussagepsychologischen Gesichtspunkten analysiert hatte, konnte eine absichtliche Falschaussage ebenso wenig ausschließen wie eine "autosuggestiv generierte oder kontaminierte" Aussage – unrichtige Angaben also, an deren Richtigkeit Frau D. zumindest zum Teil glaubte.

Allerdings stellt sich die Frage, ob diese Unklarheit als Schutz Dinkels wirklich ausreicht:

Dabei hatte Kachelmann im Zivilverfahren, vertreten durch die Frankfurter Anwältin Ann Marie Welker, etwa mit einem Gutachten des Berliner Rechtsmediziners Michael Tsokos nachgelegt. Er verglich die Verletzungen Simone D.s mit den in der wissenschaftlichen Literatur aufgeführten charakteristischen Befundmustern für selbst beigebrachte Verletzungen und zog das Fazit: Aus rechtsmedizinischer Sicht gebe es "keinen vernünftigen Zweifel" daran, dass sich die Frau sämtliche Verletzungen "selbst beigebracht" habe.

In dem Artikel von Gisela Friedrichsen heißt es weiter:

Das OLG Frankfurt, das jetzt am Zug ist, weil Kachelmann Berufung eingelegt hat, traf nun erste Entscheidungen. Es wird den neuen Leiter der Frankfurter Rechtsmedizin Marcel Verhoff beauftragen, Sachverständige aus seinem Institut zur neuerlichen Begutachtung der mutmaßlichen Selbstverletzungen Simone D.s zu benennen. Auch sollen Spuren am angeblichen Tatmesser, von dem sich Kachelmanns "Opfer" bedroht gefühlt haben will, noch einmal ausgewertet werden. Denn, so die bisherige Lesart, der Befund, der eher ein Nicht-Befund ist, passt nicht zu den Aussagen der Frau. "Damit sind wir ein gutes Stück vorangekommen", sagt Rechtsanwältin Welker.

Wie Gisela Friedrichsen berichtet, sei im Zivilverfahren gegen Claudia Dinkel ebenfalls bekannt geworden, dass sie durch die Vermarktung ihrer Geschichte 115.000 Euro eingestrichen habe. Außerdem nenne sie drei Immobilien ihr Eigen. Trotzdem habe sie Prozesskostenhilfe verlangt und erhalten – nachdem sie behauptet hatte, die Honorare an namentlich nicht genannte Personen verschenkt zu haben.

In der Gesamtsicht befindet der SPIEGEL zu dieser Kontroverse:

Die Causa ist der Musterfall, wie die Justiz mit vielleicht teilweise oder vollständig erfundenen Vergewaltigungsvorwürfen umzugehen gedenkt. An ihm wird sich ablesen lassen, ob ein vom Vorwurf der Vergewaltigung rechtskräftig freigesprochener Mann rehabilitiert werden kann. Eine Falschbeschuldigung scheint folgenlos zu bleiben, solange sich Richter in ihren rabulistischen Fehlleistungen einmauern. Wie lange noch?

Beitrag erschien zuerst auf: genderama.blogspot.de

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