Der Ökonomen-Appell ist eine Aufforderung zum Rechtsbruch

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Staatspapierkäufe der Europäischen Zentralbank sind ganz klar verboten. Hinzu kommt: Durch monetäre Staatsfinanzierung werden Reformen und der unvermeidliche Konkurs von Krisenländern verschleppt.

Der aktuelle Ökonomen-Aufruf zur Eurokrise ist mindestens der fünfte seiner Art, dem sich deutsche Gerichte und Politiker gegenübersehen. Nummer drei habe ich sogar selbst organisiert, aber inzwischen nützt sich dieses Werkzeug doch sehr ab. Diesmal wollen eine Reihe meiner Kollegen das Bundesverfassungsgericht von der Rechtmäßigkeit und insbesondere Nützlichkeit der Staatspapierkäufe der Europäischen Zentralbank überzeugen. Die sind nämlich nach Artikel 123, Satz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union ganz klar verboten. Ich zitiere:

"Überziehungs- oder andere Kreditfazilitäten bei der Europäischen Zentralbank oder den Zentralbanken der Mitgliedstaaten (im Folgenden als ›nationale Zentralbanken‹ bezeichnet) für Organe, Einrichtungen oder sonstige Stellen der Union, Zentralregierungen, regionale oder lokale Gebietskörperschaften oder andere öffentlich-rechtliche Körperschaften, sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentliche Unternehmen der Mitgliedstaaten sind ebenso verboten wie der unmittelbare Erwerb von Schuldtiteln von diesen durch die Europäische Zentralbank oder die nationalen Zentralbanken."

Das ist so deutlich, wie Juristendeutsch nur deutlich werden kann: Zentrale, regionale oder lokale Gebietskörperschaften der Länder der Europäischen Union (also die zentralen, regionalen und lokalen Regierungen) erhalten bei der Zentralbank keinen Kredit. Stattdessen sollen sie ihre Haushaltsdefizite durch Steuern oder Kredite an anderer Stelle, sei es bei den eigenen Bürgern oder im Ausland, aber auf gar keinen Fall durch das Drucken neuen Geldes finanzieren. Denn genau darauf läuft ein Kredit bei der Zentralbank ja hinaus. Die Ökonomen nennen das auch monetäre Staatsfinanzierung. Eine solche monetäre Staatsfinanzierung war in Deutschland zu D-Mark-Zeiten völlig undenkbar, und der wichtigste Grund für deren weltweiten Erfolg.

Noch scheut die europäische Zentralbank vor einer direkten Kreditvergabe an Gebietskörperschaften zurück. Aber durch ihre Ankündigung, Schuldscheine von Krisenstaaten in beliebiger Menge („whatever it will take“) auf dem Sekundärmarkt aufzukaufen - das sogenannte OMT-Programm, um das es bei der aktuellen Verfassungsgerichtsentscheidung in erster Linie geht - betreibt sie monetäre Staatsfinanzierung sozusagen durch die Hintertür. Denn ohne diese Versicherung würden sich einige Krisenstaaten heute nicht in dem Ausmaß verschulden können, wie sie es tatsächlich gerade tun. Damit fordert aber der Aufruf von DIW-Chef Marcel Fratzscher, Beatrice Weder di Mauro u.a. das Bundesverfassungsgericht zur Tolerierung eines eklatanten Rechtsbruchs auf.

Und zwar bewusst: Bei der Anhörung vor dem Verfassungsgericht antwortete Herr Fratzscher - einer der Initiatoren des Aufrufs - auf die Frage des Präsidenten, ob das OMT-Programm nicht eine Art von monetärer Staatsfinanzierung sei: ja, so sähe er das auch.

Aber auch die Sachargumente stechen nicht. Etwa dass Volkswirtschaften, die das Mandat der Zentralbank weiter fassen und eine monetäre Staatsfinanzierung tolerieren, damit gut gefahren wären. Ich hoffe, die Verfasser des Aufrufs meinen das nicht im Ernst. Von 1953 bis 1999 haben der französische Franc, die italienische Lira oder die spanische Pesete gegenüber der D-Mark zwischen 80 und 90 Prozent ihres Wertes verloren. Und auch das Wirtschaftswachstum blieb mehr als deutlich hinter dem deutschen zurück. Will man das dem Bundesverfassungsgericht als Erfolg verkaufen?

Denn genau auf eine solche Wirtschaftspolitik à la ClubMéditerranée läuft ja der aktuelle Ökonomen-Appell letztendlich hinaus. Und damit ist auch klar, wem dieser letzten Endes nützt: einmal den großen Banken und deren Gläubigern, die sich mit Staatspapieren von Krisenländern vollgesogen haben und nun verzweifelt nach Möglichkeiten suchen, diese wieder loszuwerden. Je mehr Zeit dazu verbleibt, desto besser. Dann den Krisenstaaten selbst, die auf diese Weise einen letztendlich dennoch unvermeidlichen Konkurs noch einige Jahre verschleppen und solange weiter auf Kosten anderer gut leben können (in allen aktuellen Krisenländern liegt die Lebensarbeitszeit weit unterhalb der deutschen). Und natürlich der Europäischen Zentralbank, die sich damit klammheimlich als ein von keinem Parlament kontrollierter europäischer Staatsfinanzierer etabliert.

Sieht man sich nun einmal die Unterzeichner des Aufrufs an, so fällt eine verblüffende Übereinstimmung der beruflichen Herkunft oder Stellung mit diesen Profiteuren ins Auge (von den üblichen Verdächtigen aus dem rot-grünen deutschen Intellektuellenmilieu einmal abgesehen): Die EZB - da kommt Kollege Marcel Fratzscher her - , die Schweizer Großbank UBS - hier sitzt die Kollegin Beatrice Wder die Mauro im Verwaltungsrat -, das französische Finanzministerium - hier wirkt der Kollege Charles Wyplosz als Berater - oder die die französische Staatschuldenverwaltung Agence France Tresor, wo ein weiterer Ko-Initiator des Aufrufs, mein italienischer Kollege Francesco Giavazzi, im sogenannten Strategiekomitee mitarbeitet. Und welche Strategien dieses Komitee verfolgt, ist unschwer zu erraten.

Dieses Verfolgen eigener Interessen ist an sich nichts Böses, dass die Maximierung des eigenen Nutzens auch indirekt dem Wohl des ganzen dient, lernt jeder VWL-Student im ersten Semester. Aber dann sollte man das nicht als unabhängigen Appell von besorgten Staatsbürgern verkaufen. Fast folgerichtig hat sich daher auch kaum ein unabhängiger deutscher Ökonom dem Aufruf angeschlossen.

Die Stabilisierung der Geldversorgung ist eine Sache. Das ist der offizielle Grund für den Appell. Etwas ganz anderes ist die Finanzierung von Staaten, denen man wegen berechtigter Zweifel an der Rückzahlung nur gegen hohe Zinsen oder gar kein Geld mehr leiht. Die durch selbstverschuldete Wettbewerbsunfähigkeit nahezu unmögliche Schuldentilgung und nicht irgendwelche Finanzspekulanten sind das große Problem der Eurozone.

Nach Meinung von Goldman-Sachs müssten Griechenland, Portugal, Spanien - und für viele überraschend auch Frankreich - um jeweils 20 bis 30 Prozent abwerten, um soviel Überschuss in der Leistungsbilanz zu erzielen, dass sie ihren Schuldendienst langfristig zu leisten in der Lage sind. Und solange das nicht geschieht, wird auch die Euro Krise nicht verschwinden. Daran ändert auch der aktuelle Aufruf nichts.

Anmerkung: Prof Walter Krämers neues Buch "Kalte Enteignung" ist am 20 Juni im Campus-Verlag erschienen.

Beitrag erschien zuerst auf: wiwo.de

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Kommentare zum Artikel

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Herr Prof. Dr. Walter Krämer,
haben Sie von den Leuten, die Sie hier in diesem Artikel als Ökonomen bezeichnen, etwas anderes erwarten.
Diese Leute, die Sie als Ökonomen bezeichnen, sind keine tatsächlichen Ökonomen, sondern Alchemie-Ökonomen oder auch Voodoo-Ökonomen, die das Lied ihrer Brotherren, der organisierten Kriminalität (beschönigend politische Parteien, die die Regierungen etc. stellen, genannt) singen! Oder höflich gesprochen, es sind Nur-Ökonomen, also gem. Hayek schlechte Ökonomen und damit eine Gefahr für die Gesellschaft!
Der Staat, der Feind eines jedes freien Menschen!

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