Jetzt haben sie alle große Angst: In einigen EU-Ländern sind die Rechtspopulisten stärkste Kraft geworden. Zwar sind sie von einer gesamteuropäischen Mehrheit weit entfernt. Aber dass sie etwa in Frankreich, das sich ja gerne als Erfinder Europas gibt, mit hoher Mehrheit zur Nummer eins geworden sind, macht viele Europäer bange. Und sie können es nicht fassen, dass dort die Sozialisten (die ja in Paris regieren) nur noch blamable 15 Prozent haben.
Aber wieder reagieren Europas Regierende völlig falsch. Sie versuchen es mit noch verstärkter Denunziation der Rechtsparteien, mit neuem Moralisieren, statt die Wahl dieser Parteiungen endlich als Weckruf an Europa verstehen.
Keine Frage: Wenn Gruppierungen zu Gewalt gegen wen auch immer aufrufen, wie es die ungarische Jobbik oder die griechische Morgenröte tun, dann ist die Polizei, dann sind die Gerichte mit aller Konsequenz gefragt. Aber jenseits dieser Gewaltaufrufe ist der Wahlausgang ein Hilferuf der Europäer. Ob man den Populisten nun ein rechtes Pickerl umhängt oder ein linkes (wie etwa der italienischen Grillo-Gruppierung).
Die Wahl von Protestparteien ist noch viel stärker ein Hilferuf als die Nicht-Teilnahme an den EU-Wahlen. Die Nichtteilnahme ist zwar zahlenmäßig noch viel bedeutsamer, wird aber traditionell nicht beachtet. Wenn man sich allen Ernstes europaoffiziell über eine 43-prozentige Wahlbeteiligung freut, dann zeigt das jedenfalls, dass man die Nichtteilnahme an der Wahl völlig ignoriert.
Aber auch die 43 Prozent werden ignoriert, wenn sie "falsch" wählen. Dabei rufen viele von Ihnen eigentlich um Hilfe. Aber niemand hört sie. Oder sie werden gar denunziert.
Sie rufen um Hilfe gegen eine ständig zunehmende Migration aus Afrika und Asien. Sie rufen um Hilfe angesichts einer wachsenden Arbeitslosigkeit. Um Hilfe angesichts einer Kommission und eines Parlaments, die ständig noch mehr regulieren wollen. Sie sind desorientiert angesichts einer Politik, die viel zu viel verspricht und eiskalt ständig ihre Versprechen bricht.
Die drei alten Lager verlieren zwar bei fast jeder Wahl. Aber sie bilden noch immer die Mehrheit im Parlament. Und entscheiden damit den nächsten Kommissionspräsident. Und vor allem über eine Fortsetzung der bisherigen Politik. Genau aber in dieser liegen fast sämtliche Wurzeln der Probleme, vor denen Europa heute steht.
Europa hat immer wieder Verträge gebrochen, sich über geltendes Recht hinweggesetzt. Aber gleichzeitig den einfachen Europäer mit immer mehr Regulierungen schikaniert.
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Kommentare zum Artikel
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Im Grunde richtig, Herr Unterberger.
Aber bitte Vorsicht: Sie werfen "EU" und "Europa" in einen Topf. Nicht Europa hat Verträge gebrochen, dass war stets das EU.
Wenn "rechtspopulistische" Kräfte im politischen Spektrum Zulauf haben, dann ist dies doch eben der Tatsche geschuldet, dass viele Europäer (!) ihre Interessen von der EU nicht bzw. unzureichend vertreten sehen.
Diese Diskrepanz kann man m. E. nicht deutlich genug heraus stellen. Europa ist zum Einen der Kontinent (daran gibt es nichts zu rütteln. Wir sind "Europäer"!), zum Anderen die (frühere) Vision eines "europäischen Hauses", unter dessen Dach sich auch all die Nationen friedlich zusammen fanden, deren Großväter sich noch gegenseitig abgeschlachtet haben. Ein Verdienst, dem man diesem "Europa" nicht nehmen kann, ein Verdienst, das Zuspruch gefunden hat, dessen Ergebnisse gerade die jüngeren Generationen als viel zu selbstverständlich betrachten.
Aber was ist dagegen die "EU"? Deren Befürworter nehmen gern in Anspruch, dass durch die EU in Europa (dem Kontinent) Frieden herrsche (was war dann, bitteschön, die Ära vor der offiziellen Konstituierung der EU?).
Widersprüche über Widersprüche. Ich fühle mich als Europäer, ich bin Europäer. Bin ich "EUler", "EUist" oder was auch immer?
Grundsätzlich befürworte ich eine europäische Einigung. Aber darunter verstehe ich nicht dieses unausgegorene Produkt durchgeistigter Ideologien und Bürokraten. Diese Einigung wird Zeit brauchen, viel Zeit! Und wer könnte dies besser beurteilen, wenn nicht gerade wir in Deutschland? Wie viele Jahrhunderte hat es gedauert, bis aus einem unüberschaubaren Flickenteppich von Fürstentümern, Stadtstaaten und Miniaturkönigreichen erst das entstanden, was wir heute als Deutschland kennen, und wieviel Unheil, Kriege und Tote hat dieser Weg gefordert? Weiterhin: eine Trennung in zwei deutsche Staaten über einen im historischen Kontext vernachlässigbaren Zeitraum von 4 Jahrzehnten zeigt auch heute, ein Vierteljahrhundert später, noch deutlich spürbare Narben. Und trotzdem: all das, was "deutsch" ausmacht, ist letztlich einer weitgehend homogenen Kultur und einer gemeinsamen Sprache zu verdanken.
Welche Vermessenheit, angesichts solcher Erfahrungen zu glauben, dass man per Federstrich -zig Länder unter einen Deckel pressen kann! Wohin solche Zwangsvereinigungen führten, hat Europa auch kennen gelernt. Erinnern wir uns an das alte Jugoslawien und an die Segnungen der Sowjetunion...
Man man den Begriff "EUdSSR" als polemisch kritisieren - der Hintergrund ist leider viel zu real.