Der fragwürdige Weg zum Schuldirektor

Wiener Staatsoper, Christian Thielemann am Dirigentenpult, einige Philharmoniker im Orchester – und dennoch alles andere als ein normaler Tag in der Musik-Kathedrale.

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Denn es wird keine Oper aufgeführt, sondern ein Konzert; denn im Orchester wie auch im Chor auf der Bühne musizieren vor allem Gymnasiasten. Diese werden von den Philharmonikern nur unterstützt. Der Anlass: Das Wiener Musikgymnasium feierte mit einem stolzen Programm von Mozart bis Beethoven seinen 50. Geburtstag.

So weit so – wirklich – schön. Unterbrochen wurde der Musikgenuss nur durch ein paar Reden. Davon war eine jedoch wirklich beklemmend: die der Schuldirektorin. Denn die Dame las alles vom Blatt ab. Es gab keinen einzig frei gesprochenen Satz. Nicht einmal die Anrede. Sie klebte am Blatt wie einst der in diesen Tagen ständig auf allen Stationen wiederzuhörende Erich Honecker. Es war einfach peinlich.

Es ist ein Hauptdefizit österreichischer Schüler, nicht frei reden zu können. Insbesondere im Vergleich mit deutschen oder amerikanischen Jugendlichen wirkt ihr Auftreten oft jämmerlich. Eigentlich sollte es zumindest für Maturanten und zumindest für die Zukunft Hauptziel aller Schulreformen sein, dass Schüler öffentlich reden lernen. Und nicht nur vorlesen.

Aber wenn nicht einmal Direktoren sich zutrauen, eine – ohnedies wenig kontroverse – Rede zumindest teilweise frei zu halten, dann erleben die Schüler ja von Anfang an ein absolut falsches Vorbild. Betrüblich.

Noch ärgerlicher war es dann, als ich ein wenig über diese Direktorin recherchierte: Es ist – eine Mathematikerin, die vor kurzem an die Spitze des österreichweit einzigartigen Musikgymnasiums berufen worden ist. Eigentlich sollte es jedoch auch für den Stadtschulrat ganz selbstverständlich sein, dass das die einzige Schule Wiens ist, wo es logisch wäre, einen Musiklehrer an die Spitze zu stellen.

Aber das begreifen halt politische bestellte Schulbehörden nicht (wohl weils nicht ausdrücklich im Gesetz steht . . .). Jetzt sucht eine Mathematikerin einen Dirigenten für das nächste Musikgymnasium-Konzert aus. Und sie hat angeblich schon einen anderen angesprochen als den, den die Musiklehrer empfehlen.

Wenn man dann hört, dass diese Mathematikerin einst auch einmal einen Sprössling der Stadtschulratspräsidentin Brandsteidl zu benoten hatte, bekommt diese Dummheit auch noch einen unguten Beigeschmack. Ein weiterer Beigeschmack wird durch die Tatsache hervorgerufen, dass die neue Direktorin schon längere Zeit „provisorisch“ die Schule geleitet hat. Was genauso problematisch ist. Bei sauberen Bestellungsverfahren dürfte niemals eine provisorische Lösung später zur definitiven werden.

Sogar die sozialdemokratische Bildungssprecherin Grossmann bezeichnete die Identität zwischen provisorischem und definitivem Schulleiter als „Wettbewerbsverzerrung“. Die letztverantwortliche Ministerin und der Bundespräsident sehen das offenbar anders. Zumindest wenn die neue Leiterin das „richtige“ Geschlecht hat.

Ähnlich ging es einst auch in jenem Wiener Gymnasium zu, wo damals der Brandsteidl-Ehemann unterrichtete. Das „Piaristengymnasium“ mit zutiefst bürgerlicher Lehrer- und Schülerschaft wurde bei erstbester Gelegenheit rot eingefärbt. Subtiler Protest gegen diese politische Machtdemonstration: Seither wird in den Aussendungen des Absolventenverbands dieser Schule die Direktorin (natürlich auch eine Frau) nicht mehr erwähnt. Was den parteipolitischen Herrschaftsapparat freilich nicht sonderlich stören wird.

Auch in anderen Bundesländern geht es ähnlich zu. Etwa im steirischen Mürzzuschlag. Da dauert die Bestellung eines Schulleiters nun schon drei Jahre! Was allein schon unerträglich ist und den gesamten bürokratisch-politischen Bestellungsvorgang lächerlich macht. In dieser Zeit hat ja ein Schüler schon fast das halbe Gymnasium absolviert.

Dabei steht von Anfang an bei allen Entscheidungen durch zahllose Gremien (Lehrer, Eltern, Assessment) unter allen Bewerbern immer schon der gleiche Name an der Spitze. Einziges Pech: Es ist der Name eines Mannes. Und er hat eine weibliche Konkurrentin. Diese hat sich an das Universalvehikel zur Zerstörung jedes Gerechtigkeits- und Leistungsprinzips gewandt, die Bundesgleichbehandlungskommission. Die stellt sich praktisch automatisch hinter die Beschwerde einer Frau. So auch in diesem Fall. Und sie gab damit der Frauen- (und im Nebenberuf auch Unterrichts-)Ministerin Heinisch-Hosek einen Vorwand, nun doch die Frau vorzuziehen.

Im Kollegium des steirischen Landesschulrats war der Mann noch mit Fünfzehn zu Null voran. Auch die Beamten des Ministeriums hatten ihn so wie alle Schulangehörigen bevorzugt. Tut alles nichts. Am Ende haben Männer keine Chance.

Theoretisch könnte noch der Bundespräsident diese Manipulation verhindern. Was aber wohl angesichts des jahrzehntelangen Verhaltens Heinz Fischers nur eine theoretische Möglichkeit sein dürfte.

Objektiver Weise sei gesagt, dass auch der (nun ausgebootete) Mürzzuschlag-Kandidat schon provisorischer Schulleiter gewesen ist. Deshalb wäre auch seine Bestellung falsch. Zumindest wenn es eine diesbezügliche Ausschlussklausel gäbe, die bei allen Bestellungen gleich angewendet werden muss. Aber gegen ihn wirkt sich ja ja nicht seine provisorische Tätigkeit aus, sondern sein Geschlecht. Auch die nun obsiegende Kandidatin kommt aus der gleichen Schule, wo derzeit ein jedes Schulklima schwerst belastende Schlammschlacht in Gang ist.

Weiterlesen auf: andreas-unterberger.at

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