Der Euro ­ eine griechische Tragödie

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Das Thema Euro beherrscht die Medien und die Börsen landauf, landab. Keine zehn Jahre nach
ihrer Einführung befindet sich die neue Währung in Dauerturbulenzen. In zahlreichen Ländern der EU sind die Schulden außer Kontrolle. Die gemeinsam vereinbarten Regeln zur Stabilisierung des Euro wurden von fast allen Mitgliedern gebrochen. Mal mehr, mal weniger. Insbesondere im Süden der EU gab man die neue Währung bei niedrigen Zinsen mit vollen Händen aus. Mit Zahlen nahm man es dort eh nie so genau. Die Folgen sind, wie sich nun zeigt, jedoch weit dramatischer als zu Zeiten der Drachme, der Lira oder der Pesete. Griechenland wird, nicht unerwartet, als erstes Land von der Welle der aufgehäuften Schulden eingeholt. Ein durch Schlamperei und Misswirtschaft erzeugter Finanz-Tsunami droht die Griechen zu überrollen. Die Regierung in Athen kann nicht mal mehr die Gehälter ihrer Staatsdiener berappen. Die Sparauflagen der EU reißen zudem die ohnehin schwache Wirtschaft in der Ägäis völlig aus der Bahn. Anderen Ländern geht es lediglich graduell besser. Denn für die neue Währung stehen alle EU-Staaten gleichermaßen ein. So hatte man sich die Euro-Zeit nicht vorgestellt. Eine Krisensitzung jagt derweil die andere. Die Politiker versuchen verzweifelt, die Gemeinschaftswährung zu retten. Doch das ist eine Sisyphos-Arbeit. Immer, wenn es scheint, man habe das Problem im Griff, kommt die nächste Welle. Jetzt tritt ein, was Finanz-
experten wie Prof. Hankel schon vor 15 Jahren prophezeiten: Der Euro schmiert ab. Die Vision von einer Einheitswährung für alle EU-Staaten erweist sich zunehmend als Trugschluss, bzw. Tragödie.

Es ist nicht leicht, das komplexe Problem des Euro-Umfeldes in ein Bild zu fassen. Am ehesten
noch kann man die aktuelle Situation der EU mit einem Boot und seiner Mannschaft vergleichen.
Präzise einem Ruderboot, das von 27 Ruderern - Volkswirtschaften - angetrieben wird. Und zwar
von Athleten ebenso wie von Pyknikern. Auf Form und Fitness der Ruderer legte man nämlich
weniger Wert als auf die schlichte Zahl. Das alles wäre noch einigermaßen überschaubar, wenn es auf dem Euro-Boot nicht auch noch 27 Kapitäne - Regierungen/Parlamente - gäbe. Mit den unterschiedlichsten Vorstellungen vom Kurs und von der Geschwindigkeit. Nun wissen wir spätestens durch den FDP-Ex-Oberstrategen Guido Westerwelle, dass auf jedem Schiff, das dampft und segelt, und selbstverständlich auch auf jedem, das gerudert wird, nur einer das Sagen haben kann. Untiefen - Krisen - lauern schließlich überall. Denen entkommt man nur mit einem eindeutigen und klaren Kurs. Erschwert wird die Lage noch durch die Tatsache, dass sich das EU-Boot in einem Rennen befindet. Einem Rennen mit anderen Booten - Staaten - weltweit. Die haben jedoch jeweils nur einen Kapitän. Das Boots-Rennen wird begleitet durch Wettbüros - Banken - die eine Menge Geld - Kredite - auf Sieg und Platz setzen. Natürlich wissen die schon lange, dass das EU-Boot eines Tages abschmiert - man ist ja nicht blöd. Ihr Wetteinsatz war indes von Anfang an sicher. Das garantieren die 27 Kapitäne. Mit öffentlichen Mitteln - Steuern. Ein Kampfgericht - Rating-Agenturen - begutachtet das Rennen. Den Kurs der Boote und die Form der Besatzungen stets im Blick.

Das Problem des EU-Bootes besteht nun, schlicht und einfach, darin, sowohl die 27 Ruderer zu
synchronisieren, als auch die 27 Kapitäne auf einen einheitlichen Kurs einzuschwören. Hankel und seine Kollegen hatten schon vor dem Stapellauf postuliert, eine Einheitswährung funktioniere nur auf einem Boot mit zentraler politischer Führung. Doch davon ist das EU-Boot meilenweit entfernt. Ein Boot gerät bekanntlich bereits ins Schlingern, wenn auch nur ein Ruderer aus dem Takt kommt, ,,einen Krebs fängt". Um das zu verhindern braucht es einen Oberkapitän - EU-Zentralregierung/EU-Parlament -, der das absolute Sagen hat. Die 27 Kapitäne müssten mithin alle Macht dem Oberkapitän übertragen. Das will/kann derzeit keiner. Und so dümpelt das EU-Boot quasi steuerlos durch die aufgewühlte Finanzsee. Angela Merkel und ihre 26 Kollegen sind in Seenot. Vorgänger Schröder hatte die siechen Griechen hastig ins Boot geholt. CDU-Übervater Kohl, der das EU-Boot einst zu Wasser ließ, gibt derweil schlaue Ratschläge. Doch guter Rat ist teuer - im wahrsten Sinne des Wortes. Soll man nun die Griechen rauswerfen? Müssen die Italiener raus, oder die Spanier?
Soll man in ein Rettungsboot - Nord-Euro - umsteigen? Jede Entscheidung auf dem Euro-Boot hat dramatische Folgen. Damit ist auch das typische Grundmuster einer jeden klassischen griechischen Tragödie erfüllt: Egal, was der Held bzw. die Heldin auch immer tut, es ist immer verkehrt!

Peine, den 21. September 2011 gez.: Prof. Dr. Hans-Joachim Selenz

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Menschenskind!

Hervorragend, diese Metapher. Plastischer kann man die politische Tragödie nicht darstellen. Danke!

Gravatar: Friedrich Dominicus

Wäre es nicht, hätte man sich auch nur um Entferntesten um die selbst gegebenen Gesetze geschert. Zentralismus war nie die richtige Antwort, zentrale Planung kann niemals funktionieren und damit wird es zeit das diese Hasardeur abtreten.

Gravatar: Meier

Ein sehr schönes, anschauliches Beispiel, was Sie geben Herr Prof. Selenz, danke.

Ihre "Wettbüros", also die Banken, bzw. Finanzkonzerne könnte man in diesem Bild doch auch als die "Reeder oder Vercharterer" beschreiben, die sich mit dem "Schiff EURO" eine goldene Nase verdienen. Sie bezahlen die "Kapitäne" ja schließlich dafür, das sie alles aus der "Mannschaft rausholen" was geht und das "überladene, marode Schiff" sich für sie rentiert.
Wie es den "Ruderern" geht, ist eben deren Pech auf der "Galeere", solange sie ihre "Ketten" nicht abschütteln und von "Bord gehen", läuft`s wie geschmiert.

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