Das Ende des Imperiums- Was aus den Staaten der Sowjetunion wurde

So lange sie existierte, ist die Sowjetunion vom Westen missverstanden worden, obwohl man in manchen Ländern sogar Sowjetologie studieren konnte. Das Imperium schien aus einem Guss, so dass die Vielfalt unter dem eisernen Deckel nicht wahrgenommen wurde. Sehr oft war selbst in Politikerkreisen von den „Russen“ die Rede, obwohl die beiden Leitgestalten Lenin und Stalin keine Russen waren. Lenin hatte eine deutsche Mutter und eine kalmückische Großmutter, Stalin war Georgier. Russland war nur, wie Alexander Solzhenitsyn sagte, das erste Opfer der Bolschewiki.

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So lange sie existierte, ist die Sowjetunion vom Westen missverstanden worden, obwohl man in manchen Ländern sogar Sowjetologie studieren konnte. Das Imperium schien aus einem Guss, so dass die Vielfalt unter dem eisernen Deckel nicht wahrgenommen wurde. Sehr oft war selbst in Politikerkreisen von den „Russen“ die Rede, obwohl die beiden Leitgestalten Lenin und Stalin keine Russen waren. Lenin  hatte eine deutsche Mutter und eine kalmückische Großmutter, Stalin war Georgier. Russland war nur, wie Alexander Solzhenitsyn sagte, das erste Opfer der Bolschewiki.

Im sowjetischen Riesenreich wurden über 200 Sprachen gesprochen, darunter 130 allein in Russland. Zwar wurden alle unter die Knute der Sowjets gezwungenen Länder und Gebiete sowjetisiert, darunter lebten aber die alten Traditionen, Kulturen, Lebensweisen und Animositäten fort. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs zerfiel auch die Sowjetunion, zur Überraschung des Westens, in ihre Bestandteile. Die meisten der 15 Republiken, die aus der Sowjetunion hervorgingen, sind im Westen bis heute weitgehend unbekannt. Wo um Himmelswillen befindet sich in Europa Moldawien? Nicht an der Moldau? Was bitte sind Tadschikistan, Aserbaidschan, Turkmenistan, Kasachstan?

 

Thomas Kunze, ein Leipziger und Thomas Vogel, ein Schweizer, haben sich verdienstvollerweise daran gemacht, mehr Licht ins Dunkel westlicher Unwissenheit zu bringen. Sie haben nicht nur alle Nachfolgestaaten der SU mehrmals besucht und beschrieben, sondern sie haben in ihrem Buch „Das Ende des Imperiums“ klar dargelegt, warum der Westen schnellstens seine Wissenslücken schließen sollte, um eine zukunftsfähige Außenpolitik zu entwickeln, die sich nicht mehr, wie allzu oft in der Vergangenheit, auf Vorurteile und Illusionen, sondern auf Fakten stützt.

Wissen die Politiker, die glauben, den ehemaligen mittelasiatischen Sowjetrepubliken mit Ignoranz begegnen zu können, dass Kirgistan, Usbekistan, Kasachstan, Tadschikistan bislang noch ein Bollwerk bilden, das Europa vor dem aus Afghanistan und Iran herandrängenden Islamismus schützt? Nach 9/11 realisierten die Amerikaner, wie wichtig diese Länder sind und sei es nur als unverzichtbare Standorte für Militärbasen bei der Terrorbekämpfung.

Ist den Politikern, die, wie unsere Kanzlerin, auf die „territoriale Integrität“ der Ukraine pochen, klar, dass dieser Staat so nie existiert hat? Die Ostukraine gehörte, wie die Krim,  zu Russland. Kiew ist die Mutter aller russischen Städte seit der Gründung der Kiewer Rus. Die Westukraine war in den letzten Jahrhunderten litauisch-polnisch. Sie gehörte zu Ostpolen und wurde mit dem Hitler- Stalin- Pakt von der Sowjetunion annektiert, wie die baltischen Staaten. Wer Veränderungen ablehnt, setzt sich automatisch dafür ein, dass Hitler und Stalin in dieser Region das letzte Wort haben sollen.

Als im September 2001 Wladimir Putin als erster russischer Präsident im Deutschen Bundestag sprach, lagen ihm Politik und Medien zu Füßen. Nicht nur, weil er die Rede auf Deutsch gehalten hatte, sondern auch, weil sie „ein einziges Werben für eine engere Zusammenarbeit Deutschlands und der Europäischen Union mit Russland“ war. Damals war die Vision eines Europas von Lissabon bis Wladiwostok von Helmut Kohl und Michail Gorbatschow noch lebendig. Heute ist sie zu Asche geworden, verbrannt im Ukraine- Konflikt, der die potentiellen Bündnispartner scheinbar unüberwindlich getrennt hat. Präsident Dimitri Medwedew hat 2008 mit seiner Rede in Berlin versucht, an Putin anzuknüpfen: „Durch die Beendigung des Kalten Krieges wurden Bedingungen geschaffen, die eine wirklich gleichberechtigte Zusammenarbeit von Russland , der Europäischen Union und Nordamerika als den drei Pfeilern der europäischen Zivilisation ermöglichen...heute geht es um einen einheitlichen euro- atlantischen Raum von Vancouver bis Wladiwostok.“ Die westlichen Staaten und aus anderen Gründen die baltischen Länder, waren an so einem neuen Bund nicht interessiert.

Wer das Buch von Kunze und Vogel gelesen hat ahnt, dass ein Bündnis mit Russland unverzichtbar sein wird, wollen wir eine Chance gegen die fortschreitende Islamisierung haben.

Die Ängste des Baltikums sind verständlich, betrachtet man die Geschichte ihrer gewaltsamen Annektion und die anschließende Sowjetisierung, die eine Vernichtung der baltischen Eliten beinhaltete. Aber die Zeiten haben sich grundlegend geändert. Die Sowjetunion wird es nie wieder geben. Die Welt des 20. Jahrhunderts ist untergegangen. Die neue Welt kann nicht mit den alten Denkweisen, Mitteln und Methoden aufgebaut werden. Der Westen hat die fundamentale Bedrohung, der er ausgesetzt ist, noch nicht verstanden.

An mehreren Stellen zitieren Kunze und Vogel Politiker, Wissenschaftler und Journalisten, die alle den Eindruck haben, dass die westliche Politik gegenüber ihren Ländern an Spielereien „aus dem Kindergarten“ erinnern. Die wirklichen Probleme werden nicht wahrgenommen.

Das wird besonders deutlich an der Indifferenz gegenüber der ökologischen Katastrophe, die sich am Aralsee abspielt. Ausgelöst durch einen Befehl Stalins, den Amur- Darja und den Syr- Darja, die beiden Zuflüsse des Aralsees, umzuleiten, um Baumwolle in der Wüste anbauen zu können, begann einer der größten Binnenseen der Welt  einzutrocknen. Heute ist der See um 75% geschrumpft und hat eine Salzwüste hinterlassen. Das Salz wird durch die Wüstenstürme über das anliegende Land verteilt. Felder müssen dreimal im Jahr „gewaschen“ werden, um noch bebaut werden zu können. In und um Nukus, der Provinzhauptstadt von Karakalpakistan, liegt das Salz wie Schnee auf den Straßen. Es hat sich inzwischen in die Lebern der dort lebenden Menschen gefressen. Zwar war UNO- Generalsekretär Ban Ki Moon entsetzt, als er die Region 2010 besuchte und sprach „von einer der schockierendsten Katastrophen des Planeten“, aber Konsequenzen hatte das keine. Der Westen verbrennt lieber milliardenfach Geld im Kampf gegen die lediglich in Computerberechnungen stattfindende „Klimakatastrophe“, als bei wirklichen Katastrophen aktiv zu werden. Mit einem Bruchteil des Geldes könnte der Aralsee regeneriert werden. Dazu gehört freilich auch die Erkenntnis, dass der Mensch eben nicht der „Beherrscher der Natur“ ist und Baumwolle in der Wüste nichts zu suchen hat. Das setzte die Überwindung der noch vitalen Reste stalinschen Denkens voraus, in Ost und West.

In ihrem Nachwort geben sich die Autoren vorsichtig optimistisch:

„Russland, das untrennbar mit der europäischen Kultur und Zivilisation verbunden ist, könnte in 20 Jahren zu einem europäischen Haus gehören, das größer ist als die Europäische Union und eigene Strukturen ausgebildet hat. Dieses Europäische Haus hat dann die sicherheitspolitische Kraft entwickelt, sich den größer werdenden Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu stellen. Die sich abzeichnende Allianz des Westens mit Russland bei der Bekämpfung der Terrormiliz „Islamischer Staat“ könnte zur ersten Nagelprobe für den Beginn dieses Prozesses werden.“

Bleibt nur zu hoffen, dass es keine zwanzig Jahre dauern wird, denn dann könnte es zu spät sein.

Wer die beiden Autoren erleben will , kann das morgen, am Donnerstag, dem 11. Februar tun. Um 18.00 Uhr in der Bundesstiftung für die Aufarbeitung der SED- Diktatur, Kronnestraße 5, Nähe U Stadtmitte.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Bartholomay

Liebe Frau Lengsfeld,
herzlichen Dank für diesen Bericht.Dieser bestätigt auch warum Vertreter von Glasnost und Perestroika über Nacht im Gestasipostaat DDR zum "Klassenfeind" und damit zum Staatsfeind erklärt wurden.Die Politik im Schäuble-Merkelsystem bekommen die SED-Opfer heute wieder,wie zur Honecker-Milke Zeit zu spüren. Der Staatsterror gegen Andersdenkende ist der selbe wie vor dem Mauerfall,weil die Täter in Amt und Würden unter uns sind,nur der grosse Bruder heißt jetzt Obamasystem.Ich hoffe viele Leser haben erkannt was die Altlastparteien in D. und EU für eine Brot und Spielepolitik spielen,auf dem Weg in den Zentralismus der Gesetzlosigkeit,zum Totalitarismus 666.Alle die gegen diese Imperiumspolitk aufbegehren,werden als rechtspopulistischen oder Nazis deklariert und juristisch vom "Antifastaat" bedroht und angegriffen.D. und Europa ,kann nur mit Volksentscheiden,zurück zur Demokratie oder Untergang in Diktatur und Krieg wählen. Nie wieder hat es in D. schon 2 mal geheissen.Jetzt läuft der 3. Versuch, das ist der EU -Fluch,aber weltgeschichtlich das Ende für die Willkuerherrschaft wie sie im Epheserbrief Kap.6,Vers 12,beschrieben ist.

Gravatar: Stephan Achner

Wenn man sich die politischen Entwicklungen der vergangenen 2-3 Jahre anschaut, dann habe ich keine Hoffnung mehr, dass sich der - richtige - Wunsch nach einem gemeinsamen "Europäischen Haus" von Lissabon bis Wladiwostok und einer gemeinsamen Sicherheitsarchitektur mit Russland auf Augenhöhe in absehbarer Zeit noch realisieren lässt. Man muss sich nur die aktuelle Hetze von Kalten Kriegern wie z.B. der CDU-Norbert Röttgen oder auch solchen Leuten wie die Grüne Rebecca Harms im Europaparlament anhören, die beinahe täglich ihren Hass auf Russland verbreiten. Die wollen weiterhin in ihrem unbelehrbaren Größenwahn Russland unterwerfen und "gefügig" machen. Ich denke, die Zeit für Lösungen "auf Augenhöhe" mit Russland ist irreversibel abgelaufen. Russland wurde nicht nur wegen der von Obama gewollten und von der EU unterwürfig exekutierten Wirtschaftssanktionen, sondern auch wegen des permanenten Vorrückens der Nato an die russischen Grenzen (z.B. durch den von den USA gewollten gewaltsamen Regierungsumsturz in Kiew) von der Idee eines "Gemeinsamen Hauses Europa" vom "Westen" weggerückt. Die USA wollen kein "Gemeinsames Haus Europa" (siehe George Friedman!) und die Brüsseler EU tut untertänigst alles, dass diese US-Strategie aufgeht. Die Brüsseler EU macht keine eigene Außenpolitik, die die Interessen Europas an erste Stelle setzt, sondern ist nur Handlanger der US-Interessen. Nach meiner Wahrnehmung orientiert sich Russland nun seit ca. 2-3 Jahren neu in Richtung eurasischer Raum - politisch, wirtschaftlich und militärisch - und schafft so eine neue multipolare Weltordnung zusammen vor allem mit China, Indien und den früheren Sowjetrepubliken wie z.B. Kasachstan. Der große Verlierer dieser mittlerweile unaufhaltsamen Entwicklung wird das alte Europa sein. Es hatte seit 1990 Riesenchancen gehabt und sie nicht genutzt. Aus und vorbei. Das Einzige, was Deutschland noch machen kann, ist wieder eine eigene Außenpolitik zu betreiben, die von Brüssel abrückt und deutsche Interessen wieder in den Vordergrund stellt.

Gravatar: AMAN  ANTON

Der Beitrag ist tatsächlich ausgezeichnet, hat viele wahre
Komponente in sich, Hinweise auf Fehler des Westens,
die ständige Verteufelung Russlands als Bösewicht,
anstatt den Dialog, der begann fortzusetzen!

Frau Merkel´s unbändiger Russen-und Putin-Hass hat sich
in entscheidenden Situationen als fatal erwiesen!
Die Unterstützung des US-Putsches gegen einen demokratisch gewählten Präsidenten der Ukraine war der
Beginn und der Untergang einer falschen Hoffnung und
eines Gewaltaktes sondergleichen!

Hat die grössenwahnsinnige sich selbst überschätzende
Frau Merkel geglaubt, Putin in die Knie zwingen zu können? Hat sie das wirklich geglaubt???

Ausser immenser Schäden in der EU, aber auch in Russland, hat sie nichts erreicht, aber den US-Zugriff auf
die Ukraine beschleunigt. Putins Intelligenz ist es zu
verdanken, dass Sevastopol kein US-Marinestützpunkt
werden konnte!

Unsinnige Boykott-und Sanktions-Aufrufe runden das Bild
politischer Inkompetenz noch ab!

Es ist nur zu hoffen, dass trotz Wirtschafts-und Ölkrise
trotz unsinniger Sanktionen Russland alle Angriffe gegen
sich meistert und so traurig die Abwendung von Europa
und Errichtung des asiatischen Wirtschaftsraumes auch
ist, Europa unter wahrhafter Politiker muss den Dialog
zu Russland, China und Indien als höchste Priorität vor
Augen haben und sich zunehmend von den USA lösen!

Gravatar: Hans von Atzigen

Ein sachlich nüchterner Beitrag wie sie leider selten
geworden sind.
Insbesondere in Europa sind sehr mangelhafte Geschichtskenntnisse zum ,,Standart,,geworden.
Das bis in die Spitzen der Politik. Da gibt es jede Menge von ,,Gestalten,, die sind weitesgehend unfähig zu diferenzierter Wahrnehmung und Analyse.
Ironie der Entwicklung:
Im vormals roten Ostblock wurde die ganze linke
Weltsichtideologie zu Grabe getragen.
Dafür hat diese, insbesondere in Europa in sehr vielen
Elementen überlebt. Der Begriff EUDSSR liegt da gar nicht so daneben. Die sog. 68.iger teiben da noch immer ihr Unwesen, resp. das lebt in der nachgerückten Generation weiter.
Besonders tragisch, insbesondere in den USA jedoch auch in Europa hat man das immer noch nicht so recht
geschnallt und verstanden. Die verblichene UDSSR und
das aktuelle Russland sind 2 Paar Schuhe.
Das Brisant,Tragische die unseligen Entwicklungen die
das 20 Jahrhundert geprägt haben werden zur Fatalen Hypothek für das angelaufene 21. Jahrhundert.
Der grosse Verlierer ist das aus der Aufklärung hervorgegangene Liberal- Humanistische Weltbild.
Erweitert darauf einzugehen würde den Rahmen eines
Kurzkommentars massiev sprengen. Die Zusammenhänge sind sehr vielschichtig und komplex. Die sich daraus ergebenden Entwicklungen, alles andere als erfreulich.
Soviel ist im Grobraster absehbar, die Menschheit steht
vor massieven tiefgreifenden Umwälzungen.
Einer fundamentalen Zeitenwende.

Gravatar: R.Roth

Das ist ein ausgezeichneter Beitrag,
es muss verstanden werden, das der Gesundungsprozess
der in Russland von statten ging nach der Wende sehr effektiv
gewesen ist, und das jetzige Russland nicht gleichzusetzen ist
mit der Sowjetunion.
Ich hoffe jedenfalls das Russland nicht die selben Fehler macht
wie wir im Westen, aber sehr wohl die vom Westen verworfenen Werte wie
Christlich Abendländische Identität Familie Kultur Geschichte usw.
beibehält und weiter sich positiv entwickelt.

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