Darf ich nicht???

Unwählbar und zu einer Gefahr für die Freiheit wird ein Politiker aber dann, wenn er festlegt, welche Diskussionen in einer Gesellschaft geführt werden dürfen – dann frage mich, wieso so jemand sich tatsächlich als Demokrat bezeichnen kann?

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Dass ich von den meisten bekannten Politikern keine besonders hohe Meinung habe, wird dem einen oder anderen Leser dieses Blogs nicht verborgen geblieben sein. Dazu muss ich vielleicht ergänzen, dass sich diese Abneigung nicht gegen die Person gerichtet ist (viele Menschen, die mir persönlich nicht so liegen haben ganz patente Freunde, und Freunde von mir, haben wiederum Freunde, die mir nicht so liegen …) sondern gegen den Habitus von Politikern, Dinge lösen zu wollen, die gar nicht in ihr Aufgabengebiet gehören.

Wenn also Claudia Roth jetzt in einem Beitrag für die "Welt" die Aufgabe von Politik darin sieht, „jedem Menschen die gleichen Lebenschancen zu gewährleisten und die gleichen Rechte zu sichern“ dann oszilliert mein Finger heftig zwischen „Like“ und „Dislike“, weil ich einerseits eine Interpretation dieses Wortes in dem Sinne befürworten würde, dass das Grundrecht aller Menschen das der Freiheit sein sollte, die ein Staat (von mir aus identifiziert mit der „Politik“) sichern sollte. Andererseits weiß ich aber, dass genau das hier nicht gemeint ist, sondern dass eine Politik a la Roth beinhaltet, Bürger in ihrer Freiheit einzuschränken um eine vermeintlich gerechtere Gleichheit herzustellen.

Unwählbar und zu einer Gefahr für die Freiheit wird ein Politiker aber dann, wenn er festlegt, welche Diskussionen in einer Gesellschaft geführt werden dürfen – dann frage mich, wieso so jemand sich tatsächlich als Demokrat bezeichnen kann? Man muss dabei zugestehen, dass der Titel des Beitrags von Frau Roth „Über Homosexualität darf man nicht streiten“ ein bisschen aus dem Zusammenhang gerissen ist, eine Verkürzung, die mich aber immerhin mit angeschwelltem Hals zu dem Artikel geführt hat. Im Zusammenhang schreibt sie:

Im Sinne von Artikel 1 Grundgesetz darf man deshalb so wenig über die Wertigkeit von Homosexualität streiten wie beispielsweise über die Frage der Hautfarbe. Das Ressentiment bleibt ein Ressentiment, egal, ob es als irrationale Angst, als Geschäftsmodell oder als selbstverliebte Provokation daherkommt. Und es reißt die Dämme ein, die wir in den letzten 69 Jahren aufgeschüttet haben.

Wenn ein Politiker sich auf den 1 Artikel unseres Grundgesetzes beruft, um damit Diskussionen zu unterbinden, ist höchste Alarmstufe angesagt. In dem Artikel heißt es nämlich (nur mal so zur Erinnerung):

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Nach Frau Roths Ansicht, die als Antwort auf den fulminanten Beitrag von Matthias Matussek veröffentlich wurde, darf man also – und das mit Blick auf ausgerechnet diesen Artikel, der nicht zuletzt auch eine Grundlage für die freie Meinungsäußerung darstellt – nicht nur nicht feststellen, dass homosexuelle Paare naturgemäß keine Kinder bekommen können, man darf über diese Frage nicht mal diskutieren, jedenfalls dann nicht, wenn man gleichzeitig den Nachwuchs als überlebensnotwendig für eine Gesellschaft sieht und also Gemeinschaften (ich formuliere das bewusst so neutral) fördern möchte, die diesen Nachwuchs sichern.

Denn diese von mir angestellte Betrachtung beinhaltet eine Wertung: Heterosexuelle Paare mit Kindern sind für eine Gesellschaft wertvoller als homosexuelle Paare, die keine eigenen Kinder haben können. Dass das so ist, dafür können weder hetero- noch homosexuelle Paare etwas, und es besagt auch nicht, dass homosexuelle Paare nicht auch einen Wert für die Gesellschaft haben, den natürlichen Zustand aber nicht mehr formulieren und nicht mehr diskutieren zu dürfen, ist genau die Art von Politik, die unserer Verfassung komplett widerspricht.

Ob die Diskussion nun mit provokantem Vokabular, wie bei Matussek sicher festzustellen, geführt wird oder nicht, ist lediglich eine Geschmacksfrage und so kann Frau Roth ihm von mir aus fehlendes Feingefühl vorwerfen (oder eben über dieses streiten), der Ansatz, seine Meinungsäußerung aber als von der Verfassung nicht mehr gedeckt zu interpretieren, und damit das Grundgesetzt bis zum Bersten zu biegen, das ist genau der Grund, warum ein Matthias Matussek überhaupt in dieser Form schreibt und seine absehbaren Gegner provoziert, ich möchte hinzufügen: provozieren muss. Ich würde das so formulieren: „Ihr glaubt, ich dürfte meine Meinung nicht mehr sagen, ich dürfte meine Meinung nicht zur Diskussion stellen? Dann erzähle ich euch jetzt mal, was ich alles diskutieren werde, egal ob es euch gefällt oder nicht!“

In der Diskussion um den Baden-Württemberger Bildungsplan wurde immer wieder bemängelt, dass die Bewertung homosexueller Partnerschaften und die Diskussion darum, die betroffenen Menschen verletzen könne. Dazu sage ich: „Na und?“ Unser Grundgesetz schützt einen davor, tatsächlich diskriminiert zu werden, es schützt einen vor unzulässigen Beleidigungen (wobei wie man im Fall von Birgit Kelle erfahren durfte, dass die objektiv falsche Beschimpfung als Homo-Hasserin nicht justiziabel sei), es schützt einen aber nicht davor, dass man sich irgendwie verletzt fühlen könnte. Gerade eine Vertreterin einer Partei, die sich nicht scheut, mit Worten wie „Herdprämie“ Politik zu machen und damit die Verletzung eines Großteils der Frauen in Deutschland in Kauf zu nehmen, sollte diesen Umstand durchaus verstehen.

Eines beruhigt mich an dem ganzen Thema aber kolossal: die Art von Politik, die Art von Staatseinfluss wie er einer Claudia Roth vorschwebt, wird bei den Wahlen in diesem Land seit längerem abgestraft. Der Imperativ „Du darfst nicht!“ wird im politischen Bereich von den wenigsten noch akzeptiert. Diese Politikergeneration wird sich damit hoffentlich bald selbst erledigt haben, und dann können (und dürfen) in diesem Land wieder alle Themen diskutiert werden, von denen Menschen meinen, dass sie diskussionswürdig sind – und unter denen ist das Thema Homosexualität sicher nur eines der kleineren!

Ebenfalls erschienen auf papsttreuer.blog.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Karin Weber

@ ALuckyGay

"Diskriminierung und Ausgrenzung von Homosexuellen"?????

Wo bitte? Konkrete Beispiele! Was vor 100 Jahren mal war, hat mittlerweile solch einen Bart. Uns interessiert auch nicht, was im Ausland passiert, sondern wir leben hier in Deutschland und es möchten bitteschön ganz substantiierte deutsche Problemfälle sein, von denen Sie uns berichten mögen.

Ihr "Strickmuster" entspricht dem von Frau Alice Schwarzer. Die stellt auch immer fest, ohne das auch nur ansatzweise mal zu belegen. Wird das dann hinterfragt, gibts einfach keine Antwort.

Ich empfehle Ihnen, sich mal mit der Person Claudia Roth etwas intensiver zu befassen. Also ich würde darauf verzichten, zwischen mir und dieser Lebensform irgendeine Form Kongruenz erkenen zu müssen. Googlen Sie mal "Wiedenroth" und "Claudi Roth" .. der Mann ist Karikaturist und hat wunderschöne Karikaturen gefertigt.

Gravatar: Stella

Ein Beitrag, der es so ziemlich genau auf den Punkt bringt. Ein journalistischer Beitrag im Sinne der Demokratie.

Gravatar: aLuckyGuy

Also ich finde, Claudia Roth hat doch vollkommen Recht. Weshalb wird heutzutage zu Recht die Diskriminierung von Farbigen als Rassismus bezeichnet, während die Diskriminierung und Ausgrenzung von Homosexuellen immer noch als Meinungsfreiheit durchgeht?
Und was unser Grundgesetz betrifft, das ist alles aber ganz sicher ist es nicht perferkt. Im Namen dieses Grundgesetzes wurden in den fünfziger und sechziger Jahren zig tausende Homosexuelle zu langjährigen Haftstrafen verurteilt und das damalige Bundesverfassungsgericht hatt nicht das Geringste daran auszusetzen. Genau aus Gründen wie diesen wurde es ja in den letzten Jahrzehnten auch bereits mehr als 400 mal geändert. Eine Gesellschaft ist nunmal der stetigen Änderung unterworfen, deshalb kann ein Grundgesetz per se nicht statisch sein. Ich finde, letztlich muß man sich einfach auf eine gewisse Form von gegenseitiger Achtung einigen und das ist nicht gegeben wenn eine Seite permanent die gesamte Existenzberechtigung der anderen Seite in Frage stellt. Dies ist ganz sicher keine Basis für eine friedliche Gesellschaft.

Gravatar: Klaus Wohlfahrt

Herr Honekamp, wir mir scheint, sind Sie der "Welt" auf den Leim gegangen. Die Zeitung lebt, ob zu Recht oder zu Unrecht, doch davon, Extrempositionen, die möglichst provozieren, gegenüberzustellen. Weder Herr Matussek noch Frau Roth vertreten ihre Standpunkte in einer Art und Weise, der sich eine Mehrheit anschließen würde. Ich meine bewusst nicht die Sache als solche. Ich bin der festen Überzeugung, dass die meisten Menschen einen recht gelassenen Umgang mit dem Thema pflegen. Lassen Sie sich doch nicht provozieren!

P.S. Sie bemerken zwar, dass "Homosexualität" sicherlich nur ein kleineres Thema sei - dafür, muss ich aber sagen, treibt es Sie aber ganz schön um….

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