Bücher statt Schnaps

Es ist schön, wie sich (fast) alle über das Hartz-IV-Urteil des Bundesverfassunsgerichts freuen: Lob wohin man sieht. Die Wohlfahrtsverbände freuen sich, weil aus ihrer Sicht nun endlich klar ist,

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dass die Regelsätze steigen müssen. Die Grünen haben im Überschwang gleich einen Antrag für den Bundestag beschlossen, die monatliche Zuweisung für jeden Erwachsenen von 359 auf 420 Euro anzuheben, gewissermaßen im Vorgriff auf die anstehende Reform. Und für die Bundesregierung freut sich Arbeitsministerin Ursula von der Leyen, die nun die Chance eröffnet sieht, endlich mehr für die Kinder aus Unterschichtsfamilien zu tun.

Denn darum geht es ja in erster Linie im Verfassungsgerichtsurteil: Kinder aus bedürftigen Familien, und hier sind vor allem Schulkinder gemeint, sollen nicht darunter leiden müssen, dass ihre Eltern von staatlichen Alimentationen leben. "Notwendige Aufwendungen zur Erfüllung schulischer Pflichten gehören zu ihrem existentiellen Bedarf", heißt es im Urteil. "Ohne Deckung dieser Kosten droht hilfebedürftigen Kindern der Ausschluss von Lebenschancen, weil sie ohne Erwerb der notwendigen Schulmaterialien wie Schulbücher, Schulhefte oder Taschenrechner die Schule nicht erfolgreich besuchen können." Da kann man nicht widersprechen.

Die Frage ist nur, wie sich sicher stellen lässt, dass die Kinder, um die es hier geht, in Zukunft auch wirklich in den Besitz von Büchern und Heften gelangen. Tatsächlich sind Kinder ja in vielen Unterschichtsfamilien eine entscheidende Einnahmequelle; die staatlichen Leistungen, die an Nachwuchs gebunden sind, machen den Unterschied zwischen einem Studentenleben (359 Euro für einen Alleinstehenden, plus Unterkunft) und einem Einkommen, das sich mit einfacher Arbeit in Deutschland oft gar nicht mehr erreichen lässt (2000 Euro netto für eine vierköpfige Familie; mal etwas mehr, mal etwas weniger, abhängig vom Wohngeld).

Zu den Fragen, die das Verfassungsgericht leider nicht beantwortet hat, gehört die, warum Hartz-IV-Familien offenbar nicht gelingt, was in Familien mit dem Einkommen einer Verkäuferin oder eines Möbelpackers selbstverständlich angenommen wird, nämlich den Nachwuchs mit den nötigen Schulmaterialien auszustatten. Es spricht in jedem Fall sehr viel mehr für die Annahme, dass eine Erhöhung der Regelsätze sofort der Haushaltskasse zufließen würde (vulgo Schnaps, McDonalds und Unterhaltungselektronik) als in Investitionen in eine erfolgreiche Schulkarriere. Das scheint übrigens auch den Richtern in Karlsruhe bewusst zu sein, deshalb haben sie in ihrem Urteil dem Gesetzgeber ausdrücklich den Weg eröffnet, den festgestellten Mehrbedarf statt durch Geld- auch durch Sach- oder Dienstleistungen zu sichern. Man kann sich jetzt schon auf den Aufschrei der Sozialstaatsfraktion vorbereiten, sollte sich die Bundesregierung diesen Hinweis zu Herzen nehmen – dem vielbeschworenen Kindeswohl wäre es zweifellos dienlich.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Freigeist

Hallo,
wir verschenken die neuen Bücher, die die Kinder gelesen haben, alsbald weiter an Kinder in der Nachbarschaft, d.h. auch an Hartz IV-Kinder.
Grüße
Freigeist
P.S. Es tut mir so leid, dass ich immer wieder Kinderbücher entdecke, im Haus, mit alter Rechtschreibung. Diese verbrenne ich dann im Kamin, ohne Diskussionen zu entfachen.

Gravatar: Freigeist

@jo
Hallo,
es geht um ein Anreizsystem, ganz einfach. Alles auf freiwilliger Basis.
Ausserdem bin ich der Meinung, dass jedes Kind, ist es erst geboren, ein schönes Leben haben sollte.
Als Kind und als Erwachsener. Deshalb sollten die Hartz IV-Sätze stark erhöht werden, für Kinder und Erwachsene. Da das System jedoch bald unbezahlbar sein könnte, wäre ein Anreizsystem zur Vermeidung doch optimal. Ist doch ganz und gar logisch, oder?
Grüße
Freigeist

Gravatar: jo

@ Freigeist: deine Bemerkungen sind ja unter aller Sau! So ein menschenverachtender Unsinn! Schämst Du Dich nicht, hier so zu behaupten, manche Menschen dürften Kinder bekommen und andere nicht oder weniger? Also Euthanasie aufgrund der sozialen Herkunft oder wie?
Meiner Meinung nach geht es doch viel mehr darum, allen kindern die gleichen Chancen zu ermöglichen, nicht nur auf Nahrung, Kleidung und Wohnraum, sondern auch auf Bildung.
Wie wenig Geld Familien die HartzIV bekommen für ein Kind zur Verfügung bekommen (100¤/Monat) ist wie eine Farce. Ein Kind isst oft mehr als eine Erwachsene, braucht öfter Kleidung, dann kommen noch die besagten Unterrichtsmaterialien dazu (früher gab es ja sogar mal die Lehrmittelfreiheit, wieso wurde die eigentlich abgeschafft?), wovon soll das alles bezahlt werden? Gegen diese steigende Kinderarmut muss etwas getan werden und sie liegt nicht daran, dass HartzIV Empfänger ihr Geld anderweitig "verschwenden" würden, es ist für Kinder schlicht zu wenig!
Ausserdem ist unser Bildungssystem so was von sozial undurchlässig, dass heißt die Bildungschancen von Kindern hängen im hohen Maß von der Bildung ihrer Eltern ab. Hier besteht enormer Handlungsbedarf!!!
Man kann doch nicht einfach ärmeren das Kinderkriegen verbieten und es bei reicheren fördern, wir müssen doch die Kinder fördern, die es gibt, egal ob arm oder reich, deutscher oder anderer Herkunft, Mädchen oder Junge,...

Gravatar: Freigeist

Hallo,
vielleicht sollte man mal darüber nachdenken, der Unterschicht dafür Geld zu bezahlen, dass sie das Kinderproduzieren aufgibt, ganz oder teilweise. 5.000 Euro Prämie für eine Sterilisation nach dem zweiten Kind. 50 Euro monatlich wenn das Paar auf Kinder verzeichtet. Rechnerisch wäre ein solches System viel viel preiswerter. Aber Leute, die Bauland verkaufen oder Lebensmittel produzieren sind gegen solcherlei Gedanken.
Grüße
Freigeist

Gravatar: A. Rosebrock

Das Gemeine ist: Otto Normalverbraucher hat in 2 Jahren 30 Euro Kindergelderhöhung pro Kind bekommen - nur die Hartz 4-Empfänger nicht!
Das ist doch einfach nur ungerecht - das sind genau die, die das am meisten brauchen!!!

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