Brauchen wir noch den Menschenrechtsgerichtshof?

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Die Briten gelten als Urväter von Demokratie und Menschenrechten. Trotzdem – oder gerade deswegen? – stellt der britische Justizminister jetzt einen Austritt seines Landes aus der Europäischen Menschenrechtskonvention zur Debatte.

Chris Grayling sieht die Kompetenzen des Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) als zu groß an. Was heißt das? Will London jetzt wieder willkürlich verhaften, foltern, „falsche“ Religionsbekenntnisse verbieten (Englands Geschichte drängt da etwa den Katholizismus als Objekt eines Verbots auf), die (auf den Inseln besonders artikulationsfreudigen) Medien zensurieren, den Richtern ihre Unabhängigkeit nehmen? Ganz und gar nicht. Grayling lobt sogar ausdrücklich die Menschenrechtskonvention, deren Wortlaut all das verbietet.

Aber er kritisiert mit gutem Grund die Judikatur des – rein politisch besetzten – Gerichtshofs, der immer absurdere Urteile fällt, die vom Großteil der Menschen absolut nicht mehr geteilt werden können. Seine Richter sind nicht nur deshalb politische, weil sie von den nationalen Regierungen nach Gutdünken entsandt werden. Sondern auch, weil sie keinerlei richterliche Erfahrung oder Qualifikation brauchen.

Der EGMR hat sich als völlig unfähig erwiesen, selbst jahrelange Inhaftierungen zu stoppen, die aus rein politischen Gründen erfolgt waren. Das haben etwa die Fälle Chodorkowski und Timoschenko bewiesen. Hinter diesen beiden Schlagzeilenmachern stehen noch hunderte andere, weniger spektakuläre, aber ebenso skandalöse Schicksale, wo Menschen ebenfalls im Gefängnis verrotten. Und zwar geschieht das in Mitgliedsländern des EGMR, die alle den Menschenrechten verpflichtet wären.

Ebenso unfähig war der Gerichtshof, etwas gegen die Rückverwandlung der Türkei, eines weiteren EGMR-Staats, in einen autoritären Polizeistaat zu unternehmen, in dem die nationalen Richter mit Maulkörben mundtot gemacht werden.

Dazu kommt die unerträgliche Verfahrensdauer. Bei Chodorkowski haben die Straßburger Richter etwa acht Jahre gebraucht, bis sie sich mit bloßen marginalen Verfahrensdetails auseinandergesetzt haben. Unter fünf Jahren sollte auch sonst niemand hoffen, dass er dort eine Entscheidung bekommt.

Auch in anderen Rechtgebieten hat sich die Judikatur Straßburgs absurd entwickelt. So hat sie das frühere Verbot von homosexuellen Stiefkindadoptionen plötzlich als Verstoß gegen die (unverändert gebliebene) Menschenrechtskonvention gesehen und damit solche Adoptionen durchgesetzt. So übt sie insbesondere in Sachen Migration und Asyl massiven und wachsenden Druck auf die in die Minderheit geratenen westlichen Wohlfahrtsstaaten aus. Diese werden vom EGMR darin gehindert, auch schwer kriminelle Zuwanderer abzuschieben. Das verstoße angeblich gegen die Menschenrechtskonvention.

Ich habe schon vor einigen Monaten - also noch vor dem neuen britischen Kurs - die Entwicklung der dortigen Judikatur so zusammengefasst: „Zahllose ausländische Drogendealer, Einbrecher und Räuber können nun nicht mehr abgeschoben werden, sondern bleiben in den westeuropäischen Zielstaaten mit deren wohlausgebauten Sozialsystemen. Damit verletzt aber in Wahrheit der EGMR ganz eindeutig das Menschenrecht der Opfer auf Schutz vor Verbrechen und Verbrechern.“

Aber solange die Richterbank mit dubiosen Richtern aus oft noch dubioseren Ländern besetzt ist, ist keine Besserung in Aussicht. Solche „Richter“ freuen sich sogar insgeheim, wenn Österreich, Deutschland & Co möglichst viele problematische Subjekte aufnehmen müssen. Diese würden ja sonst ihren Herkunftsländern zur Last fallen.

Man denke nur etwa an Aserbaidschan, Georgien, Rumänien, Kroatien, Albanien, Mazedonien, Montenegro, Türkei oder Moldawien, um sich klarzumachen, warum das so ist. Sie – oder auch Russland und die Ukraine – stellen genauso jeweils einen Richter wie Österreich oder Deutschland. Zur Wirkung solcher seltsamer Richter kommen etliche Linksträumer aus westlichen Staaten auf der EGMR-Richterbank, die ebenfalls ihren wichtigsten Lebenssinn darin sehen, möglichst viele Migranten nach Westeuropa zu bringen.

Während bei uns jedes EGMR-Urteil sklavisch befolgt wird, werden diese in immer mehr Ländern ignoriert. Bestenfalls bekommen dort die Betroffenen irgendwann (sofern sie dann noch am Leben sind) einen kleinen Schadenersatz. Aber diese Länder und ihre Justiz ändern ihr Verhalten überhaupt nicht. Zum Unterschied von Österreich, wo über den EGMR nicht einmal diskutiert werden darf, wenn man nicht als politisch inkorrekt gelten mag.

Es gibt nur einen einzigen Grund, warum ein Austritt aus diesem EGMR doch problematisch wäre: Das ist seine zumindest in den ersten Jahrzehnten positiv gewesene Rolle in Sachen Meinungsfreiheit. In diesem Bereich hat er sich eindeutig besser verhalten als etliche österreichische Gerichte, die früher ja ständig Meinungsäußerungen verurteilt hatten.

Nicht gelungen ist Straßburg jedoch ein Ende des Zwangsgebührenmonopols des ORF. Aber immerhin dürfen heute auch im Medienalbanien Österreich Privatsender dank dem EGMR ungehindert agieren. Die Bundesregierung (insbesondere die SPÖ-Verkehrsminister) hatte hingegen jahrzehntelang private Sender von der Polizei stürmen lassen.

Auch heute noch gibt daher die Am-liebsten-würden-wir ja-alles-verbieten-Haltung der österreichischen Gerichte und Politik zur Meinungsfreiheit dem EGMR eine letzte Lebensberechtigung. Siehe etwa auch das dringend korrekturbedürftige Skandalurteil in Sachen „Kinderschänder".

Weiterlesen auf: anderas-unterberger.at

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Stephan Achner

Der kurz- und mittelfristig beste Weg ist, die absurden Urteile des EGMR einfach zu ignorieren, so wie es ja bereits in einigen Ländern praktiziert wird. "Aussteigen" ist natürlich auch eine gute Lösung. Irgendwann gibt es dann keine Finanzierung des EGMR mehr und das Thema hat sich erledigt.

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